XX. WJT2005, Freitag
Spaß mit Einschränkungen
Spaß mit Einschränkungen
Auch ein Regentag hält die jungen Pilgermassen nicht ab, sich immer noch fröhlich auf die Straßen zu drängen. Eine junge Gruppe aus Bayern hält sich gegenüber dem gerade abgeriegelten Hauptbahnhof auf. Es ist um die Mittagszeit und die Menschenmassen wollen hinein. Geht aber nicht: wegen Überfüllung geschlossen. Das passiert jeden Tag mehrmals. Der 16-jährige Nico aus Hilpoltstein wirkt da eher ruhig und erwidert verständnisvoll: „ Die müssen vielleicht auch so reagieren, sonst klappt hier gar nichts.“ Was ihm aber Sorgen bereite, sei, dass drei seiner Gruppenmitglieder in irgendeiner anderen Absperrung stecken geblieben sind.
Manchmal, während ich so meinen Weg gehe, kommen mir die behinderten Pilger in den Sinn. Wie ist es, sich im Strom der Massen zu bewegen, wenn die eigene Körper- und Sehkraft kaum oder nicht vorhanden ist. Geht das überhaupt? Der 29-jährige blinde Niko aus Mainz ist soeben auf dem Bahnhof angekommen. Er wird von seiner sehenden Freundin sehr liebevoll begrüßt. „Es würde schwieriger sein, wenn ich allein hier sein würde. Es sind Riesenmenschenmengen und das ist nicht so einfach“, meint er erst mal abwartend.
Gute Geschäfte
Im und um den Bahnhof reiben sich andere Menschen die Hände. Jene, die vom großen Pilgerstrom nur profitieren: die Händler. Fahnen-Anstecker, Euro-Briefmarken-Gedenkblätter, Schlüsselanhänger und diverse Flaggen finden schnell ihre AbnehmerInnen. „Von den Flaggen haben wir 500 deutsche verkauft und auch 500 bayerische“, meint ein Verkäufer in der Halle des Bahnhofs. Ich muss leicht schmunzeln, denn das erinnert mich an die heutige FAZ-Ausgabe, wo der Redakteur auch von deutschen und bayerischen Fahnen spricht, die geschwenkt wurden. Dies zu unterscheiden ist im Grunde eher nachdenklich stimmend, gerade für mich, die aus Bayern kommt!
Der Imbiss „Rotisserie“ an der Haltestelle Neumarkt freut sich gerade in diesen Tagen, wo der Papst in der Stadt ist, da sei der Umsatz besonders groß. Der Inhaber Ali Ali meint schon etwas müde am Abend: „Wir haben den ganzen Tag zu tun, das Geschäft ist richtig gut.“
Sicherheit geht vor
Die Sicherheit ist ein eigenes Kapitel hier auf dem WJT. Da wo es sinnvoll erscheint, gibt es kaum polizeiliche Präsenz, woanders ist es überdimensioniert. Bei der Kirche St. Geron beispielsweise stand ein Polizeiwagen davor. Was hat das für einen Sinn? Solch ein Bild ist man sonst nur von Synagogen in Deutschland gewohnt. Warum hat eine gewöhnliche Kirche so eine Aufmerksamkeit verdient?! Auch der Manager eines amerikanischen Schnellrestaurants im Hauptbahnhof beschwerte sich lautstark über das nicht immer logisch erscheinende Handeln der Polizisten. „Ich habe schon versucht, einmal die Tür aufzumachen, da wo der Notausgang ist. Das aber durfte ich nicht. Ich finde das auch blöd“, erzählt er mir recht aufgebracht. Später nimmt er mich und einen Pilger an die Hand, als Zeugen. Er sperrt die verschlossene Tür auf, die direkten Zugang zum Bahnhof hat. Da schreit auch schon der nächste Polizist los: „Lassen Sie die Tür zu, egal ob das ein Notausgang ist!“ Daraufhin der Inhaber: „Eigentlich dürfen wir diese Tür nicht zu machen. Das ist absolut verboten. Ich muss jetzt im Hauptcenter anrufen, den Manager informieren.“ Sprach es und tat es.
Noch immer gibt es Schwierigkeiten bei der Essensausgabe. Manche Pilger laufen umsonst zu ihren Ausgabestellen. Entweder ist nichts mehr vorhanden oder dort gibt es überhaupt nichts. Philipp aus Baden-Württemberg erzählt mir von seiner heutigen Ankunft: „Es ist miserabel organisiert. Ich habe heute Morgen zweieinhalb Stunden gebraucht, um mich anzumelden und ein Bett zu bekommen. Ich bin in Kerpen untergebracht, komme da aber nicht hin, weil der Bahnhof abgesperrt ist.“ Zudem hätte er keinen Rucksack bekommen. Es hieß nur, der sei morgens auf dem Marienfeld hinterlegt worden. „Obwohl die noch genügend hatten. Ich bekomme also morgen das Programm, wenn schon alles vorbei ist.“
Moderne Heinzelmännchen
Ohne fleißige Helfer würde das Fest in einem Müllberg versinken. Die Putzkolonne der Kölner Stadtbetriebe ist rund um die Uhr in drei Schichten im Einsatz. Der Angestellte Neset Saglam berichtet von einem zehnstündigen Einsatz pro Tag. „Wir haben unser Revier, wo der Chef uns Aufträge erteilt. Dann machen wir ganz schnell unsere Arbeit.“ Der hauptverantwortliche Einsatzleiter nennt konkrete Daten. „Im Einsatzbereich Innenstadt sind 120 Leute, für Deutz und andere Stadtteile haben wir jeweils 70 Leute zur Verfügung. Zudem haben wir 20 Kehrmaschinen im Einsatz.“
Mal schauen, wann der nächste Tag für mich beginnt. Und womit.