XX. WJT2005, Donnerstag: Rhein mit Papst
Die Stimmung scheint nicht abzureißen, die Sonne meint es gut mit der WJT-Stadt Köln. Heute ist ein besonderer Tag: Der Papst kommt! Ans Rheinufer mit dem Schiff und mit dem Papamobil rund um die Kölner Domplatte, vorbei an einigen Kirchen. Manche ergattern sich schon um zehn Uhr einen Platz am sonnendurchfluteten Rheinufer. In der Nähe der Hohenzollernbrücke, wo er gegen 18:00 Uhr vorbei schiffern soll, warte ich drei Stunden zuvor, zwischen Bayern, fröhlichem Singsang und schattig kühlenden Baumwipfeln. Als die Stunde näher rückt, wird es natürlich immer voller, die Menschenmassen drängen näher.
Zuerst kommen fünf Schiffe an. Jeder sieht einen weißen, winkenden Mann auf dem dritten Schiff als den Papst Benedetto an. Ist er aber nicht. Dies merken ich und die anderen später, als wir längst aufgebrochen sind. Denn als ich in der Messehalle von Deutz sitze, sehe ich auf der Großleinwand die Live-Übertragung. Es zeigt, wie der Papst erst gegen 18.15 Uhr eben jene Stelle erreicht.
Hier aber herrscht eine freudige, in sich ruhende Stimmung, die völlig entschädigt! Behinderte und Nicht-Behinderte haben sich zu einer Messfeier zusammengefunden. „Sternstunden“ nennt sich das Programm, das mit Kulturfeiern, Gottesdiensten und Katechesen auch Schwerstbehinderten einen geistlich-spirituellen Zugang zum WJT-Geschehen ermöglichen will. Eine sehr schöne Sache, gerade an diese Bevölkerungsgruppe auch zu denken und ihnen eine Teilhabe zu ermöglichen.
Durch das weniger pompöse Getue dieser Gruppe kommt der religiöse Gedanke hinter dem Weltjugendtagsgeschehen viel mehr zum Tragen. Die Fürbitten, die die jungen Menschen hier vortragen, zeichnet etwas sehr Menschliches aus. Gedanken für den Mitmenschen, wie sie eine junge Französin formuliert: „Ich wünsche mir etwas mehr Wärme, so dass die Kälte verdrängt wird.“ Mitmenschliche Wärme und Nähe kann man sicherlich überall spüren. Letztendlich wird es entscheidend sein, wie dies nachhaltig nach dem Weltjugendtag in den Alltag transportiert und weitergelebt wird. Erste Funken haben sich entzündet, die großen Flammen wirken weiter, tiefer.
Ruhe und Besinnlichkeit sind normalerweise tragende Elemente des Glaubens. Nur so ist innere Einkehr und Reflexion möglich. Hier müssen schon Orte gesucht werden, wo keine Menschenmassen durchströmen. Und dann heißt es, genau hingucken, wo Momente der Stille möglich sind. Auch manche Gespräche können ein Ruhetanker sein. Da, wo blindes Verstehen möglich ist, wo man vom Gefühl des Verstehen-Wollens getragen wird. „Nach dem ganzen Jubel und Trubel möchte ich einen Ort der Ruhe und Einkehr suchen“, so ein Pilger aus Jamaika während des Wartens auf die Straßenbahn an der Deutzer Brücke.
Im Grunde soll es ja ein Glaubensfest sein. Ein Fest für junge Leute, die sich mit ihrem Engagement für das geistliche Leben im gelebten Miteinander begeistern. Praktizierende Nächstenliebe findet nun mal nicht auf dem Papier statt, sondern vom Ich zum Du.
Manchmal jedoch wundere ich mich, dass Rock und Pop nirgends fehlen. Der Event-Charakter und das Zählen der Wieviele-war-ich-schon-dabei-WJT-Tage lassen etwas vom Ursprungsgedanken fehlen. Das auf Massen abgestimmte Programm wird nicht immer dem Einzelnen und dem Wunsch nach Ruhe und Rückzug gerecht. Selbst der Papst begibt sich mit seiner Ansprache auf der Domplatte in diesen Mainstream. Weniger Inhalt, mehr Lobhudelei auf die Kölner Stadt und ihre fröhliche Katholizität. Ganz angepasst, wenig Substanz. Der Personenkult ist nicht meine Sache. Das Dabei sein für eine gerechtere, mitmenschlichere und wirklich offene Welt aber umso mehr. Auf den kleinsten Nenner gebracht.