I don’t like Dublin...
Eine Woche Dublin hat Paul wirklich beeindruckt. Er hat sich regelrecht verliebt in diese Stadt, in der Trinken ein teures, aber leckeres Vergnügen ist, wo jeden Abend einer anderen Musikrichtung gelauscht werden kann und das Essen von Fett trieft. Sein Körper jedoch dankt es ihm, dass diese Liebe nun wieder aus der Ferne erlebt wird.
Es gab oder gibt eine Reggaeband, 10cc, die einen Titel mit dem Namen „Dreadlock Holiday“ gesungen hat. Eine Zeile geht so: „I don’t like Reggae, I love it.“ Das Gleiche könnte ich über Dublin sagen:
„I don’t like Dublin, I love it.”
Warum ich das alles erzähle? Ganz einfach: Vom 17.10.2004 an war ich für eine Woche in Dublin. Simon Communities of Ireland hat alle neuen Freiwilligen und mich zu einem Training in Dublin eingeladen.
Das Training war im Großen und Ganzen nicht so sehr sozialpädagogisch wertvoll, wie ich mir vorgestellt hatte, sondern zeitweilig sogar richtig lustig. Es gab glücklicherweise keine Icebreaker- und Kennenlern-Spiele, da wir nur eine Gruppe von elf Freiwilligen waren und uns schon vom Vorabend kannten. Fünf Teilnehmer kamen aus Cork, zwei aus Galway und vier aus Dundalk. (In diesen drei aufgezählten Städten gibt es Freiwillige. Zwar gibt es in Dublin auch eine Simon Community, aber leider keine Freiwilligen dort.) Gelernt haben wir unter anderem „Breakaway-Techniques“. Das sind einfache Tricks, um von jemandem weg zu kommen, der gerade handgreiflich wird. Also Selbstverteidigung, ohne dem Angreifer jedoch Schaden zuzufügen. Auch sehr interessant fand ich „Communication“. Dort haben wir erfahren, dass 55% unserer Kommunikation über Körpersprache geschieht. Nur etwa 7% wird über das gesprochene Wort vermittelt. Und wir erfuhren weitere nützliche Fakten, beispielsweise, wie man jemanden, der gerade am ausflippen ist, beruhigt. Nicht so informativ war „Challenging Behaviour“ oder „Mental Health“. Das Training ging jeden Tag von 9.30 bis 4.00Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Somit waren das nicht einmal sechs Stunden Training täglich.
Gewohnt haben wir im Avalon House, einer ganz annehmbaren Jugendherberge. Auch das Essen wurde uns gestellt, jedoch sind in dieser Woche Vitamine gar nicht erst in meine Nähe gekommen. Frühstück gab es in der Herberge. Es war kontinental, also nicht wirklich essbar: Toast mit Marmelade und Fruchtsaft. Mittagessen gab es im Hotel Central, unserer Tagungsstätte. Ja, Hotel Central hört sich nobel an, und genauso war es. Der Kellner hat uns von rechts bedient und es hat super geschmeckt, doch die Devise war: Fett ist Geschmacksträger. Abendessen wurde im Cafe Sofia serviert. Der Koch, wahrscheinlich ein Bulgare, hat sich das mit dem Fett als Geschmacksträger auf die Fahne geschrieben: je fetter, desto mehr Geschmack. Er hat Lasagne mit Fritten serviert und wahrscheinlich auch die Nudeln frittiert. Nach einigen Tagen solcher Gaumenfreuden mussten wir mit viel Gesundem ausgleichen: Obst und Fruchtsäfte!
Die Zeit, in welcher wir nicht trainierten, hatten wir für uns. Da ich im letzten September schon eine Woche Dublin während meiner Abifahrt genießen konnte, kannte ich schon die Touri-Sachen. Ich konnte mich also ganz darauf beschränken zu shoppen (Windowshopping!), Gitarren Probe zu spielen, oder einfach durch die Straßen und Gassen zu schlendern und mich wohl zu fühlen.
Außerdem habe ich viel zu viel Geld in den Pubs in Temple Bar gelassen. Ich habe, glaube ich, noch nie so viel Geld versoffen, wie hier in Dublin. Das liegt zum einen an den hiesigen Preisen, zum anderen an der irischen alkoholfreudigen Mentalität, die mich in ihren Bann gezogen hat... Doch bleiben wir bei den Preisen: € 5,- (in Worten: fünf!) für ein Pint. Dafür war jedoch die Livemusik umsonst. Wir haben fast jeden Abend irgendwo jemandem dabei zugeschaut, wie er in die Saiten haut. Am ersten Abend haben wir Bluesmusik gelauscht, dann gab es noch irgendwann in der Uni einen Jazznacht mit super Bands. Eines anderen Abends gab es verdammt gutes Cover, das Beste, was ich bisher gehört habe. Supersonixx können sich da voll verstecken! Die Reggaenacht war nicht so super, die Band hat einfach nicht genug Druck auf die Membranen gebracht.
Ich würde fast sagen, dass uns Simon die Woche geschenkt hat. Das Training hat erst um halb zehn begonnen. Das ist fast eine Aufforderung zum Weggehen und Erforschen des Dubliner Nachtlebens. Und hier gibt es viel auszukundschaften. Obendrein nur sechs Stunden Lernen täglich. Mehr ein Alibi, um uns nach Dublin zu bringen. Auf jeden Fall werde ich noch mal in die irische Hauptstadt reisen müssen. Die Stimmung dort, der „buzz“, wie es die Iren nennen, und das kosmopolitische Flair haben ihren gewissen Zauber.
Nach dem Seminar sind Jörg (mein Zimmergenosse) und ich nach Dundalk gefahren, um die dortigen Freiwilligen zu besuchen. Dundalk liegt genau in der Mitte zwischen Dublin und Belfast an der Grenze zu Nordirland. Es ist eine kleine 30 000-Menschen Gemeinde. In zwei Stunden hat man die ganze Stadt gesehen. Es gibt dort nichts Besonderes, doch ist es einfach eine charmante Stadt.
Als wir am Sonntagnachmittag nach zwei Nächten in Dundalk wieder zurückkamen, bin ich gleich ins Bett gefallen. In der darauf folgenden Woche habe ich nur Gesundes gegessen und nichts Ungesundes getrunken. Ich habe Erholung gebraucht. Dafür haben mich jetzt Vitamine wieder gern.
In diesem Sinne: „Ich leg mir nen Löwenzahn aufs Brot.“