Dublin, die zweite & Belfast, die erste
Kaum gab es ein paar freie Tage, hat Paul sich aufgemacht, irische Städte zu erkunden: „Schnell wurde mir deutlich, dass Belfast pompöser und majestätischer ist als Dublin. Dublin im Vergleich, ist ein großes, großes, großes charmantes Dorf.“
Da bin ich wieder. Hat wieder mal etwas länger gedauert, sorry. Ist auch etwas länger geworden der Text. Ich versuche in Zukunft öfters zu schreiben und dafür kürzer, versprochen! Die weihnachtliche Stimmung ist schon lange vorbei, deswegen werde ich nur kurz davon erzählen. Am 24. Dezember gab es Turkey und Ham. Das ist traditionell das, was die angelsächsische Welt so an Weihnachten isst, jedoch einen Tag später als wir. Da die Mehrzahl der Leute hier bei uns Deutsche sind, wurde das für einen Tag vorgezogen. Als Beilage gab es allerlei schmackhafte Sachen, doch kann ich sie nicht benennen. Die Kanadierinnen haben gekocht und ich war nur fürs Schneiden der einzelnen Zutaten zugeteilt. Unseren Abend haben wir in gemütlicher Runde bei einem Gläschen Wein verbracht. Es war irgendwie nichts Besonderes. Mir wurde empfohlen, in Irland zu bleiben an Weihnachten, doch nächstes Jahr fahre ich zu meiner Oma, denn da ist das Essen ist wie es halt bei Oma so ist und wenigstens kalt! Warum kalt? Ganz einfach, hier haben die ganze Zeit (bis auf ganz, ganz kurze Kälteeinbrüche) konstante zehn Grad geherrscht. Bei solchen sommerlichen Temperaturen kann man sich nicht wirklich weihnachtlich fühlen. An Weihnachten muss man sich die Nase rot frieren, sonst ist das langweilig...
In der Zeit von Weihnachten bis Silvester habe ich eine ganz normale Woche gehabt und gearbeitet. Es war ziemlich stressig, weil die Obdachlosen da immer sehr sentimental werden und durchdrehen und allen möglichen Scheiß treiben, doch dann am 30. Dezember kam Besuch und alles war wieder gut. Silvester war irgendwie nichts Besonderes. Im Vergleich zu Deutschland wird hier der Übergang zwischen den Jahren eher unsentimental betrieben. Man geht in den Pub und macht nicht viel mehr als an einem normalen Samstagabend. Und ich glaube, Böller sind hier verboten, denn keiner hat herumgeballert. Es war ganz ruhig zur Stunde Null, ganz ungewohnt für deutsche Ohren. Da wir über Sylvester nur sechs Freiwillige waren, da alle nach Deutschland gefahren sind (wahrscheinlich um herumzuknallen) hat sich keine Hausparty gelohnt. Also haben wir mit unseren zwei Besuchern aus Dundalk zuerst versucht zu grillen und sind dann im Kollektiv in die Stadt und haben dort in verschiedenen Pubs das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüßt. Zum Grillen: Da es ja Winter ist, ist Holzkohle schwer zu finden, deswegen haben wir und Ofenkohle besorgt. Wir haben gedacht, dass diese wie Holzkohle am besten zu verwenden ist, wenn sie weiß geglüht ist. Doch das ist nicht so. Wenn die Ofenkohle weiß ist, ist sie kalt! Somit mussten Pfannen als Grill herhalten. Doch es war sehr lecker...
Vom 2. Januar arbeitete ich noch drei Tage, dann hatte ich fünf Tage frei. Was macht der schlaue Paul, wenn er einige Zeit hat? Natürlich, er fährt tolle Städte besuchen (meinen Besuch habe ich natürlich mitgenommen).
Los ging es nach Dublin am 05. Januar, und ich habe nicht wirklich etwas zu erzählen, denn über die Tolligkeit von Dublin ist eigentlich das Meiste schon gesagt. Erwähnenswert sind jedoch die nachweihnachtlichen Ausverkäufe hier. Will man wirklich dekadent shoppen gehen, fliegt man einfach kurz nach Neujahr nach Irland, vorzugsweise Dublin (Ladendichte ist hoch), und gibt alles Geld, was man zu Weihnachten bekommen hat, aus. Ich habe Klamotten gesehen, die von 50 Euro auf acht Euro reduziert waren. Da lohnt sich doch ein Ryanair-Flug allemal. Und man kann dazu noch mal nach Temple Bar, der Pubmeile Dublins, gehen und gemütlich ein Guinness bei genialer Livemusik schlürfen. Was will man mehr?
Nach zwei Nächten in der irischen Hauptstadt ging es in die nordirische Hauptstadt. Nach einer dreistündigen Busfahrt sind wir im regnerischen Belfast ausgestiegen und haben uns auf die Suche nach unserem Hostel gemacht. Nach der Konsultation eines nordirischen Taxifahrers und gleichzeitiger Belustigung haben wir dann unsere Herberge gefunden. Belustigung? Ja, die haben hier einen dem schottischen ähnlichen Akzent, der einfach nur zum Schmunzeln ist. Das ist jetzt nicht negativ gemeint, aber er so einzigartig und ungewohnt für unsere von Frau Schier (sorry, nur für Insider) gebildeten Ohren, dass dieses einem die Mundwinkel nach oben zieht. Vielleicht ein Vergleich: Überlegt Euch mal, Ihr lernt als Ausländer Deutsch und fahrt nach Garmisch...
In der Jugendherberge haben wir erstmal geschluckt. Wir waren nämlich unsere eloquenten Dubliner Zimmer mit sauberer Dusche auf dem Zimmer und bequemen Betten gewohnt. Und da kommen wir in eine etwas brüchige Bude. Es war schon okay, doch diese Differenz hat uns den vorigen Luxus deutlich gemacht. Das Zimmer war dicht bevölkert: 18 Leute, doch es war nicht ausgebucht. Und man darf sich nicht wirklich vorstellen, dass die Leute, die das Geschirr vor mir verwendet haben, es so abspülten, wie ich es tat. Auch sollte man in den Duschen hinschauen, wo man hintritt, damit man dem davonlaufenden Schimmel (nicht beritten) nicht im Weg steht. Doch es war billig. Wenn man nur 90 Euro die Woche bekommt muss man halt mal sparsam leben.
Am nächsten Tag (bis jetzt der kälteste in meiner Zeit in Irland) ging es auf Exkursion in die Stadt. Das Wetter war irisch wechselhaft: Zwischen Sonnenschein und Schneefall hat es an diesem Tag alles gegeben. Belfast ist eine sehr kompakte Stadt und man kann ziemlich alles zu Fuß erreichen. Schnell wurde mir deutlich, dass Belfast pompöser und majestätischer ist als Dublin. Ich war zwar lange nicht mehr in London, doch meine Eindrücke aus London sind ziemlich ähnlich mit denen von Belfast. Dublin im Vergleich, ist ein großes, großes, großes charmantes Dorf. Belfast auf der anderen Seite ist eine Stadt in einem Königreich. Die haben mitten in der Stadt ein sehr monumentales neoklassizistisches Rathaus stehen. Außen herum reihen sich breite Straßen und es sieht alles sehr geordnet aus. Die Innenstadt ist jedoch nichts Besonderes.
Das, was Belfast berühmt macht, sind die Randbezirke. Dort, wo die Katholiken (irisch) und die Protestanten (britisch) sich bekämpften oder es immer noch tun. Die ganze Stadt ist unterteilt in Bezirke sich bekriegender Religionen. Zum Teil sind diese von Schnellstraßen, an andern Stellen vom Mauern, vier Meter aus Stein und darauf sechs Meter Zaun, getrennt. In dieser ‚Freedom Wall‘ war eine offene Schleuse, und auch sonst kann man sich frei bewegen. Ich vermute, dass im Fall einer Eskalation durch solche Mauern und Trennungsmittel die Situation einfacher zu kontrollieren ist.
In Belfast merkt man ganz genau, wann man in welchem Sektor ist. Im protestantischen ist alles blau-rot-weiß gehalten und überall hängen britische Fahnen. Im katholischen Teil dagegen sieht man diese berühmte irische Schrift überall und alles ist grün. Im Allgemeinen ist das eine sehr abgesicherte Stadt. Überall stehen irgendwelche Zäune, überall sieht man Stacheldraht und Absperrungen. Ich fühlte mich irgendwie nicht wohl dort. Es schien alles so kalt und abweisend. Nachts würde ich in die Bezirke nicht gehen. Ich glaube, man muss auch sehr aufpassen, wann man was sagt. An einigen Stellen haben die WOHNhäuser Gitter vor den Fenstern.
Und wenn man ein Foto von den vielen politischen Wandbemalungen machen will, hat man das Gefühl, es schauen einen alle schief an. Diese Wandbemalungen sind charakteristisch für Belfast und ehren alle gefallenen und wichtigen Personen oder die Parteien/Organisationen in diesem ‚Krieg‘. Man findet diese eigentlich überall in der Stadt. Daran kann man auch erkennen, in welchem Bezirk man sich befindet. Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass es in Europa noch ‚Religionskriege‘ gibt.
Fairerweise ist zu sagen, dass das ganz gewiss nur der Eindruck eines Tages ist. Sicherlich gibt es dort ebenso neutrale Leute und eine Menge guter Livemusik und Spaß. Aber man muss wissen, wo man hingehen soll. Auf jeden Fall war die Innenstadt am Samstagabend menschenleer und es war schwer, einen Pub zu finden, um ein Bierchen zu trinken. Ich vermute, dass in den Wohnbezirken mehr los ist und die Menschen sich einfach nicht trauen, jene zu verlassen.
Doch hier mal etwas Lustiges: Es scheint, die Stadt ist irgendwie, vor allem die Wohnbezirke, in den 70ern stecken geblieben. Es müssten die geparkten Autos etwas älter, die Haare länger, die Kotletten buschiger und der Schlag an der Hose noch ausfallender sein, und man könnte anfangen, einen 70er-Jahre-Film zu drehen. Was ich von der Umgebung Belfasts gesehen habe zwischen den Schneeflocken und dem Nebel war sehr interessant. Vielleicht zur Sommerzeit...
Nach unserem einzigen ganzen Tag in Belfast sind wir wieder nach Hause abgedüst. Was heißt hier düsen? Ich habe ja schon über die Geschwindigkeit des irischen öffentlichen Personennahverkehrs erzählt. Sieben Stunden exklusive zwei Stunden Aufenthalt in Dublin!
Während meiner Rundreise habe ich in vielen Gitarrengeschäften inne gehalten und verscheide Saiteninstrumente Probe gespielt. Am Ende habe ich mir einen Flügel gekauft. Nein, alles Mist... Bei meinem Budget würde es nur für ein Flügelchen reichen, deswegen habe ich mich für ein anderes Saiteninstrument entschieden: eine Tanglewood-Akustikgitarre. Ein geiles Teil!
Noch etwas ganz Anderes: Anfangs habe ich sehr euphorisch von Irland erzählt. Alles war toll, alles war super! Ist es immer noch, jedoch auf eine andere Art und Weise. Diese anfängliche Begeisterung ist nun langsam vorbei. Langsam kommt man in einen Alltag herein und bekommt immer mehr Routine in der Arbeit und lernt auch die Leute immer besser kennen. Ich habe so das Gefühl, dass jetzt eine etwas andere Phase anfängt/angefangen hat. Eine, die vielleicht nicht so hektisch, erforschend und unruhig sein wird. Langsam fühlt sich das hier mehr und mehr an wie (m)ein Zuhause.
Ich denke, die kommende Zeit wird NICHT irgendwie negativer als die vergangenen drei Monate, sondern einfach anders.