Cork Simon Community
Irland – das Traumland jedes Musikfans. Zumindest in Pauls Augen ist es das, egal, ob Jimme-Hendrix-Style oder ein lockerer Mix aus Blues, Rock und Pop, hier findet sich eine Riesenauswahl an Live-Gigs, von denen zu berichten lohnt. Außerdem macht Paul nun ein Versprechen wahr und gibt tiefere Einblicke in seine momentane Wirkungsstätte.
Langsam glaube ich zu wissen, was Irland ausmacht. Jedenfalls bilde ich es mir ein. Es sind nicht nur die vier Literaturnobelpreisträger, die Irland hervorgebracht hat, sondern auch die Musiker. Besser gesagt, es ist das riesige Angebot, Musik zu hören. Wie schon in vielen vergangenen Artikeln in meinem Tagebuch muss ich mal wieder von tollen Gigs erzählen, die ich erkundschaftet habe. Vorletzten Samstag: Jimmy Hendrix Tribute Band. Es war laut, es war krachig, es wurde mit der Zunge gespielt und Gitarren haben gebrannt. Es war ein toller Abend, jedoch leider nicht die beste Jimmy-Nachmache, die ich gesehen habe. Die zehn Euro Eintrittsgeld war es aber auf jeden Fall wert.
Um den zweiten Gig zu erklären muss ich etwas weiter ausschweifen: Eines schönen Tages habe ich im dritten deutschen Fernsehen, lange vor Irland, eine Band gesehen, die sich EZIO nannte. Da ich die lecker fand, habe ich mir den Namen gemerkt und kürzlich darauf eine CD gefunden. EZIO sind zwei Leute, dieganz ‚laid back’ Akku-Gitarren Bluesrockpop machen. Nichts Böses ahnend gehe ich neulich durch den Doppelpunkt Corks (hier heißt das ‚Whaz on?’) und sehe als ganz kleinen Eintrag EZIO in der „Lobby“. Zunächst war ich etwas skeptisch: Können denn solche Musiker, die im deutschen Fernsehen aufgetreten sind, in Cork in einem Pub vor etwa 50, wenn überhaupt, Leuten spielen? Ich bin dann in der Woche vor dem Pub vorbeigekommen und habe Plakate mit ihrem Photo drauf gesehen. Tatsächlich, sie waren es! Sofort rein und Ticket kaufen...
Es war ein traumhafter Abend, in einem kleinen, klassenzimmergroßen Raum mit winziger Bühne und einer dementsprechend klassenzimmergroßen Menschenmenge. EZIO haben über ihre Irlandtour berichtet: Über ihren letzten Gig in irgendeinem Dorf, dass ich nicht kannte, haben sie erzählt, dass nur Leute aus England und Deutschland da waren aber kaum einer „von der anderen Straßenseite“. Bei dem Konzert in Cork war es nicht viel anders: Neben mir waren noch etwa drei weitere Leute aus Deutschland da. Die sind extra dafür angereist. Engländer waren auch einige da.
Doch nun zu etwas ganz Anderem: was ich eigentlich in diesem Beitrag erzählen wollte ist, wie ‚Cork Simon Community’ funktioniert. In früheren Artikeln habe ich aus Gründen der Unwissenheit und Noch-nicht-Durchschautheit auf später, also jetzt, verwiesen. Auch habe ich einiges Falsches erzählt, vor allem in meinem allerersten Eintrag.
Simon Community gibt es in ganz Irland. Es gibt etwa einige ‚Filialen’ von Simon, davon eine in Dublin (Zentrale), Cork, Galway, Dundalk, South-East und Midlands. Wahrscheinlich habe ich irgendeine vergessen, jedoch sind das die wichtigsten. Gemeinsam haben eigentlich alle nur das Logo, einen Teil der Finanzierung und teilweise die Verwaltung. Jede Stadt hat dann ihre eigenen Bestimmungen und Maßnahmen. Es geht sogar so weit, dass die Richtlinien, die von Dublin gegeben werden, frei interpretiert werden von Ort zu Ort. Freiwillige gibt es nur in Galway, Dundalk und Cork. Ganz wichtig ist vielleicht die Tatsache, dass Simon nur mit Bedürftigen arbeitet, die über 18 Jahre alt sind. Für jüngere ist das Jugendamt zuständig. Das etwas witzig klingende Ziel von Simon ist es, sich selbst unnötig zu machen. Frei übersetzt: Alle Art von Obdachlosigkeit bekämpfen.
Cork ist die größte Einrichtung von Simon. In Cork gibt es ein Emergency Shelter, Day Centre und Outreach, Residential und Settlement. Es arbeiten hier etwa 75 Festangestellte, 16 Freiwillige und eine gering Anzahl Putzpersonal, etc.
Im Shelter gibt es 44 Betten und es ist 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich geöffnet. Für einige Euro kann man da von einer Nacht bis ... bleiben. Es gibt Kandidaten, die schon seid Jahren im Shelter leben. Dort gibt es zum Großteil Einzelzimmer, volle Verpflegung, Fernsehraum, Billard, etc. Der Ton im Shelter ist nicht wie im Ritz-Hotel (fairerweise muss ich sagen, dass ich auch nicht weiß, wie der Ton im Ritz ist...). Drogen, Suff und alle möglichen psychischen Probleme sind an der Tagesordnung.
Residential sind drei Häuser überall in der Stadt, wo Obdachlose, meistens altbekannte Hasen vermittelt aus dem Shelter, über lange Jahre wohnen. Es sind fünf bis acht Leute und immer zwei Betreuer 24/7 zugegen.
Settlement sind Wohnungen verstreut in der ganzen Stadt, die preisgünstig an Bedürftige vermietet werden. Das ist besonders wichtig, da es in Irland ein nur sehr schlecht ausgebautes Mietgesetz gibt und die Mieter so gut wie keine Rechte haben. Die Betreuung ist minimal. Gelegentlich kommt jemand mal vorbei und hilft beim Putzen oder bei den Finanzen, doch zum Großteil sind die Leute auf sich gestellt.
Das Day Centre, in welchem ich arbeite, ist geöffnet die ganze Woche von 7.30 bis 13.00 Uhr. Es ist offen für alle, jedoch kommen meistens Bewohner von Cork Simon Häusern oder von andern Obdachlosenherbergen in der Stadt. Leute, die auf der Straße schlafen machen weniger als 20 Prozent unserer ‚Klientel’ aus. Im Day Centre kann man sich in Ruhe hinsetzen, sich aufwärmen und umsonst etwas essen, meistens jedoch nur Kaltes. Auch haben wir Waschmaschinen und Duschen. Doch das wichtigste sind unsere Services: Braucht man einen Lebenslauf, um sich irgendwo zu bewerben oder will man einen Vermieter wegen einer Wohnung anrufen, kann man das bei uns tun. Ämter- oder Reisepassanträge ausfüllen oder sich einen Email-Account erstellen, alles das kann man bei uns machen. Gelegentlich werden Aktivitäten wie Fußballspielen oder Fischen (sehr beliebt!) angeboten. In einer Woche sollen wir sogar zum Hochseefischen fahren. Da wir in dem gleichen Haus sind, wie das Shelter, kommen viele Bedürftige zuerst zu uns und wir vermitteln ihnen nach Möglichkeit ein Bett im Shelter. Samstag und Sonntag ist das Centre nur für diejenigen offen, die auf der Straße schlafen.
Ich bin für alles Mögliche verantwortlich. Von Lebensläufen tippen, irgendwelche Anträge ausfüllen oder oft nur mit den Leuten schmarrn. Ganz gerne werde ich von meinen Kollegen auf alle polnischsprachigen Leute losgelassen, welche es seit der EU-Erweiterung hier in Massen gibt. Dann darf ich herausfinden was ihnen ‚fehlt’ und weitere Schritte einleiten. Verständlicherweise suchen die hier nach Arbeit. Laut einem Polen verdienen die hier in einer Nachtschicht genauso viel wie in einem ganzen Monat in Polen. Outreach ist die ‚Außenstelle’ von Cork Simon. Es gehen täglich zwei Leute ihre feste Runde durch die Stadt und schauen was so vor sich geht. Outreach arbeitet sehr eng mit dem Day Centre zusammen, da es ja der direkte Draht zur Straße ist.
Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass ich ziemlich froh bin, im Day Centre zu arbeiten. Die Meisten, die bei uns eintreten, sind leider nur besoffene und drogenabhängige Penner, die es unglücklicherweise nicht besser können, als auf der Straße zu leben oder einfach Leute, die ihre Bude verloren haben. Doch gelegentlich kommen richtig interessante Leute, die einem von Südafrika, Tansania oder anderen exotischen Plätzen erzählen. Stories, denen man den ganzen Tag zuhören könnte, zum Beispiel, wie jemand in einem Leuchtturm gesquaded hat oder von einer Radtour um ganz Irland. Somit kann man von denen lernen, wo man in Irland die versteckten schönen Orte findet, die man besuchen sollte (was extrem viele sind).