Nachspielzeit
Der erste und letzte Sommer in Żary.
In letzter Zeit ist so viel passiert, dass ich es unmöglich alles zusammenfassen kann, obwohl eigentlich alles seinen eigenen Eintrag verdient hätte. Dazu gehören Reisen nach Lemberg, Danzig, Liberec und Riga, das große Trzebiel-Fest und natürlich mein Projekt. Trotzdem möchte ich euch das Ergebnis von letzterem nicht vorenthalten. So etwas entsteht, wenn knapp dreißig polnische Kinder und eine deutsche Freiwillige zusammen kreativ werden. Die Frage ist eher, wie sieht es im Moment aus? Mein Freiwilligendienst dauert noch sechs Wochen, ich höre etwas früher auf, weil es gleich mit der Uni weitergeht. Sonja und Johanna sind quasi schon fertig, weil in ihren Einrichtungen Sommerferien sind. Trotzdem bleiben sie noch hier und nehmen an verschiedenen Projekten teil. Ein bisschen komisch, in anderthalb Wochen verschwindet Sonja bis zum Abschlussseminar. Und nach dem Seminar bleiben mir noch vier Tage in Polen. Das soll noch nicht der Abschiedsbericht werden, aber so langsam merkt man das nahende Ende schon. Es wird diskutiert, ob es sich noch lohnt, eine neue Flasche Ketchup zu kaufen (Entscheidung: Ketchup geht immer). Unsere gemeinsamen Abende auf dem Balkon sind gezählt, die Pfannkuchen zum Frühstück auch. Es wird viel über das Studium geredet, worauf wir uns sehr freuen. Johanna und ich haben die Zusagen unserer Wunsch-Unis in Münster und Maastricht, Sonja wird auch ohne Probleme in Heidelberg angenommen werden. Ein wenig graust es uns vor der Auflösung der Wohnung. Falls ich es noch nicht erzählt habe, sie gehört einer älteren Dame mit einer Vorliebe für Kristallschalen und Jesus-Fanartikel, die momentan im Keller vor sich hin stauben. Das muss alles zurück an seinen Platz. Und alles, was sich bei uns in diesem Jahr angesammelt hat, muss weg. Zum Glück habe ich schon einen neuen WG-Platz und ziehe dann gleich um. Es wird wieder eine 3er-WG, aber mit doppelt so vielen Zimmern! Darauf freue ich mich. Das heißt aber auch, dass ich wohl nie wieder mit meinen Mitbewohnern so eng befreundet sein werde wie mit den beiden hier. Es wird wohl nicht ständig jemand auf meinem Bett liegen und seine Sachen dort verlieren. Aber gleichzeitig heißt das, dass ich Freundschaften außerhalb der Wohnung schließen kann (die wunderbare Kasia muss ich an dieser Stelle aber auch nochmal erwähnen). Gerade findet im OKiB das zweiwöchige Ferienprogramm statt: Fast jeden Tag setzen wir uns mit dreißig Kindern in einen heißen Bus und fahren irgendwo hin. Das war das Schwimmbad, ein Trampolinpark, ein Bauernhof und noch einiges mehr. Ich bin in der wunderbaren Position, dass ich mithüpfen kann, wenn ich Lust habe und Fotos machen, wenn ich keine habe. Irgendwo bin ich zwischen Kind und Betreuerin, natürlich muss ich aufpassen, aber gleichzeitig bin ich mittendrin und spiele genauso mit. Einige Kinder habe ich sehr ins Herz geschlossen, andere sind ziemlich anstrengend. Aber die meisten sind beides. Habe ich die Hitze schon erwähnt? Gestern hat meine Wetterapp für Żary einunddreißig, für Papenburg angenehme neunzehn Grad angezeigt. Wobei mich Hitze weniger gestört hat, als ich noch einen Pool zuhause hatte... Ich hoffe, dass sich unser Vorhaben, irgendwo baden zu gehen nicht zu einer Zumba-ähnlichen Mission entwickelt. Am Freibad in Żary haben wir ohne auszusteigen gewendet, weil es völlig überfüllt war und andere wirklich überzeugende Badestellen haben wir noch nicht gefunden. Aber in den nächsten Tagen soll es leicht abkühlen. Zum Glück habe ich jetzt ein Auto! Na gut, es ist nicht wirklich meins, aber meine Eltern waren am letzten Wochenende zu Besuch und haben es hier gelassen, damit ich fahren übe. Obwohl der Bus schon bequem war, halbiert sich jetzt die Zeit für meinen Arbeitsweg und plötzlich steht uns die Welt jenseits von öffentlichen Verkehrsmitteln offen, das ist schon toll. Heute war der Abschluss des zweiwöchigen Ferienprogramms, ein Turnier für die Kinder in verschiedenen Disziplinen von Eierlaufen über Seilspringen bis zu einem Quiz über Trzebiel (bei dem ich gnadenlos versagt hätte - die Kinder zum Glück auch). Dazu gab es Würstchen, Zuckerwatte und eine Hüpfburg, man gönnt sich ja sonst nichts. Es ist lustig, wie viele Eltern der Kinder ich schon kannte, ohne jedoch zu wissen, dass sie die Eltern sind. Oder ein Kind erzählt mir, ich sei ja mit seiner Schwester oder Tante befreundet, ohne dass ich vorher eine Ahnung von irgendwelchen Verwandschaftsverhältnissen hatte. Trzebiel ist nun mal ein Dorf und manchmal fühle ich mich wie der Zuschauer einer Seifenoper, in der immer wieder neue Verstrickungen ans Licht kommen, obwohl sie in diesem Fall selten so skandalös sind. Gerade gucke ich die letzten Minuten des Spiels Brasilien - Belgien und da fällt mir ein, ich könnte auch noch was zur WM schreiben. Das Fieber hat hier nur kurz angedauert, war aber fast so intensiv wie es normalerweise in Deutschland ist. Obwohl Public Viewing sich in Polen noch nicht durchgesetzt hat, hingen die Flaggen überall an den Autos und die Kinder sangen Lieder für ein "Polska gola", wenn auch, wie wir alle wissen, wenig erfolgreich. Wobei ich da ja auch nichts zu sagen kann. Allgemein galt für mich das Prinzip: Polen soll weit kommen, aber bitte nicht weiter als Deutschland, sonst muss ich mir das wieder überall anhören. Geklappt hat das bei uns beiden nicht, aber wenigstens kam tatsächlich kein Spruch und die Polen haben ihr Ausscheiden mit beeindruckender Disziplin totgeschwiegen. Wobei, vielleicht haben die Deutschen das Gleiche gemacht und ich weiß es einfach nicht. Aber beim nächsten Mal drücke ich wieder Polen die Daumen! Sonja hat übrigens gesagt, ich solle einen fußballbezogenen Titel nehmen. Ich weiß gerade nicht, ob der von mir gewählte originell oder doof ist. Falls ihr ihn doof findet und Fußball euch sowieso zum Hals raushängt, entschuldige ich mich hiermit, bessere Vorschläge werden immer begeistert angenommen. Das Wort dieser Woche, oder dieses Monats?, ist gorąco ("gorontzo"), das bedeutet heiß und passt wunderbar zum polnischen Wetter. In dem Sinne ein schönes sommerliches Wochenende!
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