Zwischen Schwarz und Weiß in Südafrika
11 Monate in einer anderen Welt, die mir jetzt sehr gut gefällt ;)
Zwischen schwarz und weiß in Südafrika
Ich schaue dich an. Du hast braune Haare, grüne Augen und ein freundliches Gesicht. Ich frage mich, was steckt in dir? Ich frage mich, was ist es wohl, was du willst? Im Leben und überhaupt? So viele Fragen, so viel zu sagen. Deshalb drehe ich mich weg, vom Spiegel. Raus aus der Toilettenkabine, zurück zu meinem Platz. Das Flugzeug schwankt ein bisschen, ein paar Turbulenzen. In meinem Magen sind auch welche, denn die Aufregung steigt.
Die erste Nacht, der erste Tag, die erste Woche. Alles wirft tausend Fragen auf. Fragen auf die ich keine Antwort habe und Blicke die auf mir ruhen. Mich anschauen, ansprechen, kennenlernen wollen. Ich leuchte und steche heraus. Ich wusste ich würde auffallen, aber so extrem habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich bin ja kein Filmstar. Doch genau so werde ich behandelt. Warum?
Jetzt: Ich habe Angst, ich fühle Stress. Die Luft ist heiß und drückt. Ich verstehe eure Sprache nicht. Ich bin alleine. Ich will weinen und alle anderen Menschen meiden. Ihr seht anders aus, es riecht anders, es schmeckt anders. Ich wollte doch die Fremde spüren? Mich selbst in diese Welt verführen? Atme, denke ich mir, bist nicht mehr klein, musst einfach geduldig sein, Erfahrung kommt nicht von allein.
Ich lebe zwischen schwarz und weiß. Ich gehe nach Hause von der Arbeit überall sind schwarze Menschen. Ich gehe nach Hause zu meiner Gastfamilie, schwarze Menschen. Ich gehe zur Arbeit da sind schwarze Menschen. Wir sind im Township. „Hey Mulungu! Hey Baby Girl what are you doing here? Why are you here?” Aber das ist doch ein freies Land, dachte ich. „White people don’t come here. They think it is dangerous.“ Ich verstehe das nicht. Ich fühle mich sicher hier. Alle sind nett zu mir. Ich fühle mich behütet, denn jeder kann mich sehen, hier kann ich nicht untergehen. Ich falle auf. Ich leuchte, denn ich bin weiß. Weißt du was das heißt? Ich weiß es nicht, aber langsam formt sich ein Gesicht. Ein weißes Gesicht.
Ich stehe an der Straße im Township. Ich halte meinen Finger nach oben, denn ich will in die Stadt. Ein Minibus hält an, ich steige ein. 1 Stunde Fahrt durch mehr Townships. Blog A, Blog B, Blog TT. Schöne Häuser, Wellblechhütten. Schöne Autos, kaputte Autos. Arme Menschen, reiche Menschen, alle schwarz. Wir sind im Township. Wir fahren an einem Vorort vorbei. Schöne große Häuser, schöne Autos. Weiße Menschen? Wir fahren weiter. Direkt hinter dem Vorort kommt eine Wellblechhüttensiedlung. Unterschiede wie Tag und Nacht. Unterschiede wie schwarz und weiß. Es sind doch nur Farben, warum haben sie so viel zu sagen? Warum gibt es arm und reich? Warum so viel was ich nicht weiß?
Zurück im Township. So langsam mein Zuhause. Ich gehe die Straße lang. Jeden Morgen, jeden Nachmittag, jeden Abend. Ich bin selten allein. Die Kinder kommen und umarmen mich. Was habe ich gemacht? Warum finden sie mich so toll? Ich bin weiß. Die Männer kommen und wollen meine Handynummer. Sie pfeifen. Sie wollen mein Freund sein. Jeden Morgen, jeden Nachmittag, jeden Abend. Warum finden sie mich so toll? Ich bin weiß. Wir gehen zu einer Beerdigung. Es sind 200 Leute da. Wir stehen im Getümmel. Ich schüttele Hände und noch mehr Hände. Alle wollen dich kennenlernen, sagt meine Gastmutter. Warum wollen sie das? Ich bin weiß. Das Taxi ist voll, der Fahrer hält trotzdem an. Jemand steigt aus, ich darf einsteigen. Aber es war doch voll? Warum darf ich den Platz haben? Ich bin weiß. Ich bin weiß. Alle sind nett. Warum seid ihr so nett? Empfindet so viel Respekt?
Alle sind nett. Alle sind interessiert. Ich merke, es gefällt mir. Manch einer kommt ganz nah. „I always wanted to date a white girl since I was a little kid. You are the first white girl I met” Aber es sind doch 10 % der Einwohner hier weiß? Warum willst du mich kennenlernen? Ich bin weiß. „You are from Germany? Really? It’s a rich country right?” Ja das ist es wirklich. Ja ich bin weiß und ich verstehe jetzt was das heißt. „I wish I could study and start my own buisness. I pray every day I never give up.” Warum beantragst du kein Baföq? Was für ein Quatsch, es gibt hier kein Baföq. Es ist nicht fair. Ich bin weiß. Ich bin deutsch. Ich bekomme vom Staat mehr Geld als du im Monat verdienst. Es ist nicht fair. Ich bin weiß. Ich komme aus Deutschland. Ich habe meine Augen nie aufgemacht und jetzt starre ich. In dein Gesicht und es ist schwarz und schön. „You are different than other white people. You are nice and not afraid of us.“ Es gibt keinen Grund Angst zu haben. Ich bin weiß. Du bist Schwarz. Ich bin groß. Du bist klein. Wir sind Menschen. Ich will euch kennenlernen. Die Fremde ist mir nicht mehr fremd.
Die Fremde ist mir nicht mehr fremd. Trotzdem lerne ich neues. Nicht nur über schwarz und weiß, nicht nur über die Kultur. Ich lerne meine Grenzen kennen. Andere Länder, andere Sitten und ich passe mich an. Ich wurde eingeladen als Gast in eine Familie, in ein System. Eine spontane, intensive Gastfreundschaft. Ich bewundere es sehr und versuche alles aufzusaugen. Doch lerne ich nach langer Zeit, mein Körper ist nicht nur bereit. Und wehrt er sich zu doll, dann findet er’s nicht toll. Deshalb sage ich Stopp, wenn ich Stopp sagen muss. Es fühlt sich gut an zu mir zu stehen, denn meine Grenzen kann mir keiner nehmen.
Die Zeit verstreicht, der Alltag ist da. Und dennoch sind in meinem Kopf Fragezeichen. Sie sind weiß und schwarz. Sie sind bunt und das gefällt mir. Alles war fremd und jetzt bin ich zu Hause. Für eine Weile will ich hier noch bleiben, will einfach verweilen. Ich will noch mehr sehen. Ich will noch mehr verstehen. Ich will nach Deutschland gehen und meine Augen öffnen. Ich weiß auch dort habe ich sie geschlossen. Ich weiß auch in Deutschland gibt es arm und reich, gibt es schwarz und weiß, gibt es Liebe und Hass. Doch es ist einfacher in nur eine Richtung zu schauen. Und es tut weniger weh. Aber jetzt lachen und tanzen wir. Kinderaugen strahlen und Kindermünder lachen. Ich spüre ein Kribbeln auf meiner Haut und in meinem Bauch. Ihr könnt tanzen und ich bin ungelenk. Weiß und Schwarz. Hand in Hand.