XX. WJT 2005 in Köln, Mittwoch: Köln im Ausnahmezustand
Marianne, unsere Youthreporterin vor Ort, berichtet vom längsten Tag der Welt für christliche Jugendliche. Mit täglichem Update für die restliche Jugend der Welt, die nicht selbst dabei sein kann, weil sie gerade andere Länder bereist, fremde Städte erkundet, oder sonst wie verhindert ist.
Eine Stadt im Ausnahmezustand. Köln scheint in ein buntes Fahnenmeer getaucht zu sein. Überall Fahnen, fremde Gesichter und eine Stimmung, wie sie nicht einmal das Oktoberfest bieten kann! Italien muss menschleer sein, die Mehrzahl der jungen Gäste des 20. Weltjugendtages kommt aus Italien. Allein aus Mailand kommen 8000, insgesamt rechnet man mit 80 000 WJT-begeisterten Italienern.
Eine spontane Okkupation einer Kölner Straße, unweit des Domes: Italienische und portugiesische Pilger begrüßen jedes Auto, jeden Fahrradfahrer, der des Weges kommt. Lautstark jubelnd und mit fröhlichem Geklatsche. Manch ein Autofahrer hupt zurück, ein Radfahrer winkt lachend. Um 22:00 Uhr scheint die italienische Stimmung immer noch auf ihrem Höhepunkt. Das „zweite Italien“ tritt ebenso lautstark und dominant in Erscheinung. Es scheint die Bayern-Invasion ausgebrochen zu sein. Wohin man sieht, bayerische Fahnen in Überlebensgröße, bayerische Freudengesänge „Wir sind Bayern, Lederhosen raus“ und „Mit Dir im Land der Bayern“. Die Stimmung ist auch bei ihnen bombastisch.
Der 24-jährige Andi aus München jedoch hat nicht nur Freudiges zu erzählen, wenn er auf seine Unterkunft zu sprechen kommt. „Wir sind zu neunt in einer Wohnung ohne Strom und Wasser untergebracht.“ Die Wohnung liegt im 50 Kilometer entfernten Ratingen. Seine Begleiterin meint ganz pragmatisch: „Wir duschen halt kalt“.
Die Dirndl- und Lederhosentragenden Pilger standen anderthalb Stunden für ihr Essen bei Köln Messe an. Da befinden sie sich in der gleichen Situation wie die Mehrzahl, der es nicht anders erging. Viele, viel zu viele, mussten lange Wartezeiten für ihre Lunchpakete in Kauf nehmen.
Man muss gar nicht das ganze Programm des WJT in Augenschein nehmen, es reicht schon, sich nur um den Dom beim Hauptbahnhof aufzuhalten. Dort ist bis weit nach 24:00 Uhr etwas geboten. Etwas, was weder prognostiziert noch diktiert werden kann: Eine unglaubliche Freude, eine Spontaneität, die Funken schlägt. Zum Fremden, den man nur als Nächsten sieht. Denn herzliche Tänze und Gesänge entstehen spontan mit jedem, der gerade in der Nähe weilt. Und da geht es eben nicht um Hautfarbe, Religion oder Politik. Jeder verbindet sich mit der unglaublichen Fröhlichkeit, die überall herrscht. Und wenn dann eine palästinensische Fahne einem ins Gesicht weht, so ist das nur aufregend schön!
Nur zu gern lasse ich mich vom Strom dieser ungezwungenen Lebendigkeit anstecken, einfach in den Tag hinein zu leben. Meine geplanten Programmpunkte rücken in den Hintergrund. Einfach ankommen, mitleben, erleben, um was es geht. Und wie es geht. Wie es gehen kann...
Nachts ist der Trubel immer noch nicht abgebrochen. Eine Beobachtung an der Haltestelle Heumarkt – dort, wo es immer sehr hektisch zugeht: Laut grölend kommen die Italiener aus der Straßenbahn. Jetzt, um 22.30 Uhr, zeigen sie immer noch keine Spur von Müdigkeit. Die Linie 1 fährt in den Kölner Osten nach Benzberg, die Straßenbahn ist stockend voll. Das Servicepersonal wirkt gefasst, trotz der offensichtlichen Menschenmenge. Christian Hlibocian vom Kölner Verkehrsverbund (KVB) meint achselzuckend: „Nach Plan läuft gar nichts. Das heißt, es ist Ausnahmezustand.“
Der Hauptverkehrsknotenpunkt Neumarkt ist nicht weit. Dort sieht es etwas anders aus. Vorgestern standen hier schon mal Autofahrer viereinhalb Stunden im Stau, als sich die Massen ins Stadium zum Eröffnungsgottesdienst bewegten. „Oh, ein Wunder“, schreit ein Passant, als endlich seine gewünschte Bahn kommt. Unten im U-Bahnhof ist es restlos überfüllt. Mittlerweile ist es 23:00 Uhr. Simon aus Coesfeld aus dem Münsterland erzählt von chaotischen Zuständen, während die Straßenbahn langsam anfährt. „Die Linie 1 stand gestern eine halbe Stunde still. Wir sind dann einfach gelaufen.“ Wie es Pilger eben tun.
Um 23:30 Uhr ist urplötzlich der Hauptbahnhof verschlossen. 15 Einsatzwagen der Berufsfeuerwehr sind ausgerückt, es gibt Verletzte, aber keine weitere Information.
Selbst gegen 24:00 Uhr ist die WJT-Welt noch nicht müde. Der neue Tag wird wieder bunt. Bellisimo sowieso!