Obdachlos in Finnland- garantiertes Recht auf ein Zuhause?
Dieser Beitrag befasst sich mit der Realität der Armut, Obdachlosigkeit und Drogenabhängigkeit in Finnland, und wie das "Housing First"- Modell diese Zustände erfolgreich bekämpft.
,,Es gibt Obdachlose in Finnland?" - Viel zu oft lautet so die Reaktion, wenn ich von meinem Projekt in Helsinki erzähle. Hier begegnen mir täglich bis zu 120 Betroffene- Obdachlose, Alkoholiker, Drogenabhängige- und das jeden Tag erneut. Doch diese Realität scheint vor allem außerhalb von Finnland nicht präsent zu sein, denn immer wieder stoße ich auf eine verzerrte, fast sogar eine verschönerte Wahrnehmung der Armut in dem nordischen Land. Natürlich hat diese Wahrnehmung auch konkrete Gründe: Finnland liegt auf Platz 11 in der weltweiten Rangliste des Human Development Index (HDI), welcher sich aus Faktoren wie Bildung, Gesundheit, Armut, Sicherheit und Nachhaltigkeit zusammensetzt. Somit weist Finland einen stabilen und aussichtsreichen Zustand vor, der durchaus dazu beiträgt, dass das Land in vielen Hinsichten als Vorbild dient.
Trotzdem habe ich durch die Zeit in meinem Projekt Einsichten in die Leben vieler erhalten, die leider nicht auf die positiven Seiten dieser Statistik fallen. In der Metropolregion Helsinki sind tausende Menschen obdachlos, hier halten sich ca. 60% aller finnischen Obdachlosen auf. Somit gewöhne ich mich an einen Arbeitsalltag, in welchem ich Menschen unter Obdachlosigkeit, Armut, Drogen- und Alkoholeinfluss, psychischen Problemen und Einsamkeit leiden sehe. Besonders der Winter, wo Temperaturen von -14° Celsius nicht ungewöhnlich sind, trägt zu dieser besonders harten Lebenssituation bei, die in einigen Fällen tödlich enden kann.
Diese schwerwiegenden Probleme werden aber seit einigen Jahren in Finland effektiv bekämpft, mit einem Konzept, dass nun in zahlreichen weiteren Ländern als Vorbild betrachtet wird: das "Housing First" - Modell vertritt die Idee, das ein sicheres Zuhause zu den Grundrechten eines Menschen gehört, unabhängig von seiner finanziellen Situation oder seinen Suchtproblemen. Somit muss nun ein Odachloser, der Alkohol- oder Drogenabhängig ist, nicht mehr vorweisen, von diesen Zuständen frei zu sein, bevor er eine Sozialwohnung beantragen kann. Daher auch "Housing First" - zuerst wird ein stabiles Wohnen gesichert, um anschließend eine Sucht und weitere Probleme zu bekämpfen.
Unter diesem Konzept hat die Obdachlosigkeit in Finnland stetig abgenommen, von fast 20 000 obdachlosen Personen in den 1980ern auf nur 4 341 finnische Obdachlose am Ende von 2020. Mit weiteren Bemühungen und Stärkungen des "Housing First" -Konzeptes besteht die Hoffnung, die Odachlosigkeit in dem nordischen Land fast komplett zu eliminieren und jedem das Recht auf ein sicheres und warmes Zuhause zu gewähren. Mit diesem Gedanken arbeite ich nun in den letzten Monaten meines Projektes in Helsinki und hoffe, dass jeder, dem ich in den Arbeitsstellen begegne, in der nahen Zukunft von diesem innovativen Konzept profitieren kann.
Quellen:
https://hdr.undp.org/en/countries/profiles/FIN
https://ysaatio.fi/en/housing-first-finland
https://www.wetter-atlas.de/klima/europa/finnland.php#Finnland_Wetter