Monatsbericht 6 (Februar)
Finnland, Schweden und Litauen, Bett, Matratze und Boden…
Finnland, Schweden und Litauen, Bett, Matratze und Boden…
so abwechslungsreich sahen meine letzten sechs Wochen aus, nachdem ich die Weihnachtstage in Deutschland verbracht habe. Passend zu den variierenden Schlafplätzen erlebte ich auch Gefühls- und Stimmungsschwankungen. Von fröhlich und begeistert bis traurig und bedrückend war alles dabei. Ich könnte eine ganze Zeitung mit Eindrücken drucken lassen, so dass ich mich jetzt schwer tue einen Anfang zu finden.
Ganz nach einem Spruch von Vincent van Gogh in dem es hieß „Wie wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren.“, machte ich mich also auf drei sehr unterschiedliche Länder zu bereisen.
Helsinki (Hauptstadt von Finnland), 26.12. bis 03.01.: Enttäuschenderweise keinen Schnee und um die 4 bis 6°C. Gefolgt bin ich einer Einladung unseres früheren Aupairmädchens, in deren Haus ich auch untergekommen bin. Das was uns in der beliebten, sowie gefürchteten PISA-Studie über Finnland immer vorgeschwärmt wird, kann ich nur bestätigen. Die Jugendlichen sprechen neben Englisch meist noch eins bis zwei andere Fremdsprachen fließend. Stolz und das zu Recht, wie ich finde, wurde mir ihre schöne Stadt gezeigt.
Sie besitzt ein gewisses Flair von Hamburg mit dem vielen Wasser. Nicht nur wegen der immer reizenden Begleitung von zwei hübschen Finninnen, sondern auch aufgrund der Gastfreundlichkeit und der Lebensfreude, die mir die Finnen vermittelten, habe ich die Woche sehr genossen. Zurück in Wales, saß ich am Küchentisch und ließ die Woche mit zwei eher weinenden Augen Revue passieren. Zu gerne hätte ich mich wieder in den nächsten Flieger nach Finnland gesetzt, anstatt im tristen Wales meiner Arbeit nach zu gehen.
Stockholm (Hauptstadt von Schweden), 18.01. bis 21.01.: 0 bis -5°C und die letzten Tage sogar zehn Zentimeter Neuschnee. Übernachtet habe ich mit meinem Buddy (umg. Kumpel) Elle in der Cabin von Flicky (Cabins werden die Blockhütten der Studenten genannt.). Flicky ist die Schwester eines anderen deutschen Volunteers und legt in Schweden ein Auslandssemester ein.
Auf dem von Deutschen und Franzosen bestimmten, internationalen Campus haben sich alle der liebenswerten und hilfsbereiten Art der Schweden angepasst. Auf der Suche nach einem in Stockholm recht seltenen Restaurant, kamen Elle und ich auf die eigentlich recht blöde Idee, eine Mitarbeiterin in einem Kleidungsgeschäft zu fragen. Zu unserem Verblüffen aber wurde die Arbeit liegen gelassen, zwei andere Mitarbeiterinnen herbei gerufen, das Internet eingeschaltet, um sich gemeinsam auf die Suche zu machen.
Das Resultat wurde uns, die immer noch alles fassungslos und skeptisch beäugten, in die Hand gedrückt. Eine Skizze mit Adresse, Entfernung und Wegbeschreibung. Einfach großartig. Auf Nachfrage hätten sie uns sicher auch an der Hand hingeführt. Am Ende konnte ich Schweden mit einem weinendem und einem lachenden Auge verlassen. Zu gerne hätte ich meinen Buddy in meinen Koffer gesteckt und nach Wales importiert. Das lachende Auge weiß jedoch, dass ich nicht das letzte Mal in dem mir so heimischen gewordenen Land war.
Wilna (Hauptstadt von Litauen), 01.02 bis 06.02.: Meine bisher verrückteste und zugleich erfahrungsreichste Reise. Viel Schnee und dauerhafte -6°C, die sich mir aber wie bitterkalte -15°C äußerten. Wahrscheinlich lag es an meiner eher frühlingshaften Kleidung aus Wales. Doch schon jetzt hatte ich beschlossen, auf einen russischen Winter künftig verzichten zu wollen. Drei meiner fünf Tage übernachtete ich bei Natalie, die ich auf dem Rückweg von Helsinki auf dem Airport Stansted kennengelernt habe. Die restlichen zwei Tage verbrachte ich mit einem Ukrainer, wobei sich die Verständigung als schwierig gestaltete, da wir keine gemeinsame Sprache hatten. So sülzte ich ihn in Deutsch und Englisch voll und er antwortete mir auf Russisch und Ukrainisch. Ob wir je über dasselbe sprachen… ich weiß es nicht.
Leider ist Litauen immer noch ein eher armes EU-Land und das spiegelte sich in den Menschen deutlich wieder. Sie sind sehr unfreundlich, kalt und denken nur an sich. Da mir dieser Umgang untereinander gar nicht gefiel- ich war ja auch was anderes von den peniblen, überfreundlichen Briten gewöhnt- zog sich meine Woche endlos in die Länge. Am Ende fieberte ich meiner Heimreise zurück nach Wales sogar entgegen und strahlte übers ganze Gesicht als ich endlich im Bus nach Hause saß.
Wer jetzt denkt, ich habe zu viel Geld, der irrt sich leider. Um möglichst günstig zu reisen fliege ich nur in Länder, in denen ich jemanden kenne, bei dem ich auch unterkommen kann. So spare ich teure Übernachtungskosten und habe zugleich den besten Stadtführer: einen Einheimischen. Um nicht nur das Meiste aus meinem Auslandsjahr heraus zu holen, sondern auch aus den Kurzurlauben, erschien es mir am sinnvollsten, Leute in meinem Alter zu besuchen. Das hat zum Vorteil, dass ich auf weitgehend ähnliche Interessen stieß und den Alltag aus ihrer Sicht miterlebte und so besser mit meinem vergleichen kann.
Aber zurück zu meinen Sparmethoden, denn ganz so einfach ist es nicht. Ich muss außerdem viel Zeit zum Reisen aufbringen. Der günstigste Weg ist doch immer noch der gute, alte Reisebus mit wenig Beinfreiheit und einer nie funktionierenden Temperaturregelung. Um dann noch die Billigflieger nutzen zu können (Einchecken ist um fünf Uhr morgens) musste ich schon insgesamt vier Nächte auf dem Flughafen Stansted übernachten.
Aber wartet…ich, Stansted Airport, übernachten, da war doch etwas…richtig.
Seit Weihnachten habe ich mich daran gewöhnt und sogar schon überlegt, ein Bett anzufordern. Ich könnte es ja in der ungenutzten Zeit vermieten.
Zuallerletzt hatten meine bisherigen Ferien noch einen weiteren positiven Beigeschmack: In den letzten sechs Wochen haben sich meine Ansichten von einem „tristen“ zu einem „freundlichen Wales“ gewandelt. Sogar das Leben hier habe ich auf seine ganz eigene Art und Weise zu schätzen gelernt. Na, wenn das nicht eine gelungene Lehrstunde zu Beginn des neuen Jahres war. Und der nächste Flug ist auch schon fast gebucht, aber dazu mehr im März.