Litauen wählt, wen wählt Litauen?
Ein Vorbericht zu den anstehenden Wahlen in Litauen.
Die Wahlen in Litauen stehen vor der Tür: Am Sonntag, den 14. Oktober und zwei Wochen später wählen die Litauer den Präsidenten und das Parlament (lt. Seimas). Das ist eine Besonderheit Litauens, denn es gibt zwei Wahlgänge – im ersten Wahlgang werden die Parteien gewählt, an alle Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, werden 70 Sitze im Parlament proportional verteilt. Die restlichen 71 Sitze werden dann im zweiten Wahlgang als Direktmandate vergeben. Zeitgleich zur Wahl wird auch ein Referendum bezüglich des Baus eines neuen Atomkraftwerks abgehalten.
Aber was kann man von diesen Wahlen erwarten? Wen wählen die Litauer dieses Mal? Nachdem sich in der letzten Wahl im Jahr 2008 die Mehrheit der Litauer für eine zentral-rechte Regierung entschied, eine Regierung, die 2009 ein Gesetz, das so genannte „Moralgesetz“, verabschiedet hat, das die Diskriminierung von Homosexuellen fördert, ist die Frage, welche Parteien zur Zeit in den Umfragen in Front liegen, sehr interessant.
Laut aktuellen Meinungsumfragen zeichnet sich wohl ein Machtwechsel ab. Der in seinem eigenen Land aufgrund seiner strikten Sparpolitik umstrittene, konservative Präsident Andrius Kubilius, wird wahrscheinlich nicht im Amt bleiben dürfen. Stattdessen liegen die oppositionellen Sozialdemokraten oder die Arbeiterpartei in den Umfragen vor der Partei des aktuellen Regierungschefs.
Kubilius' Sparpolitik stieß im Ausland auf viel Lob – er verordnete die Erhöhung von Steuern und massive Ausgabekürzungen – doch Litauen stürzte in eine tiefe Rezession. In einem Land, in dem der Mindestlohn 800 Litas, knapp 230 Euro, beträgt, ist eine solche Rezession fatal, denn viele Litauer müssen von eben diesem Mindestlohn überleben.
Mittlerweile hat sich Litauens Wirtschaft wieder erholt, doch die beiden großen Probleme der vielen Auswanderer und der hohen Arbeitslosenquote blieben bestehen. Diese Probleme waren auch Wahlkampfthema, ebenso wie das Verhältnis zu Russland. Das zentrale Wahlkampfthema der diesjährigen Wahlen war allerdings die Errichtung eines neuen Atomkraftwerks in Visaginas. Dazu werden die Wahlberechtigten auch in einer rechtlich nicht bindenden Volksabstimmung befragt.
Die alleinige Mehrheit wird in diesem Jahr wohl keine der 34 zur Wahl stehenden Parteien erreichen, eine Regierungskoalition gilt als sicher. Die drei Parteien, die in den Umfragen am stärksten abgeschnitten haben, die Sozialdemokraten, die Arbeiterpartei und die rechts orientierten Liberaldemokraten, haben bereits die Verhandlungen über eine mögliche Koalition aufgenommen. Die endgültige Entscheidung wird allerdings erst nach den Wahlen getroffen.
Da der Vaterlandsbund, die Partei des aktuellen Regierungschefs, weit abgeschlagen auf dem vierten Rang liegt, wird es in Litauen auf jeden Fall einen Wandel geben. Was dieser Wandel mit sich bringt, wird sich erst in Zukunft zeigen.