À la revoyure
Ach Frankreich, das war schön mit Dir.
Wie auch schon so manch anderer Beitrag auf Youthreporter, schreibe ich meinen Rückreise-Bericht im Zug, zur Zeit irgendwo zwischen Paris und Brüssel. Irgendwie habe ich es geschafft, meine sieben Sachen (und es sind hier wortwörtlich sieben Taschen/Koffer/Rucksäcke) vom Gare Montparnasse in die Metro und von der Metro in den Gare du Nord zu hieven. Die Erfahrung reicht auch, um beim nächsten Mal definitiv zwei Taschen weniger mitzuschleppen. Es ist ja nicht so, dass man direkt vom Zug in die Metro springt. Zwischen einchecken in die Metrostation und dem Metrogleis selbst können in Paris gerne mal der ein oder andere halbe Kilometer liegen, plus Treppen. Naja, ich will mich nicht beklagen, immerhin habe ich das ganze Zeug angesammelt.
Da sitze ich nun und versuche zu realisieren, dass ich gleich meine Füße von französischem Boden nehme. Ich verlasse Frankreich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich kann das Jahr nicht in Worte fassen, aber all die Erlebnisse bleiben gut verwahrt in meinen Erinnerungen.
Die letzten Tage waren nochmal richtig intensiv.
Zum Ende unseres Freiwilligendienstes sind wir mit unserem Tutor Benjamin und zwei Freunden für zwei Tage ans Meer gefahren, um am Strand die Rückschlüsse aus dem Jahr zu ziehen. Zitronen zeichnen und mit verschiedenen Bereichen der zwölf Monate beschriften, Pizza im Sand sitzend essen und Traktoren im Hintergrund, die unsere Gehirne einfach nicht in den Strand einordnen konnten. Wir alle haben die gemeinsame Zeit genossen und zu dritt, Benjamin, Clara und ich, sind wir hinterher weiter zu einem Festival gefahren. Wieder Camping, riesige Portionen Pommes Frites und viele Musikgruppen von nah und fern. Wir haben getanzt, gegessen, Background-Tänzer beurteilt und die verschiedenen Stadien des Konsums diverser legaler und seien wir ehrlich, auch illegaler Substanzen, bei unseren Zeltnachbarn beobachtet. Der Name des Festivals „La Revoyure“ passte und passt immer noch. „Bis die Tage“ oder „Man sieht sich“ lautet die Übersetzung.
Seit Nela und ich vor einer Woche offiziell unseren Posten verlassen haben, ist das Wetter schlagartig sommerlich warm, wenn nicht sogar heiß geworden. Da fragt man sich, was sich das Wetter denn dabei dachte…
Benjamin hat kurzerhand sein Auto in einen Shuttle-Bus umgewandelt und ist tapfer einmal zum Pariser Flughafen und gestern zum Bahnhof in Paris gefahren um je eine neue Freiwillige abzuholen. Benjamin, wenn Du das liest, dann vergiss nicht: nächstes Mal den Zug nehmen! Eigentlich sonst nicht vorgesehen, konnten wir dieses Jahr die neue Generation an Freiwilligen zumindest einige Tage kennenlernen, ein paar Wohnungstipps weitergeben, Erfahrungen im Freiwilligenleben austauschen und die Bar in L‘Aigle vorstellen.
Ohne es eine Abschiedsparty zu nennen, hatten wir dann doch irgendwie eine. Mitten auf dem Lande am See; Musik, Lichterketten, Bierpong mit Weinkorken und einem Anfängerkurs in Pogo. Ein bunter Haufen an Menschen, die wir dieses Jahr oder auch erst ein paar Tage zuvor kennengelernt haben. Hinterher haben wir auf der Wiese unsere Zelte aufgeschlagen und am nächsten Morgen ein Sonnenfrühstück genossen. Unser kleines Festival, wie wir es nennen, geht nächsten Sommer hoffentlich in die nächste Runde.
Am darauf folgenden Samstag sind wir doch tatsächlich noch ein letztes Mal unserer Pflicht als Freiwillige nachgekommen und haben das MJC im Forum des Associations, einem Tag, wo sich alle Vereine und Einrichtungen der Stadt vorstellen, vertreten und Tassen bedruckt. Das alles nur kurz unterbrochen von der Hochzeit zweier Freunde von Benjamin in der Stadtkirche, die wir natürlich nicht verpassen durften. Eine französische katholische Hochzeit kann ich nun also auch auf meine Erlebnis-Liste schreiben :) Am gleichen Abend fuhren wir in den Nachbarort zu einem Konzert und hinterher zu einem Abschiedsdrink in die Bar. Während der Sonntagvormittag von eher minder motiviertem Kofferpacken geprägt war, verbrachte ich den Nachmittag bei Nela, der anderen (ja nun ehemaligen) Freiwilligen auf dem Land. Auch wenn die 50 minütige Fahrradstrecke nicht immer angenehm ist, kann man sie bei schönem Wetter eigentlich nur genießen. Das Licht fällt so toll auf die Felder rechts und links, man spürt den frischen Wind im Gesicht und wenn man dann auch noch auf Anhieb den richtigen Weg findet, ist es ein Highlight des Tages. Fragt mich nicht wie, aber ich lande auf dem Rückweg jedes Mal in St Evroult, einem Dorf, das zwar auch auf der Strecke liegen könnte, aber nur, wenn man Lust auf einen ordentlichen Umweg hat. Ich weiß nicht, wie ich es schaffe, immer wieder so sehr aufzupassen und trotzdem anscheinend innerlich zu schlafen, um die Kreuzung zu übersehen, an der ich eben nicht geradeaus fahren soll. Beim letzten Mal sind mir die vielen Bäume am Straßenrand dann doch noch rechtzeitig verdächtig vorgekommen, weil ich planmäßig eigentlich nur an Feldern vorbeifahren würde. Es war trotzdem immer lustig, wenn ich in der Ferne mal wieder den See von St Evroult sah, kopfschüttelnd anhielt, ein Beweisfoto für Nela schoss und mich fragte, wie es denn wieder passieren konnte. Außer man hat in einer halben Stunde einen Termin bei der Bank, dann wird es stressig und man muss ordentlich in die Pedale treten...(Spoiler: Ich hab‘s oh wunder oh wunder doch irgendwie rechtzeitig geschafft).
Unsere Fotowand im Apartment ist vollständig. Einige der schönsten Erlebnisse, auf Fotos festgehalten. Jetzt überlassen wir also den neuen Freiwilligen das Feld. Für die beginnt das Abenteuer gerade erst. Zwölf Monate Frankreich, irgendwie lang und kurz zugleich. Ich bin froh, dass ich in vier Wochen das Uni-Kapitel aufschlage. So bin ich hoffentlich zu beschäftigt, um Frankreich viel zu vermissen. Die Sprache, meine Freunde und die spontanen gemeinsamen Abende fehlen mir jetzt schon.
Ich komm wieder, das ist sicher.
À la revoyure, mes amis.
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