Eine Zeit, Steine zu verlegen
Sie passen gut zu den Städtebildern, sind aber auffällig genug, um über sie zu stolpern. Aber, natürlich, nur symbolisch. „Stolpersteine“ sind ein Kunstprojekt des deutschen Künstlers Gunter Demnig. Das Projekt widmet sich dem Erinnern an die Opfer der NS-Zeit. Man nennt ihn das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Und es ist absolut legitim – mittlerweile gibt es über 56.000 Steine in mehreren Ländern Europas.
Es war ein sonniger Oktobertag in Köln – der Stadt, wo Gunter Demnig im Jahr 1995 sein Projekt begonnen hat. Diesmal verlegte der Künstler den Stein für Peter Max Blank. Es war tatsächlich eine erneute Verlegung - weil auf dem vorherigen Stein das Geburtsdatum nicht richtig war und es auch nicht erwähnt wurde, dass Peter M. Blank Auschwitz überlebt hatte. Der Mann wohnte hier, im Haus auf der Lohrbergstraße 27. Geboren wurde er im Jahr 1920.1936 floh er mit Verwandten nach Belgien, wurde 1942 von dort nach Frankreich und weiter nach Auschwitz deportiert. Er wurde als Zwangsarbeiter in einem KZ in Warschau eingesetzt und musste am sogenannten Todesmarsch teilnehmen. Es gelang ihm zu fliehen. Peter Max Blank starb 2006 in Mettmann in der Nähe von Köln.
Die Verlegung, bei der ich auch dabei gewesen war, lief sehr schnell und hat circa 15 Minuten gedauert. Zuerst haben Mitarbeiter des Straßenbauamtes den alten Stein rausgeholt, dann die Basis vorbereitet und endlich den neuen Stein mit den neuen Schriften verlegt. Zum Abschluss hat Gunter Demnig die drei Stolpersteine – auch die Steine von Dr.Walter Blank und Hans Walter Blank - mit einer speziellen Lösung abgeputzt, damit sie glänzend wurden.
Gunter Demnig macht Verlegungen fast jeden Tag. Auf der Seite des Künstlers ist sein Arbeitsplan der Verlegungen für mehrere Monate im Voraus zu sehen. Die ersten Probeverlegungen hat der Künstler in Köln gemacht. Um das Projekt auf einer breiten Ebene zu realisieren, brauchte er aber eine Genehmigung von der Stadtverwaltung. Es gab mehrere Schwierigkeiten auf diesem Weg und erst im Jahr 2000 konnte die Arbeit endlich beginnen. Außer in Deutschland erschienen die Stolpersteine in Österreich, den Niederlanden, Ungarn, Polen, Ukraine, Griechenland, Spanien, Italien, Norwegen und vielen anderen Ländern Europas. Überall in Europa findet Demnig Menschen, die eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins übernehmen wollen. Heutzutage kostet es 120 Euro.
Wie es der Künstler aus seiner Erfahrung erzählt - je mehr Steine verlegt sind, desto mehr Anfragen erreichen ihn. Leider gibt es ab und zu auch die Fälle von Vandalismus.
„Für mich ist Grenzen ausloten, Grenzen überschreiten, immer wieder ein zentraler Aspekt“, - meinte der Künstler in einem seiner Interviews und setzt deswegen seine Arbeit weiter fort.Das Ziel bleibt immer das gleiche - damit nichts, was geschieht, folgenlos bleibt.
Die Verlegung des Steines am Oktobertag auf Lohrbergstr.27 ist für die heutigen Bewohner des Hauses unter dieser Adresse auf keinen Fall folgenlos geblieben. Der ältere Mann und seine Tochter waren an der Geschichte von Peter M. Blank sehr interessiert. Sie haben sich über die Gelegenheit, mehr darüber zu erfahren, gefreut. Solches Feed-back gilt für den Künstler als Bestätigung und Ermutigung für seine Arbeit.