Wie Russen feiern
Hanna hat wieder einige ereignisreiche Tage hinter sich. Zum Glück findet sie sich in der Disziplin des russischen Kampftrinkens immer besser ein. Inzwischen sind ihr auch einige Kniffe bekannt geworden, einigermaßen gesund aus solchen Gelagen heraus zu kommen.
Ich mal wieder. Hab mal wieder einiges erlebt. Also, ich glaub, das letzte Mal waren wir irgendwo beim Fitness Center angekommen und nachmittäglichen Trinkübungen. Also kommen wir jetzt zu Freitag.
Freitag hab ich mich noch mal mit meiner Freundin getroffen, da sie eine ganz Liebe ist und mir einen Pullover geflickt hat, der eigentlich neu war. Also ich bin zu ihr hin und hab für sie gekocht, wovon ihr vielleicht auch mal ein paar Bilder sehen werdet. Da wir beide guter Stimmung waren, haben wir uns so nebenbei ein paar Bier erlaubt. Aber ich musste noch mal nach Haus, da ich an dem Abend noch eine Verabredung hatte. Dann war ich wieder bei ihr und da waren wir net mehr zu zweit, nein es wurden immer mehr. Wobei die Frauen natürlich die Oberhand hatten. Dieses Treffen fungierte als kleines Abschiedsessen, denn ich hab Euch ja schon gesagt, sie geht nach Old Germany (Gott, wie gern würde ich tauschen). Nu war aber Bier passé, und da man meine Meinung über Wodka kannte, erlaubte man mir, ihn zu verdünnen.
Als dann der Anruf kam, musste ich meine Schnecken satteln, und erstmal auf Wiedersehen sagen. Gott, das war schwer, und ich war angeschickert, da wird es ja noch schwerer. Aber an diesem Abend war mir das Glück hold: ich musste nicht mit dem Bus fahren, juhu. Nein, einer von Innas Freunden hat mich in den anderen Stadtteil gefahren, wo ich dann meine Bekannten aus meiner ersten Diskonacht wieder traf. Und glaubt mir, wir hatten eine Menge Spaß.
Das nennt sich Hausparty. Die Anzahl der Gäste wird möglichst klein gehalten. Die Mägen werden mit Pelmenie (einer Art russischer Tortellini) präpariert und man trinkt nur eine Sorte Alkohol. Nein - dieses Mal war es nicht der allseits bekannte und beliebte Wodka, sondern Schnaps. Last Euch sagen, auch er ist stark genug, eine Kuh umzuhauen. Dazu gibt es dann eine Wasserpfeife. Also mir hat der Abend eindeutig zu gut gefallen.
So wie Ihr Euch erinnern mögt, habe ich geschrieben, dass ich dieses Wochenende im Wald verbringen wollte. Dem war nicht so, wir sind nicht Zelten gegangen. Und glaubt nicht, dass mir das Leid tut. Nein, wir sind in irgendein Dorf weit weg von jeglicher Zivilisation – und natürlich ohne Handyempfang :( – gefahren. Zuerst sollte ich Euch vielleicht erklären, wer "wir" sind. Das sind meine Mentorin Agnija (bei der ich wohn) und noch acht weitere Personen. Und ich muss Euch leider gestehen, ich habe ein Problem hier mit Namen, ich kann sie mir nicht merken. Ein paar schon, aber bitte verlangt nicht, dass ich sie aufschreibe. Jedenfalls haben wir uns morgens um 12.30 Uhr am Busbahnhof getroffen. Vielleicht könnt ihr Euch vorstellen, wie ich mich nach dem Tag zuvor gefühlt habe? Genau, ich wollte nur in mein warmes Bett und schlafen! Aber das war nicht, auch nicht im kalten Bus, denn da wurde zu meinem Leidwesen schon wieder Bier hervorgeholt. Und da ich Gast war, gebührte mir auch der erste Schluck, und ich wurde haarscharf beobachtet, ob ich den auch nehme.
Irgendwie ist man hier der festen Meinung, gegen Unwohlsein nach Alkohol hilft nur Alkohol. Na ja, fast hätte es mit dem warmen Bett auch geklappt, denn wie das so ist, der mit den Tickets kommt natürlich zu spät. Aber nicht spät genug. Also haben wir eine 3,45-stündige Fahrt hinter uns gebracht, wobei es mir wirklich nicht gut ging, denn es machten immer wieder Bierflaschen die Runde, und später griff man zu dem altbekannten Wodka. Und auch ich musste mitmachen. Irgendwann sind wir dann doch angekommen und ich war ja so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Nein es lang nicht am Alkohol!!!
Ich stieg aus, sah den Himmel, die Sonne, den Schnee, und ein paar kleine Berge. Einfach herrlich, wenn man in einer Großstadt gefangen ist und es einfach nicht mehr hat. Da weiß man, was es einem bedeutet.
Jedenfalls war ich platt. Dafür hat sich alles gelohnt. So, wir waren in einem kleinen Haus untergebracht, wie man es sich in Russland vorstellt: ohne fließend Wasser und über die Toilette sprechen wir erst gar nicht. Aber, hey, es gab Strom. Das Problem, das wirkliche Problem bestand eigentlich nur darin, das es drinnen genau so kalt war wie draußen. Aber gegen Abend wurde es dann schon etwas besser und dann war es eigentlich wie im Backofen. Aber ich war garantiert die Letzte, die sich darüber beschwert hat.
Nach unserer Ankunft haben wir erst mal schön Essen gemacht, dat war lecker. Und dann stand auch alles andere im Hintergrund. Da es immer später und später wurde und somit auch dunkel, haben Agnija und ich erst mal einen schönen langen Spaziergang gemacht und endlich mal wieder die Sterne bewundern können. Eigentlich wollten wir ja den Schnee ausnutzen und ein bissel rodeln, allerdings hat das nicht so gut funktioniert. Also haben wir uns einfach in den Schnee gelegt und alles Vergessen, was uns Sorgen bereitet hat.
Als wir zurückkamen, hatten sich die anderen schon um das Schaschlik gekümmert. Eigentlich wollte ich ja wie meine Schwester Nudelsalat machen, aber das dauerte zulange. So hab ich einfach improvisiert und was ohne Nudeln gezaubert. Der böse Hacken daran war allerdings, dass da saure Gurken dran waren. Und jemand, der schon ein bissel mehr intus hat, verträgt das nicht. Das Beispiel dafür wäre meine Mentorin: um 9.00 Uhr war mit ihr nichts mehr anzufangen.
Der Grund, warum wir überhaupt dahin sind, waren die Geburtstage von vier Leutchen. Und natürlich musste man auf jeden mindestens zweimal mit Wodka anstoßen, ich hab am Ende nur noch geschummelt und bin somit nüchtern geblieben (wenn man vom Rest des letzten Abends absah, ebenso wie von der Busfahrt). Aber wir hatten nicht nur meine Mentorin als Schnapsleiche zu beklagen; irgendwie waren von den elf Leuten am Ende nur noch drei nüchtern.
Es wurde auch getanzt. Ja, hier tanzen sogar die Jungen freiwillig! Und als dann das Wichtigste versorgt war, wurden auch sehr tiefsinnige Gespräche geführt über Häuserbau und wo man am besten Heilligenbilder im Haus aufstellt (die Antwort auf Letzteres weiß ich immer noch net). Jedenfalls war die Party um 1.00 Uhr zu Ende.
Und um 9.30 Uhr war Aufstehen angesagt, da Agnija und ich zurück in die Großstadt wollten. Nein, nicht wegen der wunderbaren Aussicht, sondern weil wir dem Alkohol entfliehen wollten. Denn diese Party ging noch bis Montag. Jedenfalls, nach dem Aufstehen und Frühstücken und allem haben wir uns zu sechst auf den Weg gemacht. Es war doch schon kurz vor 11.00 Uhr und wir hatten zwei Stunden, um unser Ziel zu erreichen. Denn wir haben nicht den normalen Weg genommen, nein wir sind über einen dieser Berge und haben die Aussicht genossen. Von dort aus ging es dann zu einem Dorf. Wo sich die Hauptstrasse ewig hin zog. Aber es war einfach geil, mal wieder in der Natur zu sein und zu wandern. Ma und Pa und Karo kriegt keinen Schock, war wirklich so. Der Aufstieg war wie bei der Sieben-Seen-Wanderung, nur nicht so lang.
Irgendwann saßen wir jedenfalls wieder im Bus und waren einfach nur glücklich, nach Hause zu kommen, eine Dusche zu nehmen und auf die Eisbahn zugehen. Wobei sich das bei mir erledigt hat, denn ich hab einfach zu große Füße, daher hatten sie leider keine Schuhe mehr für mich. Aber auch nicht so schlimm, da bin ich nach Hause in mein Bett zu meinem Buch.
Montag hab ich gefaulenzt hoch zehn und bin erst abends richtig aktiv geworden mit einem Besuch im Fitnesscenter. Und dann kam – wie immer – einer von diesen unerwarteten Anrufen. Ina, Ihr erinnert Euch an Freitag, war doch noch nicht gefahren. Und so bin ich auf einen Sprung noch bei ihr vorbei, was wieder bis spät irgendwann dauerte. Und irgendwann bin ich kaputt doch noch ins Bett gefallen.
Der Dienstag war mal wieder der Hit, denn ich stellte mich der scheinbar unlösbaren Aufgabe, ein Fotogeschäft zu finden, das auch meine Filme akzeptiert. Und nach dem ich x und 3000mal abgeblitzt bin, fand ich dann doch noch eins, das mit mir Erbarmen hatte :). Morgen werd ich erfahren, was sie damit gemacht haben.
Aber ich glaub, das Beste dieser letzten sieben Tage war, dass ich mal wieder Wäsche gewaschen hab und nach der Meinung meiner Oma hier damit verhindert habe, dass man bei uns einbricht. Ja, wie soll man mit Wäsche waschen verhindern, dass jemand bei einem einbricht? Gute Frage, ich weiß es nicht. Aber in der Wohnung gegenüber haben sie es getan. Und sie meint wohl, dass sie nicht auch zu uns gekommen sind, da man eindeutig gehört hat, dass da jemand daheim war. Ihr wisst ja: Waschmaschine und 60er Jahre. Das sagt alles. Jedenfalls steh ich jetzt bei ihr hoch im Kurs. Wenn sie meint…
Dann habe ich heut noch eine Aufführung bei uns an der Uni gesehen. Das glaubt Ihr einfach nicht: Folkloretänze, einfach zum Kaputtlachen. Und das musste ich auch. Mit dem Resultat, dass mir einfach mal wieder die Luft weggeblieben ist. Nach einer Stunde ging es dann wieder, und wenn ich so darüber nachdenke, war es vielleicht nicht schlecht. Aber das kann man sich nur einmal im Leben antun. Einzig schön fand ich den russischen Tanz, der baschkierische ist unecht und zu übertrieben. So, nun aber Schluss. Es ist spät in der Nacht, das Internet spinnt schon die ganze Zeit rum, und ich muss noch lernen. Macht’s gut, Ihr da draußen und grüsst die Eisbären von mir.
Eure Hanna