Rückblicke
Die Reiselust hatte Hanna wieder einmal gepackt. Nach einigen Tagen Moskau und militärischer Parade zum 60. Jahrestag der Befreiung zog es sie, zusammen mit zwei Freundinnen, über den Ural in die baschkierische Steppe zu einem Volksfest. Eine Geschichte über Feiern, Jurten und Sonnenbrand.
Hallo ihr Lieben, Ja ja, ich weiß, ich bin eine absolut treulose Tomate! Hab seit ewigen Zeiten nichts mehr von mir hören lassen. Jetzt will ich zumindest ein Bisschen was nachholen, obwohl ich mich leider nicht mehr an alles erinnern kann, was in den letzten Wochen nach meinem Eintrag so alles geschehen ist.
Aber ich habe zumindest eine gute Ausrede: Ich habe eine Schreibblockade! Macht sich wirklich gut, wenn man in einem Projekt wie meinem arbeitet… Ich hoff ja, dass ich sie jetzt überwunden habe.
Also. Wo fang ich denn am Besten an? Genau, der
09. Mai 2005 – Der 60. Jahrestag
Also, das ist wirklich eine komische Angelegenheit, wenn man bedenkt: eine Deutsche erlebt mit, wie man den Sieg über ihr Land mit Pomp und Brimborium feiert. Es hat irgendwie etwas Makaberes. Obwohl ich, weiß Gott, nicht viel Nationalstolz habe, kam es mir doch sehr komisch vor, dort am Rande der Parade hier in Ufa zu stehen und mit anzusehen, wie man sich selbst feiert.
Der Tag verlief an sich ganz schön. Ich war mit Teresa und ihrer Gastfamilie und Agnija unterwegs. Zuerst zum Park des Sieges, wo man echt fast erdrückt wurde von den Menschen, die sich da versammelt hatten. Und überall die männlichen wie weiblichen Kriegsveteranen mit ihren Orden an der Brust und einem sehr stolzen Blick. Man sah ihnen an, dass sie mit ihren Gedanken in der Vergangenheit herumschwirrten. Auch wenn ich annehme, dass es nicht nur positive Erinnerungen waren.
Danach verbrachten wir unsere Zeit mit Busfahrten und Spazierengehen. Abends gab es dann ein großes Feuerwerk und ein Konzert direkt auf dem Prospekt. Das Tollste war für mich wirklich, dass sie den Prospekt gesperrt hatten und ich endlich mal darauf spazieren gehen konnte. Sonst wird man ja hier immer zurück auf den Bürgersteig gezogen, obwohl das Auto noch 20 Meter weit weg ist. Ja ja, meine lieben Russen ;)
So jedenfalls war es schon sehr schön dort. Und eins wurde mir da zum ersten Mal richtig bestätigt: man mag es kaum glauben, aber ich habe Russisch gelernt und schaffe es jetzt doch tatsächlich, mich mit den Leuten zu unterhalten! Wer hätte das jemals geglaubt. Hihi…
Aber jetzt zurück zum Thema: da ich nun mal neugierig bin, habe ich mich mal bei meinen Begleitern erkundigt, was sie so von diesem ganzen Trara halten. Es stellte sich heraus, dass sie ganz begeistert davon waren. Und das nicht, weil jetzt endlich mal wieder was in der Stadt los war – nein, sie sind einfach der Ansicht, dass dies der beste Weg ist, um es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Außerdem dient es ja der Ehrung der Veteranen.
Sie haben ja Recht, aber ich bin doch irgendwo der Meinung, dass man es nicht immer so raushängen lassen muss. Meine Lehrerin meinte nur, wahrscheinlich ginge es solange so weiter, bis auch der Letzte der Veteranen nicht mehr unter uns weilt. Da mag sie vielleicht Recht haben. Na ja, ich sehe es jetzt einfach als eine Erfahrung an, die ich hier gemacht habe, und die eine Erinnerung wert ist…
So, jetzt lasst mich mal kurz überlegen, ob da noch irgend was Großes in der Zwischenzeit war… mhhm... Eigentlich fällt mir da nichts anderes ein, außer einem, für mich wirklich großem Ding. Irgendwann in diesem Monat hab ich mich dazu entschlossen, auch ein Examen in Russisch zu machen. Ich weiß echt nicht, wie ich dazu gekommen bin. Zwar werde ich nicht die Stufe machen können wie Teresa und Julia, dafür bin ich leider doch noch zu schlecht *heul*, aber was soll’s.
Also kommen wir zum Ende des Monats und meinem kleinen Kurztrip.
Moskau – Die europäischste Stadt in Russland
Zunächst einmal kurz eine kurze Erklärung, warum ich dort hin bin. In meinen Berichten habe ja oft genug Teresa erwähnt. Sie war ein Grund, nach Moskau zu reisen, denn sie hat unser Schönen Städtchen hier verlassen, da ihre drei Monate rum sind. Zum wirklich krönenden Abschluss haben wir uns entschlossen, diese Reise zu machen. Vorher gab es für sie natürlich noch eine gebührende Abschlussparty!
Das war schon lustig, wie wir da im Wald direkt in der Stadt saßen und mit den Mücken gekämpft haben, um an unser Essen zu kommen. Auch wieder eine Erinnerung, die ich nicht missen möchte. Auch wenn ich auf die Mücken schon gerne verzichtet hätte… :)
Kommen wir jetzt wieder zu eigentlichen Thema zurück: Also nach der Abschiedparty machte ich mich am nächsten Tag auf mit dem Zug nach Moskau. Ich weiß echt nicht wie es dazu kam. Aber Ihr werdet Euch bestimmt noch an die vielen Zugreisen erinnern, über die ich geschrieben habe, stimmt’s? Falls Ihr jetzt denkt, da kommt wieder so eine kleine Horrorshow, muss ich Euch leider enttäuschen. Es ist – Wunder was – alles glatt gegangen! Ich hatte super liebe Kabinennachbarn. Sich mit denen zu unterhalten hat mir echt Spaß gemacht. Und mein Russisch ist zwar jetzt besser als jemals zuvor, aber ich muss noch eine Menge lernen, das hab ich doch gespürt…
Unserer Reise nach Moskau gingen endlose problematische Diskussionen voraus, wo wir nun schlafen sollten. Eigentlich sollte ja das Wohnheim herhalten, aber aus verscheiden Gründen, die ich jetzt nicht weiter erklären werde – da ich sonst ganz bestimmt sehr unfreundlich werde – hat das am Ende nicht geklappt. Aber durch Zufall konnte uns meine Mentorin weiter helfen und vermittelte uns zu einer sehr lieben Moskauerin namens Lilia.
Durch Zufall war ich dann auch die Erste, die bei ihr ankam, denn Teresa war geflogen und hatte Verspätung. Als sie dann doch endlich eingetroffen war und sich noch ein Stündchen ausgeschlafen hatte, sind wir mit Lilia auf Erkundungstour durch Moskau gestreift. Das heißt also, das Pflichtgebiet Roter Platz und Kreml. Und wie das so ist habe ich natürlich meine Kamera Daheim liegen lassen, weshalb ihr auch keine Beweisfotos zu sehen bekommt…
Am nächsten Tag haben wir uns dann alleine auf die Socken gemacht und erstmal eine kleine Aufgabe aus Ufa erledigt. Anschließend haben wir den Abat unsicher gemacht. Ein wirklicher Erfolg war für mich, als wir an diesem Tag meine Schulbücher, die ich für mein Examen brauche, und die es natürlich nur in Moskau gibt, auftreiben konnten. Dabei sind wir den Tag so viel gelaufen, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wo wir alles hin gelaufen sind.
Abends haben wir uns wieder mit Lilia getroffen und sind Essen gegangen. Der folgende Tag verlief ganz ruhig: spätes Aufstehen und dann einmal den größten Markt Moskaus unsicher machen. Ich verrate nur soviel: es war sehr erfolgreich ;)… Dann sind wir einfach weiter und wollten schon mal meine Reiseroute für mich am nächsten Tag sicherstellen. Denn für mich ging es ja wieder zurück nach Ufa mit dem Zug. Allerdings gefiel uns das Ambiente (so will ich es jetzt mal beschreiben) nicht so besonders gut. Darum haben wir uns dann doch anders entschieden und eine andere Art des Transportes gewählt.
Aber irgendwie lief an diesem Tag gar nicht mehr so viel. Das ständige Herumrennen hat doch schon an der Substanz gezehrt, wenn man bedenkt, dass wir doch ziemlich verweichlicht sind seit wir hier in Ufa leben. Oder gelebt haben. Den Abend verbrachten wir dann ruhig und gemütlich zu Hause, da wir echt nicht mehr zu gebrauchen waren.
Am nächsten Morgen hieß es dann für uns Abschied nehmen. Und glaubt mir, das fiel mir wirklich schwer. Vor allem, wenn man noch total verpennt ist ;). Aber mit einer Sache konnte ich mich immerhin trösten: denn anders, als mit meinen Freunden hier in Russland, wird es wohl mit Teresa ein schnelleres Wiedersehen geben. Für mich hieß es dann auch Sachen packen und mich auf eine 36stündige Fahrt nach Ufa freuen.
Komischerweise ging auch hier auch alles glatt. Und wieder hatte ich irgendwie Glück, denn ich hatte wieder richtig nette Begleiter für die Fahrt. Und als ich einen Tag später ankam, da wartete auch schon Julia auf mich!
Tja, und dann hatte ich so um die 13 Stunden Zeit, um meine Wohnung noch mehr in Unordnung zu bringen, denn dann ging es auf zum nächsten Event…
Baimak, Sibei und das Sabantuie
Wie bereits weiter oben beschrieben ging es am nächsten Tag weiter mit dem Bus ins tiefste Baschkierien nach Baimak, zusammen mit Julia und Larisa (einer Freundin). Dabei überquerten wir den Ural. Und ich muss ja sagen, meine Schulbildung muss wirklich nicht die Beste sein, denn ich hab mir unter den Ural echt so was wie die Schweiz vorgestellt. Aber dann bekam ich Nachhilfeunterricht und wurde aufgeklärt, dass es ein sehr altes Gebirge sei und darum auch der höchste Berg irgendwo bei 2600 Metern liegt. Na ja, trotzdem fühlte ich mich dort manchmal wie in der Schweiz. Und die ist für mich mal schon so etwas wie eine zweite Heimat gewesen.
Ja ja, lacht Ihr nur… Steppe und sieht aus wie in den Voralpen. Damit hab ich auch Julia zum Lachen gebracht. Mir kam es nun einmal so vor… Baimak soll wohl irgendwie mir eines der größeren Dörfer sein, das sich schon als Stadt bezeichnen darf. Dort haben wir bei Larisas Cousin übernachtet. Am nächsten Tag fand dann der Grund unseres Besuches statt: das Sabantuie. Übersetzt bedeutet es soviel wie das Fest des Pfluges, wo die Götter schon mal im Voraus – noch vor der Saat – um eine gute Ernte gebeten werden.
Auf jeden Fall sind wir dann am nächsten Tag direkt in die Steppe gefahren, wo wir auf eine Menschenmasse trafen, die ich nie erwartet hätte. Wie ich wieder aufgeklärt wurde, ist das Sabantuie das wichtigste baschkierische Volksfest. Somit erklärte sich die Menge an Leuten.
Es war wirklich ein Volksfest: auf einer Bühne wurde getanzt und dann hat man die traditionellen Jurten aufgebaut. Von jedem Dorf eine. Darin wurde dann entweder das Dorf vorgestellt oder aber ein bestimmtes Thema. Das war wirklich interessant. Am Nachmittag fanden dann verschiedene Sportwettkämpfe wie Boxen, Pferderennen, Volleyball, Fußball und Ringen statt. Zudem gab es dann auch noch einen Markt. Irgendwo und irgendwie mussten die Leute auch versorgt und erleichtert werden.
Später haben wir noch einen schönen Spaziergang gemacht, wobei auch schon die Folgen des Tages bei mir zu sehen waren: ein wunderbarer Sonnenbrand der echt üblen Sorte. Sagen wir einfach, ich sah oben herum wie gekochter Krebs aus. Ich denke, so könnt Ihr Euch das gut vorstellen…
Noch etwas später am Nachmittag sind wir mit Larisas Familie Richtung Sibei heimwärts gedüst. Dort wurde bereits die Banya vorgeheizt. Davon bin ich nicht gerade ein Fan, aber darauf hat man glücklicherweise Rücksicht genommen. Das Erste, was für mich anstand, war erstmal eine Kefirbehandlung. Das macht echt keinen Spaß. Vor allem hab ich noch eine ganze Zeit lang nach dem Zeug gerochen. Ne, ne… Aber bin ja selber Schuld: zwar hab mich eingeschmiert, aber scheinbar hätte ich mal einen anderen Sonnenschutzfaktor nehmen sollen…
Nach der Kefir-Kur ging es erstmal in eine schöne lauwarme Banya (so macht die auch mir Spaß). Und nachdem jeder in diesen Genuss gekommen war hieß es erst einmal wieder: Tee trinken und essen. Irgendwann sind wir dann auch mal schlafen gegangen. Am nächsten Tag ging es kurzzeitig noch auf ein zweites Sabantuefest, welches von kleineren Dörfern organisiert wurde. Da gab es genau das Gleiche zu sehen wie in Baimak, trotzdem war es ganz schön da.
Abends ging es schließlich mit dem Zug zurück nach Ufa. Eines steht für mich auf jeden Fall seitdem fest: ich werde nur noch mit Coupe fahren, denn Platzkarte ist mir einfach zu anstrengend, da kommt man sich immer wie in einem Viehtransport vor… Doch irgendwie haben wir auch das überstanden und sind sicher und glücklich in Ufa gelandet.
Zurück in Ufa So das ist nun alles eine Woche her und natürlich ist das noch nicht alles. Obwohl meine Muskeln vor Verspannung bereits jetzt schreien werde ich auch noch schnell von dem Rest der Woche berichten.
Gleich nach unserer Ankunft in Ufa ist auch noch eine Freund von Julia gelandet, der bei mir in der Wohnung einquartiert wurde, da es im Wohnheim nicht möglich war. Wir haben so Einiges mit ihm unternommen und ihm versucht die schönen Seiten von Ufa zu zeigen. Was gar nicht so leicht war, denn irgendwie wollte das Wetter nicht so recht mitspielen.
Und dann haben wir noch einen kleinen Ausflug in die Umgebung von Ufa gemacht, wo wir uns eigentlich eine Höhle anschauen wollten. Aber keiner wusste so recht, wo sie sich befinden sollte, also haben wir uns mit einem Spaziergang durch die Natur begnügt.
Und dann stand für unseren Gast auch noch ein Besuch im Tartarischem Theater an. Ich muss gestehen, davor habe ich mich gedrückt… ;)
Zum Abschied natürlich – wie immer hier – noch eine kleine private Feier. Man weiß ja nie, wann man sich wieder sieht...
Gestern war wieder ein Feiertag: der Tag Russlands. Und gleichzeitig auch noch der Tag der Stadt. In der ganzen Stadt gab es Konzerte, aber ich hab mir tagsüber nur das Internationale Festival der Nationalen Kultur angeschaut. Wider meinen Erwartungen gab es wirklich etwas Internationales zusehen, vertreten von Kuba, Korea, Serbien und Nigeria. War wirklich mal etwas Anderes. Abends habe ich mich doch noch mal zu einem Konzert getraut. Doch ich muss gestehen, ich habe nach einer halben Stunde die Flucht ergriffen. Mein Gott, was für Massen da waren. Früher hab ich ja schon mal erwähnt, dass ich unter Platzangst leide. Ich würde sagen, ich bringe schon gewisse Opfer für meinen Job hier. ;)
So. Was lange währt, wird endlich gut. Ich hab’s geschafft. Nach bestimmt zwei Stunden vor meinem Schlepptop. Und ich hab’s wirklich geschafft! Ich verspreche, wieder regelmäßiger zu schreiben. Dann brauch ich bestimmt auch nicht mehr so lange. ;)
Also, Ihr Lieben, ich mach Schluss. Ich bin fix und foxie, aber ich hoffe, es hat sich gelohnt. Eins sollte ich wohl noch erwähnen: ich hab mich hier doch tatsächlich eingelebt! Was ich immer für unmöglich gehalten habe ist geschehen. Aber ich freu mich darüber. :)
Also wir hören uns in der nächsten Zeit, hoffe ich mal…
Ich wünsch Euch da draußen viel Spaß und lasst Euch die Zeit nicht lang werden.
Eure Hanna