Rückmeldung
Bestimmender Faktor in Hannas Leben ist seit gut einem Jahr der Zufall. Der bescherte ihr eine abenteuerliche Anreise zu einem Musikfestival, mehrere Abschiede und immer wieder neue Unterkünfte. Gar nicht zufällig, sondern dank fleißigen Lernens, hat sie jetzt schwarz auf weiß, dass sie des Russischen mächtig ist.
Ach, Ihr Lieben, bin ich nicht furchtbar? Da habe ich versprochen, wieder regelmäßig zu schreiben, aber tat es nicht. Keine Entschuldigung von mir. Ich habe es immer wieder aufgeschoben, aber nicht aufgehoben, nee. Ich bin ja noch eine Weile hier.
Der letzte Eintrag ist jetzt eineinhalb Monate her. Wo fange ich nun an? Am besten wohl Anfang dieses Monats, denn wenn ich mich recht erinnere, war im Juni nicht viel los.
Da war das Gruschinskie Festival. Ich bin zusammen mit Julia, Larisa und Tina, einer Freundin von Julia, nach Samara gefahren, dort fand das Festival statt. Es handelt sich dabei um ein Liedermacherfestival direkt an der Wolga. Wir mussten dafür drei Stunden mit der Elektrischka fahren, aber das war es wert. Massen von Menschen waren da unterwegs! Fragt mich nicht wie viele, denn ich würde nur übertreiben und sagen, es waren Millionen.
Wir haben direkt an der Wolga gezeltet, eine andere Möglichkeit gab es nicht, wenn man schlafen wollte. Na ja, wir haben jede Nacht vielleicht fünf Stunden geschlafen, aber besser als nichts. Über unsere Nachbarn dort sag ich wohl besser gar nichts, sonst kommt nur so etwas wie „alkoholisierte Ruhestörer“ dabei heraus.
Insgesamt waren wir drei Tage dort. Mit einem Umzug und viel Spaß. Ganz toll war, als wir zurück wollten und auf unsere Elektrischka warteten, die in 15 Minuten und 15 Minuten und nochmal 15 Minuten kommen sollte, es aber nicht tat. An sich wäre das ja nicht so schlimm gewesen, aber wir waren im Zeitdruck, weil Tinas Zug nach Moskau schon bald abfahren sollte. Wir entschieden uns dann doch für eine Marschutka mit einem Fahrer. Der kannte aber leider nicht den richtigen Weg. Aber wir sind noch rechzeitig in Samara angekommen; vergeben und vergessen sind die unzuverlässigen Transportmittel in Russland. Nach dem Festival herrschte erst einmal eine Weile Ruhe. Dann begann aber die emotionale Achterbahn hier in Ufa, denn es stellte sich heraus, dass Julias Vertrag ablief und sie ohne Diskussion aus dem Land geschmissen wurde. Diese Bürokratie hier ist wirklich unfair, aber so soll sie angeblich auch in Deutschland sein. Doch das ist kein Trost.
Nicht nur für mich war es schwer, Aufwiedersehen zu sagen. Am schwersten fiel es wohl Julia selbst, denn sie liebt dieses Land trotz seiner Fehler. Auch für Larisa war es traurig, denn Julia und sie waren hier schon zu Zwillingen geworden. Nachdem nun Julia weg war, ist auch Larisa heimgefahren, weil sie es hier ohne Julia nicht aushielt.
Wegen all dieser Abschiede hatte ich viel freie Zeit, was wegen meiner diversen Examen ganz gut so war. Für mich hieß es Lernen, Lernen und nochmal Lernen. Und was ist dabei herum gekommen? Ich habe bestanden! Wer hätte das gedacht - zertifiziert und bald auch unterschrieben: Hanna kann Russisch!
Okay, es war nicht das Examen, das Julia und Teresa damals gemacht hatten, denn das ist für mich doch noch zu schwer. Aber immerhin bestätigt es, dass ich mich im russischen Alltag zurecht finde.
Bei mir steht wieder ein Umzug auf dem Programm. Hatte ich schon erwähnt, dass das echt nervig ist? Ich ziehe innerhalb eines Jahr schon zum sechsten Mal um. Von Deutschland zu Agnija, von Agnija zu Inna, von Inna zu Aidar, von Aidar zu Natascha, von Natascha nach Hause und von zu Hause sonstwo hin. So ist das Leben. Aber bei Aidar stelle ich nur für ein paar Tage meine Sachen unter während ich Larisa besuche. Ich fahre heute los und komme am Freitag zurück.
Am Sonntag geht der lang erwartete Splav los. Bin schon richtig gespannt und voller Erwartungen. Wenn ich von dort zurück bin, ziehe ich mit Natascha zusammen. Eigentlich sollte das schon heute passieren, aber wie das bei den Russen so ist, geht nichts nach Termin. Solange ich einen Schlafplatz habe, ist das schon in Ordnung.
Wisst Ihr eigentlich schon, dass ich jetzt bis Mitte September hier bleibe? Das hat sich letzten Monat ergeben. Zunächst konnte ich mich nicht so recht entscheiden, ob das nun gut oder schlecht ist. Aber ich denke schon, dass ich es gut finde. Mir gefällt es hier. Okay, es ist nicht besonders praktisch, weil zu Hause das Studium losgehen wird und ich noch nicht weiß, wo. Doch da mein Leben seit 14 Monaten nur noch von Zufällen bestimmt wird, wird sich auch das alles irgendwie regeln.
Das war jetzt erst einmal das Wichtigste. Ich verspreche Euch diesmal nicht, dass ich bald wieder schreibe. in den nächsten drei Wochen sieht es schon einmal schlecht aus. Zumal ich im Moment auch nicht immer Internetzugang habe, denn das ist Russland - mal funktioniert’s, mal nicht. Irgendwann werdet Ihr jedenfalls wieder von mir hören.
Momentan sitze ich im Café und hoffe, dass alles so wird, wie ich mir das wünsche. Und ich hoffe auch, Euch da draußen in der weiten Welt geht es gut und Ihr habt alles unter Kontrolle.
Auf bald und lasst es Euch gut gehen. Eure Hanna
P.S.: Wenn Ihr genauer wissen wollt, was ich so in den letzten Wochen gearbeitet habe, schaut auf meine Seite www.baschkirienheute.de. Würde mich freuen, mal Eure Meinung darüber zu hören.