Russische Krankenbetreuung
Mit einer Lungenentzündung in einem russischen Krankenhaus zu liegen ist bestimmt nicht das, was sich Hanna als liebsten Zeitvertreib in der Vorweihnachtszeit gewünscht hat. Gut, dass es ihr jetzt wieder besser geht.
Also, Ihr Lieben, hier folgt nun der Bericht der letzten Wochen.
Ich kann mich eigendlich nur noch schwer an das erinnern, was vor zwei Wochen war. Ich weiß, da war ich mit einem Freund im Ballett und habe mir Schwanensee angesehen. Es war richtig klassisch und wir hatten auch richtig gute Plätze, oben auf dem Balkon. Es war einfach wunderbar, das mal in natura zu sehen. Sonst werden einem in Filmen ja immer nur Ausschnitte gezeigt und es ist wirklich etwas anderes, es selbst zu erleben. Es war ein bisschen wie ein Traum.
Dann kann ich mich noch erinnern, dass ich mal wieder beim Stammtisch war. Und natürlich war es auch diesmal eine ziehmlich lustige Truppe. Das weniger Schöne war, dass wir zwei Tage lang kein warmes Wasser hatten. Rohrbruch. Ja, auch so etwas gibt es hier.
Na ja, ich war zum Glück als es passierte in der Uni und hab mich mit der nervigen Technik des Internets auseinander gesetzt. Glaubt mir, hier artet das echt in Arbeit aus. Ja, dann kann ich mich erinnern, dass ich da auch noch mal mein Fitness-Center besucht habe. Ich war ja gesund, und da ich ja die letzten Wochen gefaulenzt hab, bin ich halt mal wieder hin.
So, den zweiten Advent haben wir wieder bei Julia verbracht im Wohnheim, mit Schwatzen und Mantie kochen, war echt lustig. Nur leider fing es den Tag schon wieder an. Was??? Ganz einfach: der Husten. Ich habe ihn ignoriert.
Montag hab ich dann für Julia und Maik mal Spagetti mit Tomatensauce ( einmal mit Käse und dann noch mit Jagdwurst) gekocht. Das war echt ein Abenteuer, den bekomm mal die richtigen Zutaten. Auf meinen Streifzügen durch die Supermärkte Ufas entdeckte ich dann sogar Grießbrei. Einfach wunderbar. Auf jeden Fall war das Essen ein Hit. Und, falls Ihr Euch jetzt fragen solltet, was daran so besonders ist: Ist ganz einfach, hier kennt man so etwas wie Tomatensauce nicht, nur Ketchup und Mayo und das ist auf Dauer nichts. Und da uns das alles zu den Ohren raushing und es Nikolaus war, hab ich (da ich eine halbwegs funktionierende Küche habe) gekocht.
Dienstag ging es mir zwar richtig schlecht, aber ich hatte für eine Vorlesung über russische Sprachetikette zugesagt, also bin ich auch hin. War richtig interessant. Danach schleppte ich mich in die Uni, um endlich mein Visa für meinen Heimurlaub fertig zu machen. Und dann ging es geradewegs nach Hause, ohne die angesetzte Sprachstunde, warum? Es ging mir richtig dreckig, und der Mittwoch war gleich gestorben.
So, da nun auch meine Mutter drauf bestand, suchte ich Donnerstag also den Uni-Arzt auf, der schickte mich in die Uni Klinik und die schickten mich zum Röntgen und zum Bluttest. Das Röntgen war richtig lustig, aber das Blutabnehmen richtig brutal. Es war nur der Ringfinger der linken Hand, aber ich weiß nicht, was diese Frau gegen mich hatte. Sie quetschte ihn und stach dann mit ihrer Spritze etwas mit voller Wucht in den Finger. Glaubt mir einfach, dass es über den ganzen Tisch gespritzt hat und ich nicht nur Schmerzen hatte, sondern auch ziehmlich schockiert war, als ich mein Blut da über den Tisch und meine Akten ausgebreitet sah, und dann noch zusah, wie mir das Blut den Finger runter lief.
Ich konnt das wirklich nicht glauben, und Ihr werdet es wahrscheinlich auch nicht. Aber es ist wahr, und ihr könnt meine Russischlehrerin fragen, denn sie war dabei. Marina hat nämlich feststellen müssen, dass die Sprachbarriere doch zu groß ist, und sich Unterstützung geholt. So. Die Diagnose war dann erstmal Bronchitis und Lungenentzündung, mit dem Befehl, für zehn Tage ins Krankenhaus zu marschieren.
Ich war fertig ohne Ende. Und ich wollte nur nach Haus. Das sagte ich auch meiner Mutter. Aber sie hatte sich mit meinem Arzt in Deutschland in Verbindung gesetzt und der sagte, ich könne nicht heim. In Fachchinesisch: nicht transportfähig. Das ist ein Mist, sag ich Euch. Es is schon mistig, wenn Ihr in Deutschland in ein Krankenhaus müss. Und dann noch in einem fremden Land mit dürftigen Sprachkenntnissen und einer Heidenangst. Ich wollte nur heim, wo meine Familie gewesen wär. Aber das ging nicht.
Also bin ich Freitagmorgen ab ins Krankenhaus. Auch da muss man erstmal eine ganze Weile warten, wobei ich ja schon im Eilverfahren dran gekommen bin, da Marina einen Arzt dort kannte. Ich glaube in Russland ist Vitamin B noch wichtiger als in Deutschland. Nach unzähligem Abhören und Blutdruckmessen und Erklären, dass der Blutdruck immer so niedrig ist, hab ich dann ein Zimmer bekommen auf der Allergiestation. Auch nur durch Vitamin B, denn normalerweise waren die voll belegt und ich hätte dann erstmal auf dem Flur campieren müssen, oder aber auf der Urologiestation.
So aber man hatte Mitleid mit mir, und so kam ich mit Lila (15 Jahre) in ein Zimmer. Die war eine ganz Liebe und es war eine Erleichterung für mich, dass sie da war, auch wenn sie kaum Englisch konnte. Die Ärzte im Krankenhaus haben dann beschlossen, dass es keine Lungenentzündung ist, sondern Asthma. Aber das ging immer hin und her. Am Ende weiß ich immer noch nicht, was es nun wirklich war.
Dann bekam ich vier Tage lang Infusionen. Aber jetzt stellt Euch das nicht so schön vor wie in Deutschland. Denn hier kennt man so etwas wie einen dauerhaften Venenzugang nicht und wuchtet Dir jeden Teg aufs Neue die Nadel in de Vene. Nach drei Tagen war der rechte Arm nicht mehr zu gebrauchen und links wurde durch das Blutabnehmen ruiniert. Ich konnte übrigens auch feststellen, dass es möglich ist, die Fingermethode beim Blutabnehmen ohne Blutbad durchzuführen.
Davon abgesehen habe ich jeden Abend eine Spritze in den Hintern bekommen, sodass dieser jetzt auch blau ist. Und man hat mich mit Medikamenten voll gestopft. Einmal aus Deutschland, dann noch eine Überdosis Antibiotika, weil irgendwo etwas mit der Sprache nicht geklappt hat, denn Marina hat mal wieder nicht richtig hin gehört... Später hatte ich dann noch Therapien, das heißt Massage. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie man darauf stehen kann. Es war einfach nur schmerzhaft, und sooft wusste ich nicht, ob ich lachen oder schreien sollte, denn ich bin verdammt kitzlig. Dann musste ich irgend was einatmen, aber es hat geholfen, und dann haben sie mir immer etwas Warmes auf den Rücken gestellt. Diese Methode hab ich am meisten gemocht. Ich bin wirklich froh, dass ich heute raus konnte. Es ist ja nicht so schlimm gewesen. Es hatte - vom Essen mal abgesehen - sogar ein paar Vorzüge. Aber ich habe jeden Tag darauf gehofft, dass sie sagen, dass ich gehen kann. Und vorgesten kam endlich die Nachricht. Und, glaubt mir, ich war sowas von glücklich, mal wieder in die Kälte zu kommen. Denn in dieser ganzen Woche war ich nicht einmal draußen.
Nun bin ich immer noch nicht gesund, aber ich habe einen guten Ansporn, es so schnell wie möglich zu werden. Nicht nur die Langeweile, nein, denn ich habe die Nachricht erhalten, dass meine Eltern über Weihnachten und Neujahr in Samara sein werden. Ja, ich habe gesagt, dass ich nicht nach Deutschland komme zu Weihnachten und dass ich nicht wollte, dass sie zu mir kommen. Aber wisst Ihr was? Das ist mir scheißegal! Was ich in den letzte Wochen durchmachen musste wünscht man wirklich niemanden. Ich will einfach meine Familie um mich haben, auch wenn natürlich meine Schwester fehlen wird. Aber ICQ oder Skype werden schon irgendwie helfen. Für mich steht jetzt erst mal Bettruhe an, und nächsten Donnerstag, einen Tag vor Weihnachten, seh ich endlich meine Eltern wieder.
Ach, und den dritten Advent hab ich übrigens aus meinem Kopf gestrichen. Aber wenigstens hat ich jeden Tag Besuch, wenn es auch nicht der war, den ich gern gehabt hätte. Hatte ich eigentlich erwähnt, dass es so etwas wie eine Dusche nicht gab?! Ich hab da das gleiche Faible wie meine Schwester: ich mag meine Haare gern sauber, also musste ich Verrenkungen über dem Waschbecken ausführen, und das war nicht besonders groß...
So, nun bleibt nur zu sagen: Achte auf Euch, nehmt Vitamine. Und beim ersten Anzeichen für eine Krankheit geht am besten sofort zum Arzt. Ich werde es ab jetzt so machen!!! Um den Rest noch heraus zu bekommen aus meinem Körper, stopf ich ihn grad mit Früchten voll, mit allem, was mir so in die Finger kommt. Solltet Ihr auch machen, als Vorbeugung sozusagen. Dann Euch da draußen viel Glück, und werdet ja nicht krank. Glaubt mir, das is einfach unpraktisch!!!!!!!
Eure Hanna