Erste Arbeitstage
Tina, noch recht frisch in England, durfte in Slimbridge, in der Nähe von Bristol, inzwischen bereits einige kleinere und größere Vögel versorgen, ihre Mitbewohner etwas näher kennen lernen und erste Einblicke in die britische Lebensart erhaschen.
Um noch ein paar nähere Ausführungen zu geben: mein jetziger Aufenthaltsort befindet sich etwa 200 km Luftlinie westlich von London, an der Grenze zu Wales. Die nächste große Stadt ist Bristol, mit ungefähr 320.000 Einwohnern. Ich war schon einmal dort zu einem Workcamp und hoffe, das nette Städtchen bald wieder zu sehen.
Vögel, Vögel, und noch mehr Vögel
Es ist angedacht, dass ich erst einmal sechs Wochen in der Vogel-Abteilung bleibe. Hier wird sich hauptsächlich um die in Gefangenschaft lebenden Tiere gekümmert, die von Besuchern in der zooähnlichen, allerdings ohne Überdachung auskommenden Parkanlage bewundert werden. Oder sie werden etwas abseits künstlich ausgebrütet und großgezogen, vom Tierarzt behandelt und auch verkauft oder an andere WWT (Wildfowl and Wetlands Trust) Center geschickt. Anschließend werde ich hoffentlich im Reservat arbeiten und bei der Forschung helfen. An der Umweltbildungsabteilung werde ich wohl nicht vorbeikommen. Auf jeden Fall werde ich in zwei Ferienwochen bei der Kinderbetreuung helfen. Außerdem ist auch ein bisschen Gartenarbeit vorgesehen.
Zum Glück musste ich an meinen ersten Arbeitstagen nicht sehr lange planlos herumstehen. Mir wurden die wichtigsten Sachen gezeigt und ich habe oft erzählt, wo ich herkomme, was ich sonst mache und so weiter. Die Vogelleute sind ein lustiges, junges Team. So langsam kenne ich alle Namen und von einigen auch schon die halbe Lebensgeschichte. Was sehr interessant ist, da wir alle ähnliche Interessen haben und die meisten mit einem Umwelt- oder Biologiestudium bereits fertig sind.
Ich habe schon einige Futterrunden hinter mir. Zu zweit geht man mit einer riesigen Karre, die man vor sich herschiebt, durch das Gelände mit den Collectionbirds. Die Vögel kommen hinterher und bekommen Körner oder Breckets, die auf die jeweiligen Ansprüche abgestimmt sein müssen. Dieser Teil der Arbeit ist nicht sehr anstrengend und nebenbei lerne ich die verschiedenen Arten und Charaktere der Tiere zu unterscheiden.
Es ist wirklich lustig, denn einige sind sehr neugierig und fressen aus der Hand, andere drohen ständig, weil sie ein Nest beschützen, und zwei gehen auf alles los, was sich bewegt, weshalb es schon einige Verletzungen gab. Sie sind jetzt eingesperrt.
Besonders süß finde ich die Küken, ob sie nun von einer besonders seltenen Art sind oder nur von den Stockenten, die sich so aggressiv vermehren, das man die Schweine mit ihnen füttern könnte. Immer wenn ich diesen Kleinen sehr nahe komme, erfasst mich ein starker Greifreflex. Ein paar Gründe, sie hin und her zu tragen, ließen sich auch schon finden. Zum Beispiel habe ich ein paar Frischgeschlüpfte in ihren Aufzuchtskasten getragen, wo sie ungefährdet von ihren Krankheiten, Art- oder auch Gattungsgenossen groß werden können.
Noch nicht so erfolgreich war ich beim Vogelfangen. Eine einzige Ente ist mir eher aus Versehen ins Netz gegangen, aber dafür kann ich die Tiere ganz gut festhalten: "Du fixierst mit den Händen die Flügel, drückst das Tier an deinen Bauch, dass es sich nicht mehr bewegen kann, und dann wirst du gebissen". Gesagt getan, da kommt mal richtig Action in die Sache. Von den Eingefangenen werden die Ringnummern notiert. Dann werden sie in Gatter für Verletzte und Kranke, für welche, die sich unbedingt vermehren sollen, bevor sie aussterben oder für solche, die das Center verlassen, gebracht.
Britische Lebensart
Ein bisschen britische Lebensart durfte ich auch schon kennen lernen. Mit meinen Hostel-Mitbewohnern habe ich den typischen schwarzen Tee mit Milch – mit kleinem Finger abgespreizt – getrunken. Aber den Kaffee konnte ich mir noch nicht ganz abgewöhnen, obwohl es hier keine Kaffeemaschine gibt. Das mit dem kleinen Finger finde ich sehr gut, zumal Phoebe behauptet, wenn man den Finger nicht abspreizt, sei das unnatürlich. Und im Pub war ich auch schon. In der Mittagspause. Wir haben etwas getrunken und Pool – zu kleines Billard – gespielt.
Dann habe ich mich im Wildland-Center in die Sicherheitsvorschriften einweisen lassen und darf jetzt auch Traktor fahren. Das ist ein Spaß, besonders, wenn es mit voll beladenem Hänger rückwärts geht. Ich musste auch schon viel saubermachen, was allerdings auch Spaß machen kann, da meistens mit einem Hochdruckwasserschlauch und einem Besen gearbeitet wird. Meine "Uniform" wurde auch schon fast vollständig geliefert. Es fehlt nur noch die wasserfeste Hose, natürlich auch in grün.
Hier arbeiten viele Leute ehrenamtlich. So auch eine Lady, die ich beim Kompostschaufeln kennen gelernt habe. Sie kommt einmal pro Woche mit ihrem Rolls Royce vorgefahren.
Meine Mitbewohner
Noch ein paar Worte zu meinen jetzigen Mitbewohnern: da ist Philippa (Phip), unsere Hostel-Mama, etwa 25 Jahre alt, hat Landnutzung studiert und kommt aus der Gegend. Sie steht früh auf, arbeitet viel, geht früh ins Bett und hat es gerne ruhig. Wir gucken oft seltsame Fernsehserien und lachen uns tot.
Sie hat mir meinen Einstieg glaub ich nicht weiter übel genommen: ich hatte, ohne zu fragen, eine ihrer (wie ich später erfuhr) streng behüteten Lieblingspflanzen mit den Micker-Dingern in meinem Zimmer ausgetauscht. Und dann habe ich paar Mal nach dem Staubsauger gefragt, ohne zu sehen, dass er nicht weit von meinem Zimmer weg steht.
Dann ist da Phoebe, gerade mit der Schule fertig und auch aus der Gegend, auch Volunteer, bekommt aber keine finanzielle Hilfe und arbeitet deswegen im Pub, um am nächsten Morgen wieder hier loszulegen. Hält sie super durch ist immer gut gelaunt und very british, wie ich finde. Sie teilt sich das Zimmer eigentlich mit Julia, auch aus England, die habe ich aber noch nicht wirklich kennen gelernt, da sie bis jetzt kaum da war. Ich weiß nur, dass sie Forschung betreibt und die Zwergschwäne durch ihre unterschiedlichen Schnabelmuster unterscheiden kann.
Die einzige weitere Ausländerin ist Dora aus Portugal. Sie schreibt Ihre Diplomarbeit in Biologie und kann reden ohne Unterlass, während ihr Essen kalt wird. Wir mussten heute sooo lachen weit sie ihre Zehen als Foot-Fingers bezeichnet hat. Ein bisschen mehr über Portugal weiß ich jetzt auch, zum Beispiel, dass man es besser nicht mit Spanien verwechseln sollte.
Heute waren wir beide in Gloucester, der nächsten, recht kleinen Stadt, denn ich darf jetzt auch das Hostel-Auto benutzen und bin nicht mehr aufs Fahrrad und Leute, die zum Supermarkt fahren, angewiesen. Dora hat stundenlang DVD geshoppt und ich habe das Zeug für meine Kontaktlinsen, Briefmarken, zwei Bücher und "Run Lola Run" auf DVD ersteigert. Der Film hat auch schon allgemeine Anerkennung gefunden.
Demnächst wird wohl Vidana aus Sibirien ankommen, worüber ich mich sehr freue. Nur muss ich dann mein Zimmerchen teilen, und ich bin mir nicht sicher, wo ich dann meinen Robert einquartiere, wenn er im Mai herkommt. Aber da wird sich etwas finden.
Dann kommt noch jemand aus Afrika. Es wird also lebhafter, worüber ich mich an sich wirklich nicht beschweren kann, denn die Abende sind doch sehr ruhig.
Etwas Bildung zum Schluss
Noch etwas Bildung für die fleißigen Leser: ich möcht in jedem Eintrag eine Vogelart mit Bild vorstellen. Mein Ankunfts-Eintrag enthielt ein Bild der Mandarinente, nicht einheimisch, quasi auch ein Ausländer. Sie stammt aus Ostasien und wird hier gelegentlich aus Versehen ausgewildert. Auf dem Bild sind nur Männchen, denn diese haben mal wieder das viel auffälligere Federkleid um die Weibchen zu beeindrucken, während die Weibchen sich gut tarnen.
Diesmal habe ich wieder eine Ausländer-Art fotografiert, die sehr süß ist und interessante Geräusche von sich gibt. Die Witwenpfeifengans ist heimisch in Südamerika, Afrika und Madagaskar. Sie ist an den Gewässern der Niederungen und der Ebene ein häufiger Brutvogel.
Well, das soll es erstmal gewesen sein. Liebe Grüsse nach Zuhaus.