Dann eine Donauwelle, bitte!
Ein fiktives Gespräch mit meiner ungarischen Freundin
Umarmung(…)
-Hi, Viola!Oh mein Gott, ich habe dich seit einer Ewigkeit nicht gesehen, ich habe dich so vermisst!
-Ich euch auch, meine Liebe!Aber ihr wart immer mit mir in meinem Herzen, auf den mitgebrachten Fotos und danke für die große Gespräche, manchmal habe ich diese sehr gebraucht.
-Oh, das war selbstverständlich.Meine Mutti sagte mir oft:”wie mutig ist deine Freundin, ich könnte nie in einem fremden Land ohne Bekannten leben und die Sprache uhh, ich könnte weder ein Brötchen in der Bäckerei kaufen.” Ich habe aber sie beruhigt, Viola hat ja die deutsche Sprache in der Schule jahrelang gelernt,sie kann sich sicher verständigen.
-Ja, das war mein Riesenglück!Ich war auf niemanden angewiesen, ich konnte alles erledigen, was ich auch in Ungarn lösen kann.Außerdem hatte ich genug Vertrauen allein zu reisen und dort mich mit interessanten Menschen sogar auf der Straße zu unterhalten.Ich konnte sowohl meine schnell sprechende Kollegen, als auch die Kinder verstehen, aber ich habe manchmal gefühlt, ich kann nur einen winzigen Teil meiner Persönlichkeit entfalten.Wo bleibt mein sarkastischer-ironischer Humor oder eben meine konstruktive, tröstende Gedanken?!Ich hatte also oft den Eindruck, die Menschen halten mich nur für ein nettes, aufgeschlossenes Mädchen, das ganz süße Dialekt spricht.Nicht ihr Schuld, ich konnte ihnen nicht mehr zeigen.
-Nein, auch nicht dein Schuld.In der Deutschstunde wird man über Akkusativ/Dativ/Genitiv super informiert, aber man hat keine Ahnung über die praktischen Seiten, zB. über die Redewendungen, die in sind.Ich hoffe, du hattest aber keine Vorurteile aufgrund deiner Herkunft?
-Nein-nein, du weißt, viele von ihnen waren schon bei uns in den DDR-Zeiten, diese ehemaligen Touristen haben mir mit glänzenden Augen erzählt:”stell dir vor, wir hatten schon mehrmals am Plattensee Urlaub, das ist herrlich, eure Hauptstadt -Budapest- ist wunderschön und dieses brutale Getränk –Pálinka-, Gulasch, Langosch…mmh, lecker!
Heutzutage benutzen fast alle Google, die Leute haben sich aber Mühe gegeben und mich über unsere Kultur, über die allgemeine-, politische Lage gefragt, das fand ich korrekt und echt toll.Siehst du, es ist manchmal auch cool, fremd zu sein, du kannst im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und damit die vielleicht schlechten Stereotypen über deine Land abbauen.
Außerdem haben einige mich schon in den ersten Wochen zu sich eingeladen, ich konnte ihren Freundeskreis, ihr Privatleben kennen lernen und lustige Abende, relaxierende Nächte bei ihnen verbringen, das war total „wow” für mich.
-Das kann ich glauben.Vorurteile, hm?Über die berühmte ungarische Gastfreundschaft kann man Legende hören, obwohl wir Gäste nicht so gerne zu Hause haben.Und die Deutschen werden immer damit gestempelt, sie sind zu kalt.Was hast du erfahren, ist es so?
-Gar nicht, die Brandenburger sind total herzlich, höflich, daneben genießen sie die Gesellschaft, ihre Hobbys und sie sind nicht so präzis oder Workaholiker, wie wir das denken.Allerdings aus der deutschen Arbeitswelt habe ich schon gekannt, dass die Kollegen einander die Hand geben, aber ich hätte nie gedacht, dass diese Formel auch im Privatleben so typisch ist.Diese Weise der Begrüßung von Kinder und dass sie Wurst sogar ohne Beilage in jeder Tageszeit gerne essen, schockierte mich ein wenig.
Und die Kuchen.80% feine (über)süße Creme, 20% Teig, so ist es perfekt.Aber nicht in Deutschland.
-Juhuu, dann 1:0 für ungarische Konditoreien.Wenn Deutschland ungarische Kuchen importieren würde, könntest du dort bleiben?
-Hahh, witzige Frage, die zu weiteren ernsten Fragen führt…
Wie du weißt, Ungarn ist meine Krippe, mein ganzes Leben habe ich in der gleichen Stadt und Wohnung verbracht.Berliner Fernsehturm oder ähnliche Highlights sollst du hier nicht suchen aber wir haben so viel überlebt und wir blieben attraktiv, das macht mich stolz!
Győr hat mich erzogen, ich kenne alle kleine Gassen, Flüsse, Inselchen, die Geheimnisse der Altstadt.In den ersten Zeiten habe ich die sogenannte Traumreise-Methode verwendet, die immer graueren Bilder zu erfrischen.Langsam habe ich aber als eine andere Person auf den deutschen Straßen spaziert.Stolz, als Seelower Bürgerin.Noch dazu, als ich länger weg war, habe ich nach einigen Tagen Seelow, meine Mitarbeiter und die Kids vermisst.
Aber ehrlich gesagt, warum ich dieses Thema sehr positiv behandle, ich habe mich in Deutschland wieder gefunden, Deutschland und die hier herrschende Mentalität hat mich regeneriert und inspiriert.Wenn ich jetzt in den Spiegel gucke sehe ich eine zwar idealistische, aber kreative und starke Frau, die neue Ziele, Träume und dazu Ausdauer hat.
Fragst du also, könnte ich hier leben?Ja, vielleicht werde ich in einigen Jahren so entscheiden.
Aber ich will entscheiden, denn anhand der Flüchtlinge, die ich kenne, es wäre schrecklich, wenn ich hoffnungslos, ohne Alternativen trotz meiner Qualifikationen fliehen müsste.Das ist keine Wahl.
Aber der europäische Freiwilligendienst war wirklich eine freie,vernünftige und wunderbare Entscheidung von mir.Jeden Tag habe ich Geschenke in Form von Erfahrungen, glücklichen Gesichten bekommen und noch etwas…
Obwohl Ungarn seit 2004 ein EU-Mitglied ist und ich benutze dessen Privilegien wahrscheinlich ungeachtet jeden Tag, fühlte ich erst hier völlig, dass ich auch eine europäische Identität habe.
Ich stamme aus Ungarn, aus Europa, ich kann darauf auf der ganzen Welt stolz sein und ich möchte mich dafür einmal noch bedanken…
Umarmung(…)