Wo sind die letzten Monate hin?
Kobold erzählt von ihren vielen Erlebnissen und Erfahrungen der letzten Monate. Zum Beispiel vom Workers’ Weekend in Prag, dem St. Patrick’s Day in Dublin und dem Garten Irlands!
Plötzlich ist es Sommer
Vielleicht ist es übertrieben, den Zustand, der wettertechnisch hier in Irland die letzten Wochen herrschte, „Sommer“ zu nennen, aber alte Gewohnheiten sind so schwer abzulegen. Vielleicht sehen die Australier das anders als ich, aber August bedeutet für mich noch immer Sommer, Sonne, Strand und Urlaub! Ich weiß gar nicht, wo die Zeit hin ist... kaum dreh ich mich um, sind plötzlich meine letzten sieben Monate vorbei und es heißt schon wieder Abschied von meinem Leben hier zu nehmen. Eigentlich verabschiede ich mich schon seitdem meine Zimmernachbarin Karoline im Juni zurück nach Deutschland abgereist ist. Die letzten Monate bin ich hier wirklich angekommen, habe mich so richtig eingelebt und so eine Art Privatleben entwickelt, das mir in den ersten Monaten noch unvorstellbar schien.
Meine Arbeit, das heißt meine Bewohner, sind mir viel zu sehr ans Herz gewachsen, aber ich habe in den letzten Monaten erfolgreich emotionale Distanz zurückgewonnen, sodass ich abreisen kann, ohne ein zu großes Loch in mein Herz zu reißen. Auch wenn ich zwei während meines Aufenthaltes verstorbenen Bewohnern recht nah gestanden habe, muss ich sagen, dass auch, oder gerade diese Menschen und Vorfälle, mich wachsen ließen und ich viel daraus gelernt habe und noch immer lerne. Meine Arbeit hier war und ist das wohl schönste und zugleich schrecklichste, was ich in meinem Leben machen durfte!
Doch was war denn da in den letzten Monaten los mit dem kleinen Kobold?
Workers’ Weekend im Januar
Was das ist, habe ich hier bereits erklärt. Wir haben als Reiseziel Ende Januar PRAG gewählt. Was für eine Stadt *schwärm*. Es lag noch ein wenig Schnee; der erste, den unser Ecuadorianer Juan jemals live gesehen und gefühlt hat! Wir hatten wunderbares sonniges, aber schneidend kaltes Wetter und wir Volunteers hatten eine wundervolle Zeit – vor allem den letzten Abend in einer Bar mit Cocktails und Live Salsa aus Cuba!
Dann hieß es wieder ein wenig arbeiten... bis März!
Neben Umgebungserkundungen, die hier in Irland jeden Tag etwas neues bieten, sind Karoline und ich Anfang März nach Cork (südlich gelegene, zweitgrößte Stadt Irlands) zu den Simon-Volunteers vor Ort gereist und hatten den ersten richtigen Frühlingstag, um diese farbenfrohe und wunderschöne Stadt zu erkunden.
Reisen
Am 13. März kam meine beste Freundin Rike dann zum zweiten Mal zu Besuch, um mit mir in Irland zu reisen. Wir machten uns auf den Weg nach Cashel, wo der heilige St. Patrick angeblich „das“ Kleeblatt gepflückt haben soll, an dem er dem damaligen König die heilige Dreifaltigkeit zu erklären versuchte, um die Christianisierung Irlands fortführen zu dürfen. Soviel zur Landeskunde :-). Als wir lange genug dort das Grün und die Sonne genossen hatten, ging es weiter nach Kilkenny.
„Wir servieren kein Kilkenny in Kilkenny“ – falls mir das jemand erklären kann, warum wir im Pub diesen Satz zu hören bekamen, bitte an mich wenden! Danke.
Da muss ich unbedingt noch mal hin! So eine atemberaubende Atmosphäre hatte ich nicht erwartet. Wir haben das meiste rausgeholt, aus unserer begrenzten Zeit, aber genug kriege ich weder von Freunden noch vom Land meiner Träume! Aber für den St. Patrick’s Day mussten wir pünktlich zurück in Dublin sein.
St. Patrick’s Day in Dublin „Die sind ja alle genauso bekloppt wie ich!“
Das war wohl das hübscheste Straßenfest, das ich mitmachen durfte! Das empfehle ich wirklich jedem! Ach.. *in Erinnerungen versink*. Ein Meer aus grünen Hüten, Kleeblättern, Kleidungsstücken, Bemalungen, Fahnen... jeder lächelte, jeder spazierte entspannt die O’Connell Street entlang oder stand lachend in Gruppen bei einander. Von der Parade kann man ab der dritten Reihe nichts mehr erkennen, aber das war fast nebensächlich. Diese Masse von Wahnsinnigen hat mich verzaubert! Und ich mittendrin HA!
Am 19. März fiel in Dundalk Schnee. Ich darf an dieser Stelle die Beschreibung eines handelsüblichen Reiseführers über den irischen Winter zitieren: „Der Winter in Irland ist bei um die acht Grad sehr mild.“ HA! Damit haben die mich wirklich drangekriegt. Ich musste mir doch glatt Handschuhe anschaffen?!
April – Deutschlandreise
Ich höre mich noch genau sagen: „Wenn mich jemand während meines Auslandsjahres sehen will, muss er/sie nach Irland kommen!“
Oh wie schlecht ich mich zu kennen scheine. Im April musste ich doch mal wieder nach Hause. Offiziell verteidige ich es als „unglaublich notwendig“, da ich meine Unis angucken und Bewerbungsvorbereitungen treffen „musste“!
Ich habe sehr viel Kraft tanken können, da die geliebten Menschen, die ich zurückließ, mich mit offenen Armen empfingen und mir stundenlang zugehört haben und auch selbst stundenlang neue Geschichten erzählen konnten. Ich glaube, dass ich doch eine sehr kraftsaugende Arbeit in Dundalk habe. Das merke ich alle paar Monate mal.
Was wir gelernt haben: wir haben „Indikator-Bewohner“. Das ist eine spezielle Person, die dich grundlos aus der Ruhe bringen kann. Aber auch nur, wenn du eine Pause und etwas Abstand zu deiner Arbeit brauchst. So jemanden hatten wir alle und es war sehr amüsant, die Personen und Situationen bzw. Eigenarten zu vergleichen!
Was mir jedoch dann aufgefallen ist, als ich in einer Bahn in Deutschland saß: ich will noch nicht zurück! Wenn ich hier in Irland bin, verstehe ich all die sinnfremden Gesprächsfetzen nur, wenn ich es will, also wenn ich zuhöre. Wenn ich nicht will, schalte ich einfach völlig ab. Das geht mit der eigenen Muttersprache nicht so einfach... Ich sehnte mich zurück zu meinen Bergen mit den grünen Wiesen hinter meiner grauen Stadt in dem die schlecht geschminkten und zu knapp in Gold-Glitzer gekleideten Irinnen durch meine Pubs und den schäbigen Nachtclub, der dank smoking ban so schrecklich nach Bulmers und Toilette riecht, wackeln... unglaublich aber wahr! Ich weiß all diese Kleinigkeiten zu schätzen und werde die Erinnerungen in meinem Herzen einschließen und an grauen, verregneten Tagen herausholen und wie einen Schatz in meiner Seele halten und bewundern!
Glendalough Der Garten Irlands
Workers’ Weekend Nummer 3 stand an und wir haben lange diskutiert und gerätselt, wohin und was wir alle wollen. Am Ende stand fest: Glendalough in den Wicklow Mountains!
ATEMBERAUBEND ist das einzig allumfassende Wort, das ich an dieser Stelle verwenden kann.
Da wir mittlerweile zwei neue Freiwillige in unserer Runde begrüßt hatten, war diese Reise kennen lernen und integrieren der sonnigen Art :-) Willkommen Ronan aus Irland und Alice aus Australien!
Belfast "Euer hostel war im Norden von Belfast? Bist du wahnsinnig?"
Bevor Karoline die grüne Elfeninsel verließ, sind wir noch mit unserer ehemaligen Mitfreiwilligen Emma auf einen 2-Tage-Trip nach Belfast gefahren.
Wir drei Mädels hatten eine wundervolle Zeit mit Belfast erkunden, Chinesisch essen gehen und tanzen im Pub. Das Schloss besichtigen und ein Stück den Berg hinauf zu „Napoleon’s nose“ wandern, war in der Sonne eine herrliche Abwechslung zum sonst so anderen Alltag. Eine Privattour im nordirischen Auto durch katholische und protestantische Nachbarschaften, um einen „echten“ Eindruck von der geschichtsträchtigen Stadt, die bis heute noch unter Anschlägen leidet, zu erhalten, war der Abschluss eines ereignisreichen Wochenendes im Norden.
Der Generationswechsel der Freiwilligen beginnt
An dem Tag, an dem meine geliebte Zimmermitbewohnerin abgereist war, bekamen wir sogleich Ersatz in Form eines 36-jährigen Iren namens Michael. Ein Stereotyp eines irischen Bauern! Unglaublich!
Ich komme recht gut mit ihm klar, aber sowohl „sehr“ männlich als auch „sehr“ irisch gab uns allen sehr zu schlucken. Sowas nennt man verspäteten Kulturschock :-).
... da waren es nur noch zwei...
Nachdem nach und nach meine „Familie“ abreist und sich die neuen Freiwilligen mit mir in Verbindung setzen, um mich über die kleine Stadt im Nordosten Irlands zu befragen, wird mir bewusst, dass es Zeit wird zu gehen. So sehr ich diese Stadt, dieses Land und vor allem diese Menschen hier zu lieben und schätzen gelernt habe: der Abschied voneinander ist gewiss!
Ich werde am 10. August meine letzte Schicht beenden, habe das Sommerfest am 11. August zu meiner inoffiziellen Abschiedsfeier ernannt und nachdem ich vom 14.-19. August mit Mutter und Onkel eine Abschiedsrunde in Irland gedreht habe (Inis Mór mit dem Fahrrad), werde ich am 20. August 2007 morgens um 10 Uhr deutscher Zeit in Berlin mein Auslandsjahr als „erfolgreich beendet“ abschließen.
Ich habe in meiner Vorbereitung auf mein Jahr in Irland viele Artikel von anderen Freiwilligen gelesen und immer, wenn sie ihre Gedanken über "Europa" mit uns Lesern teilten, musste ich lächeln. Wie sehr eine solche Erfahrung im europäischen Ausland das Denken und die inneren Einstellungen verändern kann, hätte ich nicht erwartet. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit und wünsche jedem zukünftigen Freiwilligen alles Gute!
Das heißt nicht, dass es mich für lange Zeit in Deutschland hält, denn ich komme nicht zurück nach Hause, sondern zurück nach Mitteleuropa und weitere Reisepläne sind schon in Arbeit ;-).
SLÁN and take care!
xx