Céline Dionová, Joanne Rowlingová, Hillary Clintonová, Angela Merkelová?!
Über die tschechische Eigenart weiblicher Nachnamen und Standpunkte dazu
Wer eine tschechische Zeitung aufschlägt oder beispielsweise einen Buchladen auf dem Staatsgebiet besucht wird womöglich Zeuge einer markanten Transfusion: An den lokalen Brauch angepasst werden weibliche Nachnamen (zumeist) mit der Endung -ová versehen. Dieses Vorgehen wird sowohl im In- als auch im Ausland kontrovers reflektiert.
Zunächst einmal jedoch zur Praxis: Auch, wenn eine Frau nach der Eheschließung den Namen ihres Mannes annimmt tragen am Ende nicht beide Partner wie zu erwarten denselben Nachnamen. Der Zuname der Ehepartnerin ist eine vom Namen des Mannes abgeleitete Version, in den meisten Fällen ergänzt mit dem Suffix -ová. Diese Prozedur durchlaufen in den meisten Medien auch fremdländische Namen, weshalb ich zum Beispiel schon bald nach meiner Ankunft im Gastland verstutzt ein Buch der Autorin Joanne K. Rowlingová in den Händen hielt. Dieses Verfahren entstammt uralten Gebräuchen und findet sich beispielsweise schon in frühesten tschechischen Niederschriften.
Im allgemeinen Sprachgebrauch drückt die Endung -ová eine Zugehörigkeit aus, in diesem Falle also die der Frau zu ihrem Gatten (vergleichbar mit „von …“).
Dies offenbart gleich die wohl offensichtlichste Begründung der Gegner: Ob wissentlich oder nicht, durch die aktuelle Praxis wird die Ehefrau als eine Art Besitzstück tituliert. Mit gegenwärtigen Vorstellungen wie Gleichstellung oder Emanzipation ist das wenig zu vereinbaren. Oppositionsgeister beklagen außerdem die „Verstaubtheit“ jener Manier da sie schon ein paar Jahrhunderte in dieser Form angewendet wird.
Ein weiteres Kontra-Argument ist die Komplikation im Ausland: Nur wenige Behörden bzw. Angestellte wissen um den tschechischen Brauch. So ist das Eheverhältnis auf den ersten Blick nicht sofort klar erkennbar bzw. die Familienzugehörigkeit, wenn nicht alle Mitglieder exakt den selben Nachnamen tragen. Des Weiteren kann es zu amtlichen Schwierigkeiten kommen, wenn ein in einem anderen Land zur Welt gekommener Sohn beispielsweise plötzlich nicht wie die Mutter Grossová, sondern Gross heißen soll.
Dem jüdischen Talmud wird ein Zitat zugeschrieben, in dem es unter anderem heißt: „Achte auf Deine Worte, denn sie werden Deine Taten! Achte auf Deine Taten, denn sie werden Deine Gewohnheiten! Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter!“ In diesem Sinne beklagt Mancher, dass es eine unterbewusst durch alltägliche Sprache transferierte Diskriminierung des weiblichen Geschlechts gibt. Und das nicht nur durch die Gestaltung des Nachnamens.
Auf den Gegenwind hin wurden inzwischen die gesetzlichen Regelungen so geändert, dass eine Frau sich die Nachsilbe bei der Heirat nicht anhängen muss. Allerdings gibt es für diesen Fall weitere Auflagen: Sie muss einer ethnischen Minderheit angehören, einen dauerhaften Wohnsitz in einem anderen Land haben oder einer der Ehepartner muss Ausländer sein. Wer bei der Geburt einen auf –ová endenden Nachnamen bekam kann sich dieses Suffix nachträglich entfernen lassen. Daneben ist es bei nichttschechischen Namen der Frau überlassen, ob sie bei der Heirat den Nachnamen des Partners mit oder ohne Suffix annehmen möchte. Prinzipiell werden nach dem Personenstandsgesetz Familiennamen ohne „-ová“ als maskulin angesehen.
Die Problematik bekam sogar politische Tragkraft: Im Präsidentschaftskampf 2013 sprach sich der (unterlegene) Anwärter Přemysl Sobotka für ihre Abschaffung aus. Im Hinblick auf diese Thematik hatte er auch gut ein Viertel der Wahlberechtigten auf seiner Seite.
Anderen, die Praxis unterstützenden, Stimmen zufolge ist eine Beibehaltung ein Stück Brauchtumspflege und Bewahrung jahrhundertealter Tradition. Sie begründen sich besonders im Hinblick auf einen befürchteten Identitätsverlust durch Globalisierung und internationale Angleichung.
Des Weiteren wird die Zweckdienlichkeit im Sprachgebrauch angeführt. Im Unterschied zu vielen anderen Sprachen werden beispielsweise im Tschechischen die Personennamen mitdekliniert. Vergleichbar ist dies mit der altertümlichen, dem Latein entlehnten Flexion von Namen. Beispielsweise in Bibeltexten findet sich zuweilen auch im Deutschen neben dem Nominativ „Johannes“ die Genitivform „Johannis“, der Dativ „Johanni“ oder Akkusativ „Johannem“. Neben der lateinischen zeigen auch baltische Sprachen dieses Charakteristikum. Die „genormten“ Nachnamen erleichtern also eine grammatikalisch korrekte Verwendung und auch die umgehende Erkennung des Geschlechts.
Welchen Standpunkt man nun auch vertritt – Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass der tschechische Brauch mit der Zeit immer mehr an Bedeutung verlieren wird. Ob nun aus sprachphilosophischen Gründen oder einfach durch Prozesse der Internationalisierung.
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