Meine erste Arbeitswoche
Endlich konnte auch Amselles Projekt in einer Madrider Sprachschule starten, nachdem einige finanzielle Verzögerungen für Unsicherheit gesorgt hatten. Ab nächster Woche wird es ernst: dann muss sie ganz alleine ihren Sprachschüler Sprachunterricht erteilen.
Und wieder ist die Zeit wie im Flug vergangen, sodass ich mich langsam wirklich sputen muss, alles niederzuschreiben, was mir in den letzten drei Wochen so passiert ist, damit es sich nicht alles wieder verflüchtigt in meinem Kopf, der immer noch täglich mit vielen neuen Eindrücken bombardiert wird.
Ich fühle mich rundum wohl in meinem neuen Zuhause auf Zeit, wirklich, ich kann mich über so gut wie nichts beschweren!
Zwar tauchte schon das erste wirklich nicht zu unterschätzende Problem auf, was wir dann aber mit ein paar Anrufen und dem Besuch des EFD -Koordinators von Madrid in seinem Büro zumindest geklärt haben. Wir machten uns Ende September große Sorgen, weil unser Geld von der Nationalagentur nicht eingetroffen war. Deshalb mussten wir den ersten halben Monat von unserem eigenen Geld leben, bis unser Tutor Arturo einen Kredit von der Bank aufgenommen hatte. Wir hatten schon Angst, unsere Projekte würden gestrichen und wir würden alle wieder nach Hause geschickt werden. Doch dann stellte sich heraus, dass bisher noch gar kein Geld aus Brüssel für alle spanischen Projekte, die jetzt beginnen, an die spanische Nationalagentur geflossen war.
Daher konnte die natürlich auch noch nichts weiter überweisen, was eben problematisch für manche Aufnahmeprojekte war, die keinerlei Reserven hatten. Zusätzlich hat unser Tutor Arturo eine Projektabrechnung vom letzten Jahr zu spät eingereicht, weshalb sie nicht akzeptiert wurde und er erst das ausstehende Geld zurückzahlen muss, bevor weitere Gelder fließen werden. Das ist alles ziemlich kompliziert und gerade meine persönlichen „Behördengänge“ haben mir bewusst gemacht, wie bürokratisch und verschachtelt der EFD eigentlich ist.
Don’t wash and bake
Meine Mitbewohner sind weiterhin super nett. Wir passen sozusagen gegenseitig auf einander auf, wenn einer krank wird, teilen oder leihen uns gegenseitig Essen, gehen zusammen weg, und, und, und. Mit den gelegentlichen Stromausfällen kann ich leben. Auch damit, dass man nicht gleichzeitig Wäsche waschen und duschen kann, weil der Wasserdruck zu niedrig ist. Oder die Benutzung der Mikrowelle zusammen mit dem Ofen oder der Waschmaschine oder dem Bügeleisen stets dazu führt, dass die Sicherung rausfliegt. Das ist wirklich fast schon ein Ritual: „Klack“ ...Schwärze... „Oooooh, is anybody using the oven?“ „DON´T use the microwave – I´m washing!!!“ „Oooops, I forgot, I´m sorry!!!“ „Oliver? How do we repair this bloody thing?!“ und so weiter und so fort.
Auch mit meiner neuen Umgebung habe ich mich angefreundet. Ich bin inzwischen sogar so weit, dass ich sage, ich wohne lieber in Leganés als in der Innenstadt Madrids, weil die Lage unserer Wohnung in der Fußgängerzone nicht besser sein könnte und um uns herum alle Häuser maximal drei Stockwerke haben. Alles ist ein bisschen kleiner, beschaulicher, stressfreier. An der Puerta del Sol, dem Zentrums Madrids, bin ich ja alles in allem in 30 Minuten, was verhältnismäßig wenig Zeit ist.
Escuela Oficial de Idiomas Villaverde
Nun zu meinem Arbeitsplatz, der Escuela Oficial de Idiomas Villaverde: Sie liegt in einem südlichen Stadtteil von Madrid namens Orcasitas, der einen weniger guten Ruf hat, so wie generell der gesamte Süden Madrids. Was meine eigenen Augen allerdings bisher gesehen haben war ganz normal. Normale Häuser, normaler Bahnhof... Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, jemand könnte mich gleich überfallen, wenn ich die zwei Minuten vom Bahnhof zur Schule laufe. Auch meine Schüler, die größtenteils in der näheren Umgebung wohnen, sind ganz normale Menschen, nicht irgendwie verwahrlost oder ungebildet.
Meine Arbeit, wenn man das überhaupt Arbeit nennen kann, gefällt mir richtig gut. Das Klima an der Schule ist sehr angenehm und die Schüler, die ja dafür bezahlen, dass sie etwas lernen, sind auch „pflegeleicht“, interessiert und freundlich. Am meisten überrascht hat mich, wie viele es sind und wie groß der Alterunterschied ist. Es gibt sowohl Jugendliche als auch Studenten, junge Arbeitnehmer, solche mittleren Alters und Rentner in den Kursen.
Dieses System der offiziellen Sprachschulen, die sehr stark vom Staat subventioniert werden, gibt es in der Art bis jetzt nur in Spanien. In Deutschland lernt man Sprachen wohl eher als junger Mensch in der Schule. Später nicht mehr. Da hier allerdings das Unterrichtsniveau von Sprachen in der Schule recht niedrig ist und manche selbst nach acht Jahren Englischunterricht kaum sprechen können, erklärt sich wohl, warum EOIs gebraucht werden. (Escuelas Oficiales de Idiomas)
Nuestros collegas
Mein Kollegium (ja, ja, ich habe alle Schlüssel, darf immer ins Lehrerzimmer zum Kaffee trinken und Süßes essen, in den Kopierraum, auf die Lehrertoiletten...) ;) umfasst nicht mehr als 16 Lehrer, samt drei netten Sekretärinnen, weil die Schule sehr klein ist und nur Deutsch, Englisch und Französisch anbietet. Alle duzen sich, sind vornehmlich recht jung und wirklich freundlich, stets bemüht, mich in ihre Gespräche mit einzubeziehen oder mir zu helfen. Es ist schön, endlich wieder Spanisch mit Muttersprachlern reden zu können!
Zurzeit unterrichten Miguel-Angel und Coral Deutsch. Coral wird aber wahrscheinlich wieder aufhören, weil Lola zurückkommt, die wegen ihrer Risikoschwangerschaft krank geschrieben war. Wirklich lustig, Miguel –Angel wird im November zum ersten Mal Papa, Lola bekommt gerade Zwillinge und Coral hat eine gerade mal ein Jahr alte Tochter. :) Sie sind wirklich sehr nett, lassen mir alle Freiheiten, und da Coral selber gerne wieder Deutsch mit Muttersprachlern sprechen würde, treffen wir uns jetzt jeden Samstag für zwei Stunden „Konversation“. Sie kann mir dann beim Spanisch verbessern helfen und ich ihr mit ihrem Deutsch.
Bis jetzt habe ich Miguel-Angel oder Coral nur in ihre Kurse begleitet, selber aber noch nicht alleine unterrichtet. Wenn der Unterricht dann aber erstmal richtig angelaufen ist, werden wir die Klassen immer teilen und dann in kleineren Gruppen weiterarbeiten, wo ich dann eben auch alleine unterrichten muss.
Konversationsstunden und Internet
Ab nächster Woche gebe ich dann zweimal pro Woche Konversationsstunden. Ich hoffe natürlich, dass viele Schüler freiwillig kommen, aber das hängt wohl auch von mir und meiner Art und den Themen ab. Darauf habe ich schon richtig Lust. Sowieso, hier kann ich eigentlich alles machen, was den Schüler irgendwie beim Erlernen der Sprache zu Gute kommt. Ich werde also sicher auch Ausflüge zu einigen Veranstaltungen des Goetheinstituts anbieten, oder aber auch mit den Schülern ins Kino gehen. Da die Sprachschule seit diesem Schuljahr auch einen Computerraum hat, musste ich mich schon mit dem Einrichten von Intranetzwerken (auf Spanisch – aaaargh) herumschlagen, die dann doch nicht funktionieren. War aber sehr erheiternd. Für die Arbeit am Computer soll ich für die deutsche Abteilung Sprachprogramme, interessante Texte und Infos Im Internet suchen, die die Schüler dann in Eigenarbeit ausprobieren können.
Wenn ich nichts zu tun habe, bleibe ich einfach in meinem Departamento Alemán (sozusagen das Lehrerzimmer der Deutschlehrer), wo ein PC mit Internetanschluss steht, und vertreibe mir die Zeit mit Brigitte lesen (die liegen hier zuhauf herum), im Internet surfen, Videos und DVD ordnen (wirklich viele gute deutsche Filme, die ich selber noch nicht gesehen habe) und Lehrmaterial durchsehen und Stunden vorbereiten. On-Arrival_Training bin, welches heute beginnt, erzähle ich dann von meinem aufregenden letzten Wochenende in Salamanca und allem, was ich sonst noch so getrieben habe hier.