Mein erster Monat
Silversky lebt nun seit vier Wochen in Bratislava, der Hauptstadt der Slovakei. Die Zeit hat sie genutzt, sich etwas einzufinden. Nun erzählt sie von ihren ersten Schritten und Erlebnissen, von Abschied nehmen bis Zufriedenheit, von Kino und Kinderkarussellen.
Jetzt bin ich wirklich schon fast vier Wochen hier. Ich habe für meine Zeit hier irgendwie jedes Zeitgefühl verloren. Manchmal erscheint es mir, als wenn ich gestern erst angekommen wäre. Dann ist es aber auch wieder schon so lange. Und dann kommt auch immer wieder der Gedanke, dass es gar nicht mehr so lange dauert...
In vier Wochen kann man Bratislava, die Hauptstadt der Slowakei, in der ich zurzeit meinen Freiwilligendienst leiste, schon ganz gut kennen lernen. So groß, wie man sich eine Hauptstadt vielleicht vorstellt, ist es hier nämlich nicht, aber das ist nicht schlimm, es gibt alles, was man brauchen kann und man kann auch alles gut und schnell erreichen. Das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist sehr groß. Und ich kann mich darin jetzt auch schon zurechtfinden, weiß langsam, wie die wichtigsten Haltestellen heißen und weiß, dass es hier üblich ist, für ältere Menschen aufzustehen. Das soll in Deutschland ja auch so sein, aber hier klappt es auch wirklich.
Die ersten Wochen war das Wetter hier total super und man konnte auch noch im Park sitzen und relaxen. Jetzt ist es leider schon ziemlich kalt geworden, aber es gibt auch genug kleine Cafés und Teestuben in denen man sich aufhalten kann. Man merkt schon, dass Bratislava eine Studentenstadt ist. Ansonsten bin ich echt überrascht. Ich hatte zwar nicht viele Erwartungen, aber ich habe echt gedacht, dass man sich mehr wie "im Osten" fühlt. Das ist aber wirklich nicht so. Man merkt zwar, dass es hier nicht der "westliche Standard" vorherrscht, aber man merkt, dass er langsam hierhin durchkommt. Im Moment gibt es also beides, die Gemüsemärkte mitten in der Stadt und die großen Shopping-Center. Auch die Frage einer Freundin, ob die Supermärkte hier anders seien, konnte ich mit Nein beantworten. Es gibt zwar ganz viele kleine Tante Emma Läden, aber die größeren Supermärkte sind nicht anders als die in Deutschland. Es gibt auch total viele deutsche Marken und sogar richtig deutsche Produkte, auf die slowakische Aufkleber mit den Inhaltsstoffen geklebt werden.
Aber mal zu meiner Ankunft hier. Die war ja, bevor ich die Supermärkte und die Stadt erkunden konnte: Am Flughafen waren ganz viele Leute, über die ich mich sehr gefreut habe. Als es dann ans Verabschieden ging, wurde es schon irgendwie schwer. Meine Eltern, meine Oma, mein Freund und meine Freunde... Die Frau am Gate hat mich gefragt, ob ich Flugangst habe, weil ich am Weinen war, aber die Sorge konnte ich ihr nehmen.
Der Flug war gut und ich bin auch gut vom Wiener Flughafen nach Bratislava gekommen. Dort wurde ich von der finnischen Freiwilligen und meiner Mentorin abgeholt und zu meinem Zimmer gebracht. Die Wohnung, in der auch Heini, die Finnin und noch eine Frau wohnen, ist ganz niedlich. In dem Haus wohnt auch mein Chef, es gehört ihm. Mein Zimmer ist sehr groß, ich habe ganz viele Schränke und einen riesigen Kleiderschrank. Das ist schon etwas gemein, denn als Freiwilliger nimmt man ja nicht seine gesamten Sachen mit. Der Schrank wird also nie richtig gefüllt sein, aber das macht ja nichts.
Da ich an einem Freitag angekommen bin, hatte ich über das Wochenende erstmal Zeit auszupacken und das erste Mal durch die Stadt zu laufen. Heini hat mir das gezeigt, was sie schon kannte, denn sie ist drei Wochen länger hier als ich.
Gleich am Sonntag sind wir dann auch ins Kino gegangen. Die ausländischen Filme werden hier nur untertitelt, das ist für mich – als leidenschaftliche Kinogängerin – super. Wir waren in einem Film-Klub, von denen es hier ganz viele gibt, sehr cool. Die Leinwand war etwa 3,5 mal 1,5 Meter groß und es gab vielleicht fünfzig Plätze. Und der Eintritt ist bei etwa 2 Euro auch zu bezahlen. Es gibt aber auch die großen Multiplex-Kinos in denen die aktuellen Filme laufen. Daneben gibt es auch noch Ein-Saal-Kinos, die auch aktuelle Filme zeigen, dabei aber etwas wie Propaganda-Kinos aus den kommunistischen Zeiten aussehen...
Montag sollte dann also mein erster Arbeitstag sein. Dachte ich jedenfalls. Aber mein Chef sagte, dass ich in der ersten Woche erstmal die Stadt kennen lernen und mich einleben soll. Das fand ich ja nett. Ich bin dann die ganze Zeit hinter anderen Leuten her gerannt, die mit mir durch die Stadt gelaufen sind, und war ständig total müde. Das hat sich so langsam gelegt. Und da ich mich jetzt auch in der Stadt auskenne, muss ich nicht mehr nur hinterherlaufen, das ist auch schön.
Am folgenden Wochenende waren Heini und ich auf einem Weinlesefest in Pezinok, das uns unser Chef empfohlen hat. Da war es auch ganz schön, wir haben die Fahrgeschäfte ausprobiert und ich musste feststellen, dass die in Deutschland wahrscheinlich nie durch den TÜV kommen würden, aber hier können sogar kleine Kinder ohne Begleitung rein. Na ja, ist halt so.
Da unser Sprachtraining hier leider nicht so richtig klappt, ist es auch immer wieder ein kleines Abenteuer irgendwo etwas zu bestellen, auch wenn wir uns das wichtigste jetzt schon selbst beigebracht haben. Hier in der Hauptstadt kommt man auch irgendwie mit deutsch und englisch durch, aber trotzdem verstärken die fehlenden Sprachkenntnisse das Gefühl des Fremdseins natürlich noch einmal. Das ist echt komisch. Eine große Stadt, und man kennt fast niemanden. Und niemand kennt einen. Für mich ein neues, ungewohntes und wohl auch unangenehmes Gefühl.
Dieser Aspekt mit der Tatsache, dass ich in der zweiten Woche krank geworden bin und Heini weg war, führte dazu, dass ich mich schon einsam gefühlt habe und Heimweh gekriegt habe. Sonst geht es mit dem Heimweh wirklich gut. Ich vermisse nur meine Familie, meine Freunde und natürlich meinen Freund. Und ein paar kleine Sachen, die aber nicht so gravierend sind.
Letztes Wochenende waren meine Eltern hier. Das war schön, einerseits, weil es eben vertraute Menschen waren. Andererseits aber auch, weil sie mir noch zwei Taschen mit meinen Sachen gebracht haben... ;) Ich weiß zwar noch nicht, wie ich das ganze wieder nach Deutschland kriege, aber das klappt schon irgendwie.
Bis dahin war ja auch schon etwas Zeit vergangen und man sollte meinen, dass ich mal anfangen würde zu arbeiten. Aber nein, ich gehe jeden Tag in das Büro meiner Organisation, die Freizeitangebote und Freizeiten für Jugendliche anbietet, und habe hier die Möglichkeit meine persönlichen Mails zu beantworten und im Internet zu surfen. Nachdem ich zwei Homepages auf von Englisch auf Deutsch übersetzt habe, habe ich jetzt erstmal nichts mehr zu tun. Deshalb freu ich mich umso mehr auf das „On-Arrival-Training“, das am Freitag beginnt. Es ist ganz im Osten der Slowakei, und ich freue mich drauf, ein paar Leute zu treffen, die ich schon kenne, andere deutsche Freiwillige. Danach bleibe ich noch für zwei Wochen im Osten und bin da in einer Schule mit im Englischunterricht. Ich weiß noch nicht soviel darüber, aber ich werde es ja sehen.
Das ist sowieso auch eine ungewohnte Erfahrung. Ich bin es aus Deutschland gewohnt, dass Pünktlichkeit wichtig ist. Und meistens ist auch alles, was man tut, geplant. Hier erscheint alles etwas unorganisiert und 15 Minuten Verspätung sind nicht ungewöhnlich. Aber das macht nichts, ich habe hier keine Eile, und wenn ich Stress haben will, dann muss ich ihn mir schon selbst machen. Zeit habe ich also. Da ich im Moment ja nicht so viele Sachen zu tun habe, habe ich mir auch schon Strickzeug gekauft. Aber ich hoffe ja trotzdem noch, dass ich nicht sooft dazu komme, zu stricken... ;)
Der nächst Eintrag wird also wohl erst Anfang November sein, wenn ich wiederkomme. Es sei denn, ich habe in Revuca die Möglichkeit ins Internet zu gehen. Nachdem der erste Eintrag auch einen Monat gebraucht ha,t und deshalb natürlich viele kleine Dinge nicht drinstehen, gibt es dann aber auch regelmäßiger was zu lesen, denke ich jedenfalls.
Ach ja, wenn ich dann im November wieder hier bin, dauert es auch gar nicht mehr so lange, bis Daniel, mein Freund, mich besuchen kommt. Wir fliegen dann zusammen zurück nach Deutschland, da ich über Weihnachten doch gerne zu Hause sein möchte. Da freue ich mich schon sehr drauf, aber ich hoffe, dass sich die Situation hier noch etwas ändert, sodass die Zeit nicht so lang erscheint. Denn wenn man nichts Richtiges zu tun hat, also keine Aufgabe, dann kann es schon etwas langweilig werden, obwohl es hier ja viel zu entdecken gibt. Aber ich bin ja nicht hier um neun Monate Urlaub zu machen. Deshalb wäre etwas Arbeit im Sinne des Aktionsprogramms Jugend doch ziemlich cool. Mal sehen, vielleicht hat sich was getan, wenn ich aus Revuca wiederkomme.