Ungarisches Kranksein
Weit weg von einer liebevoll umsorgenden Familie in einem Land zu erkranken, dessen Sprache man noch nicht ganz mächtig ist, ist eine Herausforderung der besonderen Art. Julia hat sich ihr gestellt und befindet sich inzwischen schon auf dem Weg der Besserung.
Hallo alle miteinander! Ich bin krank!!! Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass ich beim Aerobic war und mein Körper das nicht verkraftet hätte. Wir waren so dumm, nach einer Party nachts noch durch ganz Pécs zu watscheln, während es eisekalt draußen war. Also hatte ich am nächsten Tag tierische Halsschmerzen und habe bei der Arbeit gefragt, ob sie nicht mal einen Doktor hier in Pécs herausfinden können, der deutsche Freiwillige behandelt. Zwei Minuten später hatte ich einen Termin. Lazi (Jules Freund) sollte mich hinbringen, weil ich keinen Plan hatte, wo das sein sollte. Ich war nachher echt froh, dass er mit dabei war.
Aber der Reihe nach. Ich bin also noch schnell nach Hause und habe die ganzen Zettel von meiner Versicherung geholt, mir auf dem Weg zum Arzt noch mal alles durchgelesen und dachte, dass ich nun mit allen Wassern gewaschen war. Wir kamen also an diesem Haus an und an der Rezeption musste man sich einen Zettel mit seinem Namen drauf geben lassen, der einem erlaubt, durch dieses Haus zu gehen. Ich bin also mit meinem Zettel in der Hand hinter Lazi her. Wir kamen dann in einen langen kalten Flur zu einer Tür, wo der Name des Doktors draufstand, den ich besuchen sollte.
Ich hatte schon fast die Klinke in der Hand als Lazi meinte: NEM!! Ich total erschrocken wieder zurück. Wie konnte ich auch wissen, dass diese Tür gleich zum Behandlungszimmer führt und gerade jemand in der Behandlung war (wäre das peinlich gewesen...). Man musste also draußen in diesem kalten Flur warten und ich habe richtig gemerkt, wie ich noch kranker wurde. Mein Termin war um 14:45 Uhr, um 16:00 Uhr saß ich immer noch draußen und hab mir den Hintern abgefroren... Ab und zu kamen ein paar Schwestern raus, gingen wieder rein... Sehr beschäftigt sahen sie ja alle aus. Etwas später kam ein weißbärtiger alter Mann raus, der der Doktor zu sein schien. Er ging und kam auch nicht wieder.
Dann durfte ich rein, immer noch meinen Ich-darf-durch-das-Gebäude-laufen-Zettel und meine Versicherungsunterlagen in der Hand. Da saßen nun zwei Schwestern. Eine hat ein bisschen Englisch gesprochen. Lazi erklärte ihnen noch, was mein Problem ist und verdrückte sich dann. Mit Händen und Füssen erklärte mir die Schwester, was ich zu tun habe und untersuchte mich. Dann sagte sie ich hätte dies und das (keine Ahnung, was sie sagte) und verschrieb mir zwei Rezepte. Ich fragte sie noch, ob sie einen meiner Zettel bräuchte, aber die interessierten sie nicht im Geringsten.
Dann stand ich also wieder auf dem kalten Flur und wollte zur Apotheke. Ich also runter, wollte an der Rezeption vorbei, aber oh schreck, ich hatte meinen Ich-darf-durch-das-Haus-laufen-Zettel im Behandlungszimmer liegen lassen... Also noch mal zurück. Irgendwann bin ich dann aus diesem Haus wieder herausgekommen und stand dann etwas später auch vor der Apotheke. Die hatte aber schon geschlossen, es war 17.00 Uhr. Ich bin danach also durch ganz Pécs gedüst und habe eine Apotheke gesucht, aber keine hatte offen. Und so etwas wie einen Nachtdienst gibt es hier nicht. Meine Laune und auch mein Gesundheitszustand waren bis dahin merklich gesunken, denn es hatte auch noch angefangen zu regnen und, wie ich ja schon mal erzählt habe, verwandelt sich Pécs in einen Fluss, wenn es regnet.
Der Bus, mit dem ich dann endlich ohne Medikamente nach Hause gefahren bin, war auch noch undicht, sodass es reinregnete. Zu diesem Zeitpunkt verfluchte ich Ungarn. Ich dachte, dass die hier nichts auf die Reihe kriegen. Dann war ich endlich zu Hause, packte mich ins Bett, bemitleidete mich selbst und wollte meine Mama, die sich um mich kümmert. Aber es war keiner da, weil die anderen noch im Kino waren.
Am nächsten Tag bin ich zur Apotheke und habe endlich meine Medizin bekommen, allerdings wusste ich gar nicht, was das ist, und womit die mich hier vollpumpen. Also hab ich erstmal eine Email nach hause geschrieben, wo sie dann herausgefunden haben, dass ich Antibiotika nehme und dass ich wahrscheinlich eine Angina habe. Dann lag ich also zu Hause im Bett und langweilte mich, weil halt keiner da war, es nur ungarisches Fernsehen gab und ich keine Bücher zum Lesen mehr hatte... Alles ist schrecklich gewesen, sodass ich am nächsten Tag auch wieder auf Arbeit gegangen bin.
Jetzt noch kurz, warum die Schwester meine Versicherungszettel nicht brauchte: Sie hat mich einfach als eine andere Patientin abgerechnet. Das hab ich herausgefunden, weil auf dem Rezept nicht mein Name, sondern der Name einer 49jährigen Frau stand. Damit ist es ja auch unmöglich, das Geld für die Medizin zurückzubekommen, aber wenigstens geht es mir jetzt besser und ich werde so langsam wieder gesund.
Krank in Ungarn, das ist schon echt ein Abendteuer....
Love Julia