Handküsse und andere Dinge
Internetcafés sind schon eine wunderbare Erfindung. Dank eines solchen Ortes kann Julia uns von ihrem spaßigen Leben in Pécs berichten: von galanten jungen Männern bei ihrer Arbeit oder von Freude bringenden Handarbeiten und andern Betätigungen.
Hallo, jetzt hab ich schon so viele Emails gelesen, dass ich gar nicht mehr so richtig weiß, was ich noch schreiben soll. Mir geht es immer noch sehr gut, obwohl der Himmel heute beschlossen hat, uns den ganzen Tag pitschenass werden zu lassen. Da macht es dann auch weniger Spaß, durch die Gegend zu laufen oder irgendwelche Open Air Festivals hier in Pécs zu besuchen.
Aber wir machen uns unseren Spaß. Die Dinge in unserer WG haben sich wieder geklärt, und so denke ich, werden wir den Abend mit was Leckerem Gekochten ausklingen lassen. Der Tag war ja auch reichlich aufregend. Heute Vormittag hab ich mit einigen Behinderten einen Vorhang für den Theaterworkshop genäht. Hat allen sichtlich Spaß gemacht – vor allem, weil wir nicht einfach nur genäht haben, sondern uns dazu auch verkleidet haben. War also eine lustige Runde.
Überhaupt gefällt mir die Arbeit immer besser, weil ich meinen kreativen Ideen echt freien Lauf lassen kann, und es ist alles da, um sie zusammen mit den Behinderten zu verwirklichen. Nach dem Mittag – was im Gegensatz zu sonst echt der Hammer war – sind wir zum Sportkurs in eine Grundschule hier in der Nähe gefahren. Die anderen Betreuer sind dann allerdings recht bald, auf mir noch unerklärliche Weise, verschwunden, und so saßen wir alleine mit der Sportlehrerin da. Das war auch recht schön – solange der Sportkurs dauerte. Doch als der zu Ende war, wussten wir nicht wohin, und unser Ungarisch ist trotz Sprachkurs noch nicht das Beste. Also: sollten wir nach Hause fahren oder hier warten? Wir haben dann jemanden gefunden, der uns mitteilen konnte, dass normalerweise gewartet würde, bis die Leute vom Wohnheim die Behinderten abholen. So schwer war das eigentlich gar nicht, aber es hätte eben auch schief gehen können, weil ich einige der Behinderten noch nicht einschätzen kann und nicht weiß, wer in einem Anfall auch auf andere losgeht. Glücklicherweise ist jedoch nichts passiert.
Ab nächste Woche haben wir wahrscheinlich auch unseren eigenen Workshop. Wir werden nämlich Backen! Da freu ich mich schon ganz besonders drauf. Vorerst wird sich dieser Workshop auf einmal die Woche beschränken, aber das lässt sich ja noch ändern...;-).
Hatte ich eigentlich von Rita erzählt? sie hängt auch weiterhin an meiner Hand. Das macht mir aber nicht viel aus (außer beim Essen vielleicht), denn sobald es dann was zu tun gibt, hilft sie auch kräftig mit. Und beim Mittag tut sie mir immer als erstes auf. Und dann auch noch eine Portion, die für zwei reichen könnte. Aber ich find das gut, dass uns die Behinderten so aufgenommen haben. Auch Victor, der normalerweise mit niemandem kommuniziert, schenkt mir ab und zu ein Lächeln und begrüßt mich jeden Tag mit einem Handkuss. In Ungarn gibt es halt noch andere Sitten. Hier müssen die Frauen auf dem Gehweg auch innen laufen, also nicht am Rand zur Strasse. Sehr eigentümlich, aber ich find das schon gut, dass man hier GENTELMAN noch groß schreibt.
Das war’s jetzt erstmal von mir, ich muss das Internetcafé jetzt leider verlassen, nicht, weil mich das zu teuer kommt (nur 30 Cent die Stunde!!!), sondern weil das Café jetzt schließt.
Also dann bis bald.
Love Julia