Fremdsein als Schritt zum Glück
Licht und Schatten
Geboren in eine fremde Welt, überflutet von Eindrücken, dem Spiel des Lebens hingegeben, bedeutet Fremdsein den ersten Schritt zum Ankommen. So fern denn das Gefühl, sich fremd zu fühlen überhaupt ein Ende hat. Täglich neue Menschen in einer amorphen Umgebung; nur das Gewohnte bietet Schutz vor den reißenden Wellen der Wandlung. Aber nach dem Tal kommt zwangsläufig ein Berg. Normalerweise. Selbst die Gefangenschaft im Strudel der Wirklichkeit hat ein Ende und schlussendlich zerbersten die kristallinen Wände, die einen vielleicht in Isolation, in sozialer Quarantäne gehalten haben, in Millionen winziger Partikel, die wiederum das Licht der Schönheit, der Diversität, der Liebe zwischen Menschen, Völkern, Fremden, alten Freunden und neuen Bekanntschaften, in alle Herzen reflektieren und in unendlich viele, atemberaubende Farbkombinationen verwandeln. Sich fremd fühlen ist nur eine Stufe. Eine Stufe auf jedes Einzelnen „Stairway to Heaven“. Wie viele davon existieren, hängt von jedem persönlich ab, davon ob man dem Fremdsein einen Sinn verleihen will, davon ob man sich Hals über Kopf in etwas stürzen möchte, davon ob man dem zu Hause einen Wert schenken kann oder nicht.
Fremdsein ist letztendlich nur ein Vergleich zwischen sich selbst und dem, was man sieht. Ein fehlendes Zugehörigkeitsgefühl, eine Konkretisierung der Gegebenen, nämlich auf die im ersten Moment einzig plausible Schlussfolgerung: das Anderssein. Einzig und allein im primitiven Prozess, des Potenzierens unbedeutender Gewohnheiten, macht man ein Fazit über eine der vielen Verpackungen des Produkts Leben, das aber dasselbe Ergebnis verspricht: Glück, Höhen, Tiefen, Krankheit, Verzweiflung, Liebe und Tod. Folglich ist das Gefühl nichts, vor dem man Angst haben sollte. Nur eine halbdurchlässige, geleeartige Wand, die durchquert werden will und muss. Fremdsein ist eines der weniger schlimmen Phänomene dieser Welt und man kann das Problem nur durch Offenheit und Warmherzigkeit ausräumen. Dann darf man sich aber auch nicht über die „Fremden“, die Flüchtlinge in Europa beschweren, die sich noch viel fremder fühlen. Fremd, unbehaglich und ungewollt. Denn meistens ist man nicht freiwillig fremd. Man wird zu einem Fremden gemacht. Wie wäre es denn, wenn man den Zeitraum des Gefühls auf einen Bruchteil reduzierte? Einfach den Prozess überspringt, von einer Gesellschaft in die andere diffundiert? Nein, so einfach ist es nicht. Jedoch aus dem plumpen Grund sich elementar unterscheiden zu müssen und zu beweisen, dass man anders, vielleicht besser ist. Doch wir wissen alle, dass es um Längen simpler wäre, sich den Wogen der Diversität hinzugeben und sich hinaustreiben zu lassen, in den Ozean des Seins. In Gesellschaften, die keine Ausgrenzung brauchen, weil sie es nicht nötig haben. In soziologische, metaphysische Gegebenheiten, die das Recht darauf haben Fortschrittlich genannt zu werden und dem einundzwanzigsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung seine Würde zurückgeben.
Aber fühle ich mich fremd? Natürlich. Tag für Tag. Auf der Straße, in der WG, im Café, sogar in der eigenen Haut. Finde ich das schlimm? Nein. Denn es beweist, dass ein jeder Tag, jede Begegnung, jedes Gefühl an Bedeutung gewinnt und das Leben bereichert. Es ist nur ein Schritt auf dem Pfad des Individuums. Ein Schritt in dem einen Leben, das uns gegeben ist und geschätzt werden soll. Ein Schritt in dieser wunderbaren Welt, in diesem wundervollen Europa.
Epilog: Licht und Schatten
Ich sitze da und frage mich, wo meine Blütezeit jetzt bleibt
Achtzehn Jahre, viel erlebt, aller immer alles gleich
Die Einsamkeit alleine ist wie Sehnsucht zu zweit
Das Bier schmeckt anders hier, sie sind noch nicht so weit
Die Stadt mit ihren Gesichtern lacht höhnisch über mich
Aber alles was ich will, ist gottverdammt nur mich
Die Menschen um mich rum, sind zufrieden mit sich selbst
Sie reden über gar nichts, über Gott und die Welt
Wie ein Schatten in den Straßen, bin ich nah und immer fern
Aus Holz und Stein und Fleisch und Blut, war ich immer der
Der alles sieht und lacht und weint aber immer noch nicht der
Der sagt und meint und fasst und schreit, für euch alle hier.
Und ich geh weg und du bleibst hier
Und auch wenn ich mal fort bin, bin ich immer noch bei dir.
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