Über die Bretter, die mir die Welt bedeuten
Theatererfahrungen in anderen Sprachen
Olsztyn ist vielleicht nicht groß genug, um über mehrere, ungewöhnliche Spielstätten zu verfügen, aber neben dem Theater mit angegliederter Schauspielschule gibt es zahlreiche Amateurgruppen. An eben so einer in englischer Sprache habe ich mich für „Romeo und Julia“ beteiligt. Unsere Aufführung ist schon eine ganze Weile her, nämlich passend zum Valentinstag, aber vor dem eigentlichen Theaterbesuch will ich darauf noch einmal zurückkommen.
Letztendlich lief unsere Aufführung ganz gut – die Probenzeit war nämlich ziemlich stressig und nervenaufreibend. Vielleicht war ich aus meiner Schulgruppe einfach eine bessere Arbeitshaltung gewohnt oder niemand hat es so wirklich ernst genommen, wir haben schließlich auch „nur“ eine gekürzte Variante in einfacher Sprache vorgespielt… Ich fand es jedenfalls sehr schön, einige von Julias Originalmonologen zu lernen, denn das war sprachlich schon eine kleine Herausforderung. Als Aufführungsort konnten wir schließlich die kleine Kammerbühne im Kulturzentrum MOK gewinnen. Zweimal spielte ich dort in der sonst reinpolnischen Gruppe, mal wieder erstaunt darüber, wie gut Improvisation in der letzten Minute doch häufig funktioniert.
Umso mehr habe ich es genossen, wieder im Publikum zu sitzen. Sehr unvorbereitet und neugierig betrat ich die kleine Nebenbühne Aleksandra Sewruka der Schauspielschule. Wir hatten uns „Bar Macabre“ ausgewählt, ein kleines modernes Stück ohne deutsche Übersetzung.
Das Bühnenbild war bereits viel versprechend: Die dunklen Schwarz- und Grautöne, die Spinnenweben und Grabsteine beschworen eine gruselige Stimmung herauf. Außerdem lag dieser magische Theaterduft aus Scheinwerferlicht, Schminke und großen Emotionen in der Luft.
„Bar Macabre“ hat keine konkrete Handlung, mehr sind es gesungene Erzählungen der Untoten, die sich in eben dieser makabren Bar treffen.
Sie alle werden von kleinen und großen Sorgen der Vergangenheit gequält. Aber auch gegenwärtig entwickeln sich Interesse und Desinteresse aneinander in alle möglichen Richtungen. Zugegebenermaßen habe ich die Details dieser Geschichten nicht verstanden, aber noch nie habe ich so bewusst alles außerhalb der Handlung wahrgenommen.
Für die sechs Schauspieler ist es das Examensstück und obwohl es bereits eine der späteren Aufführungen war, lag noch in jedem Ton, Augenaufschlag und Annäherungsversuch die freche bis melancholische Energie der Untoten. Mit zartem, blutigen Rotschimmer um die Augen und weißen knochigen Händen überzeugte die Maske. Die staubig-schmutzigen Mäntel schienen wirklich einst prächtige Grabgewänder gewesen zu sein.
Von zarter bis psychedelischer Livemusik untermalt klagt, faucht, jammert und frohlockt ein jeder sein Freud und Leid auf ganz eigene Weise. Jeder Charakter hat eine eigene Körpersprache, die sich aus der ersten Reihe ganz fantastisch beobachten ließ – eine dieser fantastischen Inszenierungen, bei denen die Darsteller so beängstigend nah kommen, dass man sich besorgt fragt, wie echt sie spielen.
Natalia Samojlik überzeugte als einziges weibliches Ensemblemitglied mit lauter, tragender Stimme und stiftete einige Verwirrung zwischen den Herren. Das ließ Mateusz Michnikowskis Blick noch trauriger werden. Wie gut, dass es in einem polnischen Stück einiges zu Trinken ausgegeben gibt! Hinter der Bar stand stets mit griesgrämiger Miene Łukasz Dąbrowski, doch im Sarg hinausgetragen wurde noch ein anderer…
Weitere Szenenfotos findet ihr hier: http://teatr.olsztyn.pl/?action=play&id=178