That is it! England 2010/2011
Die Symbiose aus einem Rückblick auf meine Zeit in England und die Erfahrungen aus dem Rückkehrerseminar in Deutschland.
Und das Fazit, dies wird nicht mein letzter Beitrag bei "youthreporter" bleiben.
Nun ist es so weit. Die letzte Amtshandlung ist getan. Ich sitze gerade im Zug und kehre von meinem letzten Seminar des Europäischen Freiwilligendienstes zurück. Es war das letzte von der Europäischen Union vorgesehene Seminar, mit dem fulminanten Titel „EVS Rückkehrerseminar“ (Eine ältere Frau, die auch in der Jugendherberge nächtigte stellte die Vermutung auf, dass es sich um ein Rückkehrertreffen von Kriegsveteranen handeln muss. Sie musste dann aber feststellen, dass der Raum voller junger Menschen war. Eine äußerst amüsante Situation für beide Seiten). Es sollte zur Reflexion des gesamten Auslandsjahres dienen und den Austausch mit anderen Freiwilligen nochmals befeuern. Widererwartend wurden diese Grundsäulen des Seminars mit guten Inhalten und regem Austausch untereinander von der Gruppe mitgetragen. Zu Beginn stand ich diesem Seminar mit gehöriger Skepsis gegenüber. Doch als ich beschloss mich darauf einzulassen, erfasste mich der schon seit einiger Zeit in mir verlorengelaubte EVS-Ethos wieder in vollen Zügen. Der EVS-Spirit lebte wieder auf und riss einen großen Teil der Seminarteilnehmer mit. Auf diesen Seminaren trifft man meist einen ganz bestimmten Schlag Menschen. Beim ersten Zusammentreffen würden sie euch höchstwahrscheinlich ganz normal vorkommen. Sie sind mit Normalität durchdrungen, so wie die meisten von uns. Und dennoch tragen sie etwas in sich, dass sie für mich ganz besonders macht. Es ist ein Gefühl, eine Emotionsregung, es ist der bestimmte Teil des Charakters, der vom EVS, vom Aufnahmeland geprägt und beeinflusst wurde. Es ist der EVS-Spirit, der sich tief in den Charakteren verankert hat. Bei jeder Person auf eine individuelle Art unf Weise, doch bei allen ist er da und meist nicht zu verleugnen. Dennoch ist es so eine Art Gefühl, eine Lebensweise, die sich vor dem hoch aufbegehrenden Konstrukt des alltäglichen Lebens versteckt und nur schwer mit viel Verlockung aus dem tiefen, verzweigten Versteckes eines Charakters zu entlocken ist. Manchmal glaubt man schon fast, dass der Alltag die überhand gewonnen, dieses schwachglimmende Gefühl erstickt hat. Doch einen Vorteil, eine Powerwaffe hat der EVS-Spirit für sich allein gegenüber allem Alltäglichen beschlagnahmt. Es ist die Möglichkeit und der Wille zur gemeinsamen Erinnerung! Spricht man mit normalen Menschen, in denen sich diese bestimmte Gefühlsregung eingenistet hat, bricht es irgendwann aus einem heraus, auch wenn man versucht es zu unterdrücken. Man kommt nicht umhin, EVS-Erfahrungen zu teilen, sich im Austausch zu schwelgen, denn eines ist allen EVSlern gemein, egal welche Erfahrungen sie im jeweiligen Land gemacht haben. Es ist das Gefühl ein Stück von etwas Großem gewesen zu sein, in seinem Land, in Europa etwas Kleines bewegt zu haben, einmal über die europäische Bühne gehuscht zu sein und sich in der Kultur des Gastlandes fallen gelassen zu haben. Und vor allem ist es die unglaubliche Lust auf Europa, es ist der Drang zu Reisen, in europäische Kulturen einzutauchen um etwas Gutes zu tun. Es scheint als sei der Europäische Freiwilligendienst für ganz normale Menschen zur Herzensangelegenheit geworden.
In der Feedbackrunde zum Ende des Seminares gab es folgende Anmerkung: „Ich finde es schön, dass man mit euch in verständnisvolles Schwärmen verfallen kann, denn ihr alle kennt das Gefühl, das die EVS-Erzählungen erst zu etwas Besonderem und Lebendigem machen.“
Und so möchte auch ich mit euch noch einmal kurz ins Schwärmen geraten und meine Zeit in England im Zeitraffer an uns vorbeirauschen lassen.
Ich denke ich bin euch ein paar Erzählungen aus der Zeit des Spätsommers/Herbstes schuldig geblieben.
Ich mag beginnen mit dem Start meiner Wandertour durch Schottland.
Als Jana und ich uns immer Sommer auf den Weg nach Glasgow machten, ereilte uns eine bestürzende Nachricht und zwar vom Tod von Amy Winehouse. Die ganze UK schien in diesen Tagen in einem kurzen Moment der Schockstarre zu verweilen, bis sie sich wieder ihrem alltäglichen Chaos zu wandte.
In Glasgow angekommen machte sich erst einmal Ernüchterung breit. Die in voller Vorfreude erwartete schottische Großmetropole suchten wir vergeblich. Eher irrten wir abgekämpft von der langen Busfahrt etwas planlos durch die Straßen einer eher mittelmäßigen schottischen Stadt. Nachdem wir unser Hostel gefunden und uns etwas eingerichtet hatten, beschlossen wir zur abendlichen Stunde uns nochmal auf Erkundungstour durch Glasgow zu begeben. Wir sahen eine Stadt mit vielen Gesichtern, keines davon war jedoch sehenswert. Es gibt mit Sicherheit in Glasgow sehr schöne Ecken mit einzigartigem Flair, doch wir haben sie leider nicht gefunden. Deswegen waren wir auch nicht sonderlich böse, dass wir uns am nächsten Tag auf unseren Weg in die Highlands machten. Zur Vorgeschichte unserer Wanderung muss man sagen, dass wir bei der Planung uns eigentlich einen Wanderweg am Loch Ness heraus gesucht hatten. Jedoch stellten wir fest, dass wir noch 2-3 Tage Restzeit in unseren Planung erübrigen konnten und beschlossen daraufhin auf einem Wanderweg in den Highlands zu starten, der an dem Wanderweg entlang des Loch Ness nahtlos anknüpfen würde. Später sollte sich herausstellen, dass diese spontan eingeschobenen 2-3 Tage die prägendsten und anstrengendsten Tage unseres Wanderurlaubs werden sollten.
Um wieder an unseren Ausgangspunkt in Glasgow anzuknüpfen, wollte ich noch eben kurz die schönste Bahnfahrt meines Englandaufenthaltes schildern. Es war die Bahnfahrt von Glasgow in die Highlands. Die Bahn schlängelte sich durch die schottische Hügellandschaft, schmiegte sich an grasbewachsenen Bergen, rauschte entlang der spiegelnden Oberflächen von schottischen Seen und schob sich im kontinuierlichen Tempo durch die Täler. Die Ankunft an unserem Zielbahnhof riss uns dann aber schlagartig aus dem Zauber der schottischen Hochlandschaft, denn wir hatten gehofft in dem besagten Dorf noch Lebensmittel auftreiben zu können. Es war jedoch weit und breit kein Dorfladen zu finden, somit beschlossen wir mit unserem bestehenden Lebensmittelreserven los zu wandern.
Und schon gleich in den ersten drei Tagen bekamen wir zu spüren, warum das schottischen Hochland („Highlands“) tatsächlich auch seinen Namen verdient. In dieser Zeit bestiegen und entstiegen wir Berge und schleppten uns von einem Ziel zum anderen. Da wir es verpassten, unsere Lebensmittelreserven in Glasgow aufzustocken, lebten wir in den ersten zwei Tagen nur von Brot und den von uns mitgebrachten Tütenessen. Auch haderten wir ein wenig mit unserer Ausrüstung. Ich mit meinem Backpackrucksack und Jana mit ihren Wanderschuhen, die ihr schon nach dem ersten Wandertag etliche Blasen bescherten. Doch zu meiner großen Bewunderung hielt Jana trotz der Blasen an den Füßen bis zum Ende der Wandertour durch.
Nach den ersten Tagen gewöhnten wir uns jedoch an die Strapazen und meisterten die darauffolgenden Streckenabschnitte. Die Strecke durch die Highlands war trotz aller Anstrengung atemberaubend. Es kam einem zeitweise so vor, als sei man in eine „Herr der Ringe“ Verfilmung hineingeraten, denn die Landschaft hätte als perfektes Setting dienen können. Die letzte und längste Etappe durch die Highlands war jedoch nochmal absolut kraftraubend. Zum Glück trafen wir auf unserem Weg ein Pärchen aus dem Rheinland, denen die Strecke auch zu schaffen machte. Wir schlossen uns zu einer Notgemeinschaft zusammen, in der sich im Laufe der Etappe immer freundschaftlichere Verhältnisse herauskristallisierten. Versunken in Gespräche und Diskussionen innerhalb der Gruppe merkte man nur am Rand, wie die Tour an den Kräften zehrte. Wir halfen uns gegenseitig über die Etappe hinweg und kamen völlig ausgelaugt aber glücklich an unserem Zwischenziel „Fort William“ an.
Ab dort sollte die Tour weiter entlang des Loch Ness gehen. Diese Wanderroute schien zu Beginn nicht so anspruchsvoll zu sein, denn sie verlief relativ ebenerdig. Dennoch verschätzten wir uns an einem Tag völlig und kamen an einem Campingplatz fast gänzlich ohne Nahrung und schon zu fortgeschrittener Stunde an. Es war weit und breit kein Supermarkt zu finden und so sahen wir uns schon vor eine Nacht mit leeren Bäuchen. Zu unserem Glück hatte aber die Campingplatzbesitzerin ein zu erweichendes Herz und schenkt uns ein „Care“-Paket von einem Gast, der nicht angereist war. An diesem Tag war diese Geste unsere Rettung und das Paket verhalf uns auch noch über weitere Tage hinweg. Die Tour am Loch Ness war sehr schön und eindrucksvoll. Das größte Loch Schottlands zieht sich durch die Landschaft und gibt mit seiner ruhigen Oberfläche Grund zum Entspannen und Tagträumen. Man kann kaum fassen, dass ein solches Idyll ein Urzeitungeheuer beherbergen soll. Und dennoch funktioniert die Touristenmaschinerie mit dem Ungeheuer von Loch Ness ungebrochen.
Als wir dann nach zehn Tagen Wanderung in Inverness ,unserer Zielstadt, eintrafen, war das Glück kaum zu fassen. Der Respekt vor der eigenen Leistung aber auch die Aussicht auf ein weiches Bett ließen uns am letzten Tag unserer Wanderung in eine rauschartige und freudige Grundstimmung geraten.
Von Inverness aus brachen wir dann mit dem Bus zu einer Städtetour durch Schottland auf. Wir sahen Aberdeen, Edinburgh und Glasgow, wobei nur Edinburgh erwähnenswert bleibt. Edinburgh ist eine Stadt von schottischer Schönheit, in der der Verlauf der Geschichte sich deutlich abzeichnet. Zu der Zeit als Jana und ich in Edinburgh waren, stieg in der Stadt ein super Festival. Künstler, Musikanten und Schauspieler bevölkerten die Straßen. In der ganzen Stadt fanden Theaterstücke, Konzerte, Vorführungen... statt und das alles zu moderaten Preisen.
Außerdem ist in der Stadt stets das Flair von Harry Potter präsent. In der Geburtsstadt der Romanreihe gibt es unzählige Anhaltspunkte, die J.K.Rowling zum Setting des Buches inspiriert haben sollen. Edinburgh bleibt, gerade zu Zeiten des „Fringe-Festivals“ eine Reise wert.
Nachdem unsere Urlaubszeit in Schottland rum war, fuhren wir nach Glasgow zum Abschlussseminar des British Red Cross. Es war schön, dass Jahr gemeinsam mit allen Red Cross Freiwilligen in Glasgow zu beenden.
Nach dem Seminar in Schottland brach ich sofort nach Deutschland auf. Ich sammelte nur noch meine Sachen in Westerham ein und machte mich dann auf dem Weg zum Flughafen. Ich verließ England mit Vorfreude auf Deutschland. Dennoch überwältigt mich doch manchmal noch die Melancholie, wenn ich an England zurück denke. Ich denke gerne an das Jahr zurück und gerade in Zeiten des stressigen Studienalltags erscheint das Jahr in England als eine Art Ruheinsel. Das Fernweh in die UK ist immer noch vorhanden, es ergreift mich nun aber nur noch von Zeit zu Zeit und schwindet immer mehr. Trotz allem bleibe ich der festen Überzeugung, dass man überall dort, wo man eine längere Zeit verbracht hat, einen Teil von sich selbst zurücklässt. In mich reinhörend kann ich sagen, dass in England ein ziemlich großer Teil Meinerselbst zurückgeblieben ist. Deswegen freue ich mich schon jetzt auf einen Besuch in dem Land der roten Telefonzellen und der Doppeldeckerbusse. Der EVS-Spirit brennt immer noch in mir, doch nun ist es an der Zeit den nächsten Schritt zu gehen. Innerhalb meines nun gewählten Studiums „Europäische Betriebswirtschaft“ werde ich im nächsten Sommer für zwei Semester in die Niederlande gehen, um dort zu studieren. Ich hoffe ich werde dort genauso so viele tolle Erfahrungen machen wie in England, und in einem etwas anderem Umfeld in eine andere Kultur eintauchen können.
Jedenfalls lockt mich der Ruf Europas. Mit bisher sehr guten Erfahrungen im europäischen Ausland und der mentalen Unterstützung meiner Familie, denke ich werden auch die Semester in Holland ein Erfolg
.
Als ich heute den Seminarraum des EVS-Rückkehrerseminars verließ um mich auf den Weg nach Regensburg zu machen, bat mich eine der Leiterinnen noch einen Zettel für den Heimweg zu ziehen. Auf dem Zettel stand folgender Spruch: „Warte nicht, bis dein Schiff anlegt – schwimm zu ihm hinaus“! Es ist genau dieses kaum zu beschreibende Gefühl, das den Europäischen Freiwilligendienst auszeichnet!
Nochmals vielen Dank für eure treue Leserschaft und bis dahin
Cheerio!
P.S.: Ich werde den Blog nicht offline schalten, sondern ihn im nächsten Jahr in den Niederlanden weiterführen. Möchtet ihr jedoch von der Verteilerliste gelöscht werden, so lasst es mich doch einfach bitte wissen.
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