Freizeit = freie Zeit?
Freizeitstress scheint ein internationales Phänomen zu sein. Hanna treibt es von einer durchzechten Diskonacht in den nächsten Eisessabend und von da aufs Eis in Bahnform, zum Schlittschuhlaufen. Dabei muss sie eigentlich nur nach draußen vor die Tür gehen, um ein bisschen zu frieren.
Hey, Ihr da draußen. Ja, ich bin’s mal wieder. Wollt nur mal noch n bissel was loswerden. Also ich hab Euch ja von meiner Stadt erzählt, aber net, was ich so alles letzte Woche getrieben hab. Also, erst hatte ich ein Interview (ja, ganz recht, wie eine richtige Journalistin) und ich hab es sogar geschafft, endlich die ersten drei Artikel zu schreiben – was gar net so leicht ist, wie man denkt. Auch habe ich mal wieder Russischunterricht gehabt, und ich muss sagen, so schwer er mir auch fällt, es ist jetzt leichter. Und ich hab, im Gegensatz zu anderen, nicht nut eine Lehrerin, nein, sondern gleich zwei. Die eine unterrichtet eigentlich Englisch und die andere Deutsch. Bei Englisch muss ich in drei Sprachen gleichzeitig denken, das ist schwer, aber es ist auch ein gutes Training.
So, dann habe ich ein paar Verabredungen mit Bekannten. Wenn Ihr den Bericht von meiner Schwester gelesen habt (so wie ich), dann wisst Ihr, dass sie schon sehr lange in Finnland ist, sich aber erst nach der griechischen Party als Ausländer gefühlt hat. Dazu kann ich nur sagen: die Glückliche, denn ich fühle mich hier permanent als Ausländer. Vor allem, wenn ich mit Russen unterwegs bin und wir uns nur mühsam auf Englisch unterhalten können. Und ich möchte behaupten sie hat es ein bissel besser als ich, denn sie kann in die Natur fliehen, wenn es ihr zu bunt wird und ihr alles auf den Senkel geht. Das kann ich net, da Ufa nun mal groß ist und ich kein Auto zur Verfügung habe. Das Autofahren vermisse ich unglaublich. Und eins sage ich Euch: wenn ich auf Urlaub nach Haus komme, dann werden meine Eltern sich etwas einschränken müssen, denn dann hab ich Vorrang =) (Sorry Ma und Pa).
Doch zurück zu letzter Woche. Also, ich hab einem Deutschenstammtisch beigewohnt, hatte ich Euch ja schon in meinen letzten Artikel mitgeteilt. Und das war so lustig, dass ich auch nächste Woche wieder hingehen werd.
Freitag hab ich das wagemutige Experiment unternommen, mit Leuten vom Radio (ja, ich halte noch Kontakt) auszugehen. Und so begann unsere Odyssee durch Ufa. Erst wollten wir ins Sani („Schlitten“), da war es leider voll. Dann sind wir zu einer Billardhalle weiter gezogen, und natürlich war die auch voll. Und was passierte dann? Ja, auch die nächste Anlaufstelle, eine Bar (wenn man das so bezeichnen kann), war natürlich auch voll.
So, man könnte glauben, wir hätten danach aufgegeben. Nein, das haben wir nicht, wir sind anstatt dessen in ein Kino gegangen, in dem es so was wie ein Bistro gab und haben unsere durstigen Kehlen befeuchtet. Da man in Russland ja Verabredungen kurzfristig trifft, wurde ich auf einmal von einen Bekannten von mir angerufen, wo ich sei und was ich mach. Ich übergab also das Handy an einen meiner Begleiter und dann wurde abgemacht, dass man sich doch zu uns gesellen sollte. Aber auch das war net genug, prompt kam der nächste Anruf.
Als wir dann alle zusammen waren, haben wir beschlossen, doch noch einen Club aufzusuchen. Hat auch alles wunderbar geklappt. Nur war der Abend sehr lang und wir sind um 4.00 Uhr aus der Disko herausgekommen. Wohlgemerkt: ich musste man nächsten Morgen um 7.00 Uhr aufstehen. So letzten Endes wurde ich dann nicht Zuhause untergebracht und konnte gepflegt bis viertel zehn schlafen. Der Grund, warum ich so früh raus musste, war, dass ich Gastdozent bei einer Vorlesung war, die um 10.00 Uhr los ging. Und von zuhause fahre ich immer eine gut Dreiviertelstunde zur Uni.
Nachdem ich das hinter mich gebracht hatte (ich hatte nicht annähernd ausreichend geschlafen, mir war mordsmäßig kalt und ich hatte noch Restalkohol intus), fuhr ich nach Haus, kuschelte mich in meine Bett und wollte die Welt, Welt sein lassen. Da ruft eine Freundin an, ob wir net heute Abend einen Eisess-Abend machen wollen. Grummelnd stimmte ich zu.
Keine halbe Stunde später klingelt wieder das Handy: meine Oma. Nachdem ich auch sie beruhigt hatte, dass es mir gut geht und sie irgendwann auch mal eine Karte aus Ufa bekommt, wollte ich endlich zu den Toten zurückkehren. Aber was war? Natürlich musste wieder das Handy bimmeln. Ich habe es ignoriert und dann auch endlich geschlafen. Bis zum Abend. Dann kam das Eis essen und dann ein Lidobesuch (Bistro).
Da saßen wir zwei Hübschen bis meine Freundin vor der Tür von einem Mann angesprochen wurde. Wegen einer Wette mit seinen Freunden, ob er sich traue, sich mit uns zu unterhalten (das ist kindisch hoch zehn, der Kerl war Mitte 30 und Anwalt). Sie sagte, es wäre okay. Der Kerl hat natürlich net gewusst, dass ich eine Deutsche bin, und irgendwann machte er die Bemerkung, ich sähe aus wie eine Russin. Tja, was soll ich davon halten. Das war mal was ganz Neues. Aber wir sind ihn dann doch noch losgeworden, haben uns anschließend mit ein paar Bierflaschen in der Wohnung meiner Freundin verschanzt und den Abend mit tiefgehenden Gesprächen beendet.
Nachdem ich mich am nächsten Morgen wieder Zuhause eingefunden hatte kam die Frage nach Schlittschuh laufen auf. Und wie Ihr Euch denken könnt, bin ich hin. Ist fast wie in Deutschland, nur machen die die Bahn net so oft neu, was auch der Grund war, warum ich zwei Mal die Bahn aus der Nähe betrachtet hab (war bei Weitem net so schmerzhaft, wie Deine Bekanntschaft mit dem Eis, Karo). Soweit die Zeit bis Sonntag.
Am Montag bin ich abends zu etwas gegangen, das schimpft sich „DeutschCafe“, aber ich kam mir da sehr deplaziert vor. Da waren erwachsene Menschen, die bastelten Laternen. Angeblich sollen diese Treffen den Russen die deutsche Kultur näher bringen. Naja, war net wirklich toll.
Aber so lang bin ich dort net geblieben, denn ich hat noch eine Verabredung mit einem Freund von mir, und so wurde der Abend doch noch lustig. Ich habe Euch ja schon von meinem Problem mit den Bussen erzählt. Nun, wie sollte es auch anders sein, da ging wieder etwas schief. Mein Übersetzer hat mir die falsche Haltstelle gesagt. Als ich meinen Freund anrufe und frage, wo nun diese Kino sei, sagt er mir, ich sei da total falsch, ich hätte drei Stationen ehr aussteigen müssen. O.K., ich wieder in den Bus und zurück, und dann bin ich doch noch irgendwann angekommen. Ich versteh auch net, warum ich immer so ein Glück hab.
Eins solltet Ihr wissen: an diesem Tag hat es angefangen zu schneien und bis jetzt net aufgehört. Dienstag habe ich mal für meine Vermieter gekocht und da hat ausnahmsweise auch mal alles geklappt. Mittwoch bin ich, erschreckt net, ins Fitness-Studio. Es war herrlich. Endlich wieder Bewegung. Dadurch, dass die Entfernungen hier so groß sind ( man denke an eine 45 Minuten Fahrt zur Uni), und es so kalt ist, kann man nicht wirklich laufen. Also hab ich im Fitness-Studio meinen Frust über nicht funktionierende Handys und Internet und Busse abtrainiert. Einfach herrlich. Ich werd das jetzt mindestens einmal die Woche machen.
Und als ich auf dem Rückweg aus dem Bus (ja, mal was Neues =)) ausgestiegen bin, fühlte ich nur noch Kälte. Ahnt Ihr was passiert ist? Genau, ich bin in eine knöcheltiefe Pfütze geraten. Also im Dauerlauf nach Hause. Im Prinzip hätte ich da schon wieder ins Studio gehen können, denn ich war da wieder gefrustet wie zuvor. Allerdings rief mich dann mein Vater an um mir mitzuteilen, dass ich nächste Woche ein gerngesehener Gast in Samara bin. Ach, bin ich happy, alles mal hinter mir zu lassen und aus dieser Stadt fliehen zu können. In eine noch größere, aber mit versprochenen besseren Diskos.
Mittwoch hatte ich mir übrigens frei genommen, um mal meine Wäsche zu waschen. Wie Ihr wisst, ist das hier bei mir net grad einfach, da man die Hälfte mit der Hand machen muss. Also brauch man dafür locker mal drei Stunden, und somit ist ein ganzer Tag flöten. Aber auch egal. Heut hat ich erst Sprachstunde und dann haben wir zu viert in unseren Büro gehockt, einen getrunken und uns von Dilara und Ina verabschiedet. Denn diese beiden werden nach Deutschland gehen und dort über ihre Erlebnisse im Rahmen meines (oder besser: unseres) Projektes schreiben.
Tja, das war es fürs Erste. Ich weiß net, wann ich ein paar Fotos für Euch habe, denn dummerweise hab ich mich ja gegen eine Digicam gewehrt und hier kann man meine Filme nicht entwickeln (zumindest habe ich noch keinen Laden gefunden, der das machen will), da das Advanct ist. Hoffe auf eine erfolgreichere Suche in der nächsten Woche.
Ach Karo, ich muss sagen, ich bin stolz, dass Du mein Taschenrezept in die Welt hinausträgst und sie so gut angekommen sind. Und noch eins: ich beneide dich um Finnland. Macht’s gut, bis bald und bettet für mich, dass ich dieses Wochenende überlebe ohne einzufrieren.
Auf bald Hanna