Europa erleben
"Ich erlebe sehr intensiv das Gefühl einer Einheit Europas." Schon drei Monate in Frankreich? Eva_o staunt, wie schnell die Wochen vergehen und wieviel ihr die Zeit schon gebracht hat.
Während einer der vielen Réunionen mit meinem Arbeitsteam wird einmal mehr vom eigentlichen Thema abgeschwankt.
Gelangweilt blättere ich in meiner Agenda und mit einem Schlag wird mir bewusst: schon ganze drei Monate bin ich jetzt hier. Ein komisches Gefühl.
Einerseits kommt es mir so vor, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier, der Alltag ist mir völlig vertraut, mit meinen Freunden bilde ich bereits ein eingespieltes Team und mein Zimmer ist definitiv zu meinem Reich geworden. Andererseits ist die Zeit wie im Flug vergangen. Eine Woche voll mit neuen Entdeckungen und Erfahrungen vergeht so schnell. An den Wochenenden werden Erkundungstrips nach Barcelona, an den Ozean oder in andere interessante Städte geplant.
Wenn ich mal die Zeit habe, über meinen Freiwilligendienst zu philosophieren, kommen seltsame Gefühle in mir auf. Keineswegs im negativen Sinn, viel mehr erscheint mir mein Leben hier wie ein Traum oder etwas Unwirkliches. In solchen Momenten atme ich einmal tief durch und bin überaus glücklich.
Ich bin ein bestehender Teil meines Arbeitsteams geworden, wenn ich auch immer die kleine Spezies oder Spezialität aus der Schweiz bleibe. Die Sticheleien gegen meinen Akzent haben nicht aufgehört; alle versichern mir aber, dass er süss und immer noch schöner als Deutsch ist. Die Entdeckung winziger Kulturdifferenzen macht den Austausch spannend.
Selbst in mir persönlich habe ich die Multikulturalität ergründet. Vom temperamentvollen, lauten Charakter her, werden mir italienische Wurzeln zugeordnet, auf Grund meiner blonden Haare und blauen Augen werde ich jedoch oft mit einer nordischen oder gar östlichen Herkunft identifiziert. Mein Akzent tarnt mich dafür als Engländerin. So wurde mir hier von der russischen bis zur schwedischen Nationalität so einiges beigeordnet.
So erlebe ich tatsächlich sehr intensiv das Gefühl einer Einheit Europas. Dieses wird durch mein aktuelles Projekt zum Thema Europa noch verstärkt. Zusammen mit der italienischen Freiwilligen, die mit mir im Zentrum wohnt, wird Großes ins Auge gefasst.
Die Basis für unsere Arbeit bildet ein Bildungskurs zum Thema Kameraführung und Filmmontage. Hier wird alles erlernt, was später unserem kleinen persönlichen Werk dienen soll. Gleichzeitig natürlich auch eine einmalige und tolle Gelegenheit, sein technisches Allgemeinwissen für später weiterzubilden.
Schon während der Ausbildung wird ein erster Kleinfilm gedreht. Meine Begeisterung für die Materie lässt sich kaum in Grenzen halten und eine neue Leidenschaft wird entdeckt. Dann wird’s ernst. Als erster Teil unseres Projekts werden Fragen zum Thema EU gesucht und anschließend einem Publikum von Jugendlichen und Erwachsenen gestellt. Dies soll die Leute zum Nachdenken über aktuelle Fragen zum Thema Türkei und EU oder auch Möglichkeiten, die die EU den Jugendlichen zur Verfügung stellt, bewegen.
Die anschließende Montage macht riesigen Spaß, wenn auch öfters das Bedürfnis besteht, den Computer anzuschreien oder gar an die Wand zu schmeißen (glücklicher Weise war er dafür zu groß). Das Ergebnis lässt uns dafür schließlich mit einem stolzen Lächeln unsere Kleinreportage betrachten.
Weiter geht’s mit einem Sketch über die Klischees einzelner Länder Europas. Erst wird mit großem Vergnügen und viel Lachen über die Stereotypen ein eigenes Drehbuch geschrieben. Gar nicht so einfach auf einer fremden (halt, nun doch recht vertrauten) Sprache. Dann steht der Drehtag vor der Tür: ein wenig stressig, dafür amüsant. Die anschließende Montage bereitet viel Arbeit und erfordert Geduld. Trotzdem tun uns am Ende die Bäuche weh vor Lachen.
Der Höhepunkt ist das Zusammenstellen eines kleinen Filmes, der alle Patscher enthält. Als wir schließlich vor einem Publikum von Jugendlichen, Neugierigen und Abgeordneten der Stadt stehen und unser Werk präsentieren, sind wir mehr als stolz und glücklich. Die Arbeit hat sich gelohnt, allein schon für ein tolles Souvenir vom Freiwilligendienst.