Kulturschock zur Halbzeit: Weihnachten in Marrakesch
Weihnachten in einem Land zu verbringen, in dem nur wenige dieses christliche Fest feiern, kann es erschweren, weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen. Doch amanda ließ sich davon nicht irritieren und erlebte Heiligabend sogar eine Messe.
Nach einem spannenden Ramadan und einem weniger spannenden November melde ich mich nun wieder kurz nach Weihnachten. In wenigen Stunden werde ich mich in einen Zug nach Tanger setzen, um von dort aus das Meer zu überqueren und morgen das erste Mal seit dem Melilla-Besuch im August wieder Europa zu besuchen. Silvester in Madrid, zusammen mit der deutschen Freiwilligen Wiebke und den beiden Spaniern Irene und Alfonso. Wenn das nicht gut wird, dann weiß ich auch nicht.
Vorhin wurde ich von einem Marokkaner gefragt, was ich für Weihnachten vorhätte. Dass mittlerweile auch der zweite Weihnachtstag vorbei ist, wusste er gar nicht. Wenigstens meine Gastmutter wünschte mir frohe Weihnachten und in Rabats Medina wurden aufblasbare Weihnachtsmänner verkauft. Obwohl es wohl auch marokkanische Familie gibt, die sich Heiligabend Geschenke machen, einfach, weil es so nett ist, habe ich nichts von Weihnachtsstimmung gespürt.
Am 23. Dezember schenkten Wiebke und ich uns daher eine Weihnachtsreise nach Marrakesch, die Märchenstadt. Es war kalt und regnerisch, ständig wurden wir angesprochen und gedrängt zu kaufen, zudem fehlte uns die Orientierung. Kurz: Ich war enttäuscht von der besungenen Schönheit Marrakeschs. Spätestens als die Sonne auftauchte, änderte sich aber die Stimmung. Die Häuser fingen an zu leuchten, wir erfreuten uns an dem bisschen Wärme und aufdringliche Marokkaner wurden manchmal sogar mit einem "ça va, merci" belohnt.
Heiligabend verbrachten wir mit der Suche nach einer Kirche und besuchten später die Messe, die (aus meiner Sicht) erstaunlich gut besucht war. Familien mit Kindern, europäische Touristen und Schwarzafrikaner, die zur Gemeinde gehörten, versammelten sich am Abend in der Kirche gegenüber einer Moschee. Ich ertappte mich manchmal dabei, dass ich, anstatt dem Pfarrer zuzuhören, darüber nachdachte, was so viele Menschen dazu veranlasste, Weihnachten im fernen Marokko zu verbringen.
Jetzt freue ich mich auf einen kleinen Kulturschock in Spanien und warte auf die Besuche, die von Freunden und Verwandten angekündigt wurden. Denn, so unglaublich es für mich immer noch ist, im Februar ist bereits Halbzeit und schon jetzt fange ich an, mir über die Rückkehr Gedanken zu machen. Das zeigt: Alle, die sagten, die Eingewöhnungsphase dauere mehrere Monate, hatten Recht. Denn jetzt geht’s mir gut und ich bin weiterhin gespannt, was mich im neuen Jahr erwartet.