Der Beginn eines Romans: Teil 4 – Das Leben ist ein Festival (Part 2)
Sanne erlebt die letzten Tage des Festivalmonats in Edinburgh. Es sind brilliante Tage voller Spass, Musik und interessanten Menschen. Schade nur, dass es schon vorbei ist!
So, und weiter geht’s mit den Festival-Geschichten! :)
Am dritten Festival-Wochenende wollte ich mich mit Bianca treffen, einer Freundin von Oli, die ich vorher noch nie gesehen hab. Leider sagte sie wegen Krankheit ab. Nichtsdestotrotz ging ich, gut organisiert mit meiner Liste aller kostenlosen Veranstaltungen, nach Edinburgh.
Allein machte ich mich also auf den Weg und ließ mich erneut von der fantastischen Atmosphäre mitreißen. Nachdem ich mir diverse Comedy 4 Free angeschaut hatte, traf ich mich mit Sahla, die vorher in Glasgow war. Zusammen hörten wir uns etwas schottische Musik an, da Saor Patrol gerade vor der Nationalgalerie spielten, eine Band mit fünf gruselig aussehenden Typen, die trommelten und Dudelsack spielten.
Nach einer kleinen Stärkung gingen wir in den nächsten Comedyclub und von dort ins Opium, meinem absoluten Lieblings-Hardrock-Club! :) Nachdem wir uns dort ganz nett mit einem Astrophysiker, einer Sängerin und einem Bio-Chemie-Lehrer unterhalten hatten (alle hatten gerade erst die Uni beendet), machten wir uns gegen halb vier in der Früh auf zur Wohnung.
Am nächsten Tag gönnten wir uns ein langes Frühstück und genossen den Luxus des Herumlungerns und Musik austauschens (natürlich alles im Sinne der internationalen Begegnung ^^ ), denn so bekam ich einen ganz interessanten Einblick in französischen Hip Hop.
Tattoo – Alles andere als Körperschmuck
Durch meine Arbeit hatte ich das Glück, einen besonderen Teil des Festivals mitzuerleben: das Military Tattoo Festival.
Bei dem Tattoo handelt es sich um eine Schlagzeug – Dudelsack – Blasmusik – Aufführung von militärischen Musikkapellen unterschiedlichster Nationen, die jedes Jahr während der Festivalzeit vor dem Castle statt findet und 217.000 Zuschauer anlockt.
Zusammen mit vier Gästen vom Leuchie House warteten wir darauf, dass es los ging, und starrten dabei immer wieder zum bewölkten Himmel in der Hoffnung, dass es trocken bliebe. Ganz im Gegensatz zu der ersten Gruppe, die zwei Wochen zuvor beim Tattoo war, hatten wir Glück und wurden nicht von Kopf bis Fuß durchnässt, sondern konnten die Musik trocken geniessen.
Es fing an mit einigen schottischen Bands, gefolgt von Bands aus Singapur, Amerika, schottischem Highland-Tanz, Indien, Norwegen (die nebenbei die beste Performance brachten!), England,... Es war fantastisch! Wunderschön war auch, was mit dem Castle gemacht wurde, denn das nutzte man nicht nur als Hintergrund, sondern auch als Bildfläche für diverse Figuren, Zeichen, Muster und Bilder. Da wir ziemlich nah am Castle saßen, hatten wir den Vorteil, dass wir das alles sehr gut sehen konnten. Der Nachteil war allerdings, dass wir größtenteils nur die Rücken der Musikanten sehen konnten und nicht die Gesichter oder die Formen, die sie bildeten, da wir als Zuschauer mit Rollstühlen auf demselben Level waren wie die Bands.
Nichtsdestotrotz war es eine wirklich mitreißende Atmosphäre. Etwas irritierend für mich persönlich war, wie selbstverständlich alle zur britischen Hymne aufgestanden sind. Auch ich. In Deutschland, so scheint es mir, ist es einem immer noch sehr unangenehm aufrecht zu stehen, wenn die Nationalhymne gespielt wird. Ein Hauch von Schamgefühl scheint dann immer noch in der Luft zu liegen, was irgendwo schade ist, aber doch auch verständlich. Zumindest für mich.
"Dem schlechtsten Ding an Art und an Gehalt
leiht Liebe, dennoch Ansehn und Gestalt."
So heisst es in Shakespeares "Ein Mittsommernachtstraum", ein wundervoll verwirrendes Theaterstück, dass ich im Park in North Berwick ansehen durfte. Saarje hatte dafür reichlich Tickets gekauft, und so fiel auch eine Karte für mich ab. Ohne einen Schimmer, worum es in diesem Stück geht, ließ ich mich auf der Wiese nieder, in der Hoffnung, dass das Wetter durchhält.
Nach ein paar Verständnisproblemen am Anfang fand ich mich so langsam in die Geschichte hinein und ließ mich von den Schauspielern begeistern. Diese schafften es, als fünfköpfiges Team die etwa 20 Personen zu spielen, und waren dadurch permanent am Kostüm wechseln. Dieser Abend hat sich wirklich gelohnt. Noch nie zuvor konnte mich ein Theaterstück so begeistern!
Unterwegs erlebt man mehr!
Am Wochenende darauf fand dann mein erstes Blind Date statt, denn Bianca war wieder gesund. Und so versuchten wir, uns am Scott Monument ausfindig zu machen. Nachdem wir uns ohne Probleme gefunden hatten, gingen wir fix etwas essen und tauschten die gröbsten Informationen über einander aus. Danach hieß es wieder Comedy, doch auf dem Weg zum "Espionage" wurden wir mal wieder von Straßenkünstlern festgehalten. So schafften wir es gerade noch so, die letzte Aufführung anzusehen.
Danach machten wir uns auf zum "Opium", wo wir eine weniger angenehme Person trafen, aber auch ein paar sehr nette Gesprächspartner fanden. Gegen halb fünf rief dann das Bett nach uns.
Am nächsten Tag hatten wir fantastisches Wetter, sodass wir unbedingt wieder raus auf die Strasse mussten. Kaffee auf der Royal Mile, um munter zu werden, rüber in die Neustadt zum Buchfestival, wo ich mir auch gleich ein Buch holte ("Hope & other Urban Tales" von Laura Hird, sehr gut, leider schon zu Ende gelesen!), dann wieder zurück in die Altstadt zu einem kleinen Markt und dann gemütlich in der Sonne sitzen und einem Gitarristen lauschen.
Danach musste sich Bianca von mir verabschieden, da sie schon Pläne für den Abend hatte. So schlenderte ich allein weiter durch die Straßen und versuchte so viel wie möglich von allem aufzusaugen, was mich umgab, da das das letzte richtige Festivalwochenende war.
Auf meiner Schlenderreise hatte ich noch das Glück ein weiteres Free-Ticket für eine Show zu ergattern, die den verwirrenden Titel FxP² hatte. Und nachdem ich noch zwei andere brilliante Straßenentertainer gesehen hatte - einen irrsinnig lustigen Kanadier, der bisher beste Jongleur , den ich beim Festival gesehen hatte und einen Zombie-Film–Fan, der versuchte, uns alle in eine Horde Zombies zu verwandeln - machte ich mich auf den Heimweg.
Am nächsten Tag fuhr ich erneut in die Stadt, um mir die Sketch-Show anzusehen, die von vier jungen Kerlen und einem Mädchen auf die Beine gestellt wurde und von der ich mit absoluten Bauchschmerzen heraus kam, weil ich so viel lachen musste! Es war definitiv besser, als erwartet, und somit der krönende Abschluss eines für mich perfekten Festivalmonats!
Und doch ist es schade, dass alles vorbei ist!