Wie die Polen den Winter besiegen

Am 21.03.2018 sitzen Kinder in polnischen Kindergärten an den Tischen, um eine Göttin herzustellen. Die Göttin des Winters. Sie trägt den Namen „Marzanna“ und hat nicht mehr lange zu leben, denn jetzt ist ihre Kollegin an der Reihe, die Göttin des Frühlings. Erzieherinnen und Kinder suchen gemeinsam Stroh zusammen, binden es um einen Stock. Die Göttin nimmt Gestalt an. Sie bekommt ein Gesicht, Augen, Mund und Nase. Dazu kommen noch geflochtene Zöpfe, ein Kleid aus alten Lappen und Blumen als Dekoration. In manchen Regionen sieht Marzanna auch wie eine Jungfrau im weißen Kleid aus. Ist die Marzanna fertig, ziehen die Kinder mit ihr durch die Stadt. Singend tragen sie die Göttin in Puppengestalt. Sie singen, dass der Winter verschwinden soll, dass sie keinen Winter möchten. Aber Marzanna will einfach nicht gehen. Aus diesem Grund ist das Ziel der Prozession ein Gewässer. Zuerst wird Marzanna angezündet, die schöne Strohgöttin. Traurig, doch es muss sein, denn sie ist verantwortlich für den Schnee, das Eis, die Kälte, sogar für den Tod. Dann der finale Stoß und Marzanna fällt ins Wasser und sie schwimmt und sinkt, später auf den Grund. Es ist geschafft. Der Winter ist besiegt, der Frühling kann kommen.

Währenddessen, in den Schulen, der Ausnahmezustand. In manchen Einrichtungen genervte Lehrer, verzweifelte Schulleiter. Diese verflixte Tradition. Anderswo kulturelle Veranstaltungen, motivierte Schüler und Lehrer, gemeinsam an diesem Tag. Und dann gibt es noch die Genießer. Ausreißer, die sich an diesem einen besonderen Schultag einen Drink gönnen. Diejenigen, die die Schulen besuchen, verkleiden sich meist, färben sich die Haare oder stylen sich auf, um an Schönheitswettbewerben teilzunehmen, die die Schule organisiert. Wie ist das möglich? Was ist denn da los? Die Antwort lautet: „Schulschwänzertag.“ In den 60er Jahren erfunden und von den Schülern genutzt als Widerstand gegen die Bildung. Außerdem eine schöne Gelegenheit, sich innerlich auf den heiteren Frühling vorzubereiten.

Und woher kommt der Brauch des Ertränkens? Aus der Vergangenheit des heute so katholischen Polens: der heidnischen Zeit der Slawen. Die katholische Kirche fand natürlich keinen Gefallen an diesem Brauch und versuchte mehrmals ihn zu verbieten. Als das nicht half, dachte sie sich sogar eine konkurrierende Tradition aus, bei der eine Judas-Puppe vom Kirchturm gestoßen wurde. Doch sie hatte keine Chance gegen die in die Tradition verliebten Polen. Diese rituelle Art und Weise den Winter zu vertreiben, das Basteln der Marzanna, das Singen und nicht zuletzt der starke Aberglaube trugen dazu bei, dass diese Prozession bis heute überlebte. Früher allerdings war sie mit großer Angst und strengen Regeln verbunden. Die Bürger verließen abends schweigend das Dorf, um die Marzanna zu zerreißen, anzuzünden und sie zu ertränken. Den Rückweg mussten sie ebenfalls ohne zu reden und möglichst schnell antreten. Wer zurück sah, stolperte oder sogar fiel musste mit Krankheit und schlimmstenfalls mit dem Tod rechnen, denn die Marzanna stand für das Übel.

Heutzutage dienen solche Bräuche zur Freude und die Polen sind immer noch stolz auf ihre originellen Traditionen. Manche von ihnen, die heute im Ausland leben, pflegen diese Sitten weiterhin. So kommt es dazu, dass Marzanna in einer der Quelltexte auch in der Berliner Spree ertrinken muss. Nun ist also auch der Deutsche Winter besiegt. Ein Hoch auf den Frühling!

Quellen (recherchiert am 19.03.18)

https://pl.wikipedia.org/wiki/Marzanna

http://polnisch-in-allen-lebenslagen.de/2018/03/fruehling-in-polen-2/

https://sites.arte.tv/karambolage/de/das-ritual-die-marzanna-karambolage

http://thenews.pl/1/21/Artykul/93951,Alles-Gute-zum-Schulschw%C3%A4nzertag-

http://hoth.amu.edu.pl/~b_komin/zse/szkola9.htm

https://historiamniejznanaizapomniana.wordpress.com/2016/03/20/topienie-marzanny-przepedzanie-zimy-nadejscie-wiosny/