Von Fallschirmspringern, Professoren und Hautkrebs
Munter geht es zum im ostpolnischen Wahlkampf. Es ist die Zeit der PR-Strategen. Während europäische Inhalte immer weiter in den Hintergrund rücken, mehren sich Imagekampagnen und hohle Phrasen.
Was ist der schlimmste Vorwurf, den man einem Lokalpolitiker machen kann? Bruch von Wahlversprechen? Veruntreuung von Steuergeldern? Eine Sexaffäre? Weit gefehlt. All dies verzeiht der Bürger schnell. Was das liebe Stimmvieh aber gar nicht mag, sind Kandidaten, die nur für die Wahlen „eingeflogen“ werden. So zumindest die Regel. Für Polen gelten allerdings viele politische Weisheiten nicht, die im Rest Europas Gültigkeit haben.
Die „Lubliner“ Topfavoritin für die kommenden Europawahlen, Lena Kolarska-Bobińska, kommt aus Warschau. Man scherzt im Osten Polens schon, dass sie auf Nachfrage nicht einmal die Lubliner Stadtteile aufzählen könnte. Aufgrund des plötzlichen Erscheinens der PO-Kandidatin im Wahlkampf wird sie bereits als „Fallschirmspringerin“ verspottet. Im Diskussionsforum dziennik.pl regt sich beispielsweise eine Userin auf: „Was kann eine Kandidatin aus Warschau für uns tun? Kümmert sie sich überhaupt um unsere Region; kennt sie unsere Probleme?“
In den aktuellen Umfragen liegt Kolarska-Bobińska trotz ihres Auswärtsspiels vorne. 23,97 Prozent der Stimmen bekäme sie nach Angaben des Onlineportals onet.pl. Vielleicht aufgrund ihres kreativen Mottos. Für die Professorin des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten haben sich die Parteistrategen einen denkwürdigen Slogan einfallen lassen. Im Radiospot stellt sie sich einen Versprecher vortäuschend als „Lena Lubelska“ vor. Lubelski ist das Adjektiv zu „Lublin“.
Wortspiele sind im Lubliner Wahlkampf mode. Böse mitgespielt hat man dabei Jacek Czerniak von der linken SLD. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben Schmierfinken seine Wahlplakate durch die Aufschrift „Gegen Krebs hast du keine Chance“ überklebt. Eine Geschmacklosigkeit, wenn man weiß, dass czerniak ebenfalls das polnische Wort für Hautkrebs ist.
Zbigniew Zaleski von der Bürgerplattform PO rühmt sich auf seinen Plakaten, der aktivste Abgeordnete der Region zu sein. Da er seinen Parlamentssitz verteidigen will, kämpft der Hochschullehrer besonders um die Stimmen der jungen Leute: „Wir stimmen für unseren Professor Zaleski!“ ist der Slogan seiner Kampagne. Ob das reicht?
Auf der Liste der Kaczyński-Partei PiS tritt schließlich ein Mitglied des polnischen Senats an. Grzegorz Czelejs Plakate preisen Lublin wenig bescheiden als die „Hauptstadt Mitteleuropas“.
Für eine Hauptstadt geht es in der Lubliner (Europa)Politik dann allerdings doch erstaunlich provinziell zu.