Limbo
Limbus (latein Rand, Saum, Umgrenzung)
Limbus (Theologie), der Aufenthaltsraum für Seelen, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen sind; „Der Limbus war nie Teil der kirchlichen Lehre, sondern gilt lediglich als theologische Spekulation, die sich aus den Dogmen der Kirche zu Themen wie Sünde, Erbsünde, Erlösung und Taufe ergibt.“;
„in Limbo“ als Redewendung im Sinne von „in der Schwebe", z. B.: „... eine Situation in Limbo.“;
Limbo (Computerspiel) - „Uncertain of his sister's fate, a boy enters Limbo“
Die Darstellung des Limbus - oder Limbo - in dem gleichnamigen Spiel hat mir von Anfang an gefallen. Ein Spiel, das ohne wenig zu erklären einfach beginnt, und dazu noch einen merkwürdigen Namen hat. Recherche führt zur Kirche, zu Wörtern wie "Vorhölle" und "Fegefeuer" - das generelle Verständnis: ein Ort, der weder Himmel, noch Hölle ist. Ein Ort "dazwischen". Ein Ort des Wartens.
Ich bin keine sonderlich gläubige Person und war es auch noch nie - trotzdem hat dieses Konzept eines unbestimmten, undefinierten Raumes angesprochen.
Mit der Zeit hat das Wort Limbo für mich auf einer persönlichen und emotionalen Ebene die gleiche Bedeutung wie "The Void (tm)". Wenn ich vom Limbo oder Void spreche, ist es meistens dieses merkwürdige, leere, undefinierbare Depressionsgefühl. Weder Glück, noch Trauer. Weder gut, noch schlecht. Ich bin wie in der Schwebe, im Nichts, irgendwo "dazwischen". Vielleicht nicht ganz lebendig, und definitiv nicht tot.
England.
England sollte anders sein.
Unabhängigkeit. Reisen. Neue Erfahrungen. Freunde. Mein Freund. Positives.
Aber das wirkliche Leben ist anders, und im wirklichen Leben gibt es gutartige Hirntumore die eine Woche vor England diagnostiziert werden und den Freund ans andere Ende der Welt befördern. Im wirklichen Leben gibt es Depression, die Bitch. Im wirklichen Leben kann es passieren, dass der Job einfach nicht zu passen scheint.
Im wirklichen Leben kenn ich den ganzen Scheiß gut genug um zu wissen, dass es schaffbar ist. Dass es eine Lösung gibt. Immer.
Etwas mehr als eine Woche nach meinem letzten Beitrag war mein absoluter Tiefpunkt, und das ist alles, was momentan dazu gesagt werden muss.
Das Training in London - nicht Oxford, den Göttern sei Dank! Mein armes Herz hätte es dort nicht leicht gehabt - war okay. Am 27. September, meinem 20. Geburtstag, bekam ich gleich zwei Kuchen - einen von meinen Zimmergenossen, einen von den Trainerinnen. Der Moment, wo das Licht ausging, alle zu singen anfingen, und dieser winzige Kuchen mit 20 Kerzen reingetragen wurde war... schön. Unerwartet, leicht überfordernd, aber schön.
Auch wenn die Erwartung, der Wunsch gewesen war, meinen Geburtstag in irgendeiner Weise mit meinem Freund zu verbringen. Nicht mit ihm in einem Krankenhaus in Kanada.
Zwei Monate später und die Depression ist immer noch around. Bitch.
Aber, ich habe meinen Freund getroffen - Mitte November und nur ein paar, wenige Stunden, aber... er war da. Wir waren zusammen. Us.
Arbeit ist ein großer Stressfaktor, aber zusammen mit meinem deutschen Psychologen, meiner Supervisorin, meiner Mentorin, und natürlich Dave wird eine Lösung - oder zumindest ein Lösungsansatz - gefunden. Und, ein zweites Treffen mit meinem Freund ist in reichbarer Ferne!
Einen Tag nach dem Gespräch mit Dave schreibt mein Vater mir, dass wir skypen müssen. Ok. Kein Problem. Haben wir schon ne Weile nicht mehr. Und mein Vater, wie er halt so ist, fällt gleich mit der Tür ins Haus - "meine Mutter ist heute gestorben."
Schöne Scheiße.
Ein Sturz, eine OP deren Narkose was von ihrem Verstand noch übrig gewesen war komplett abgeschossen hat, Lungenentzündung, Krebs und Metastasen. Ich hasse diese Worte.
Das war am 06.12.
Der nächste Montag war... gut. Sonntag hatte ich erfahren wann mein Freund am Dienstag ankommen würde, ich hatte auf der Arbeit geklärt, dass ich den Tag frei bekommen würde, und den ganzen Tag freudestrahlend allen erzählt, dass ich meinen Freund treffen würde.
Weniger als zwölf Stunden bevor ich in die Bahn gestiegen wäre - weniger als zwei Stunden, bevor er aufgebrochen wäre - gerade zu Hause angekommen, nach dem ich die Bahntickets geholt hatte... und er ist im Emergency Department. Es ist zu viel, ich gehe erst mal schlafen, will nicht wach liegen und mein Handy anstarren während mein Kopf eskaliert und ich auf eine Antwort warte. Diagnose: Darmverschluss. Die speziellen Schmerzmittel, die es ihm möglich machen, zu funktionieren, können diese Nebenwirkung haben.
Den Flug kann er offensichtlich nicht antreten, und es folgen Tränen. Nicht nur, weil dieses Treffen nicht stattfinden kann - es kommt alles hoch. Der ganze Frust, die Angst, die Verzweiflung. It's not fair.
Irgendwann beruhige ich mich. Ich bestelle McDonald's, rufe meine Mutter an. Ich lebe, immer noch, irgendwie.
Dienstag gehe ich zur Arbeit, weil alleine zu Hause zu sitzen sich nicht nach einer guten Idee anhört.
Mittwoch ist okay, ich habe ein Aufgabe, alles gut. Die Reise nach Deutschland, die kurzfristig wegen der Beerdigung vorgezogen werden musste - beziehungsweise, dank des Geldes meine Opas, konnte - ist geplant. Es ist alles nicht schön, aber... in Ordnung. Okay.
Donnerstag bin ich voll motiviert besagte Aufgabe fortzusetzen, finde sogar eine Möglichkeit, es mir einfacher zu machen - und dann - nichts.
Meine nächste Erinnerung ist, dass ich im Büro sitze und mich übergebe, während meine Kollegen beruhigend auf mich einreden. Ich werde nach draußen und in einen Krankenwagen gebracht, im Krankenhaus treffe ich dann einen Kollegen, der dann auch dort mit mir wartet und mich im Endeffekt nach Hause bringt.
Ich hatte einen epileptischen Anfall. Wieder. Im Büro. Irgendwann zwischen 11:30 und 12:00, für circa 2 Minuten. Ich kann mich an absolut nichts erinnern.
Freitag und Samstag bin ich großteils total im Eimer, was mich nicht davon abhält, raus zu gehen - aber Kopfschmerzen, leichte Übelkeit, und Muskelkater of Doom sind mit am Start, dementsprechend auch viel Schlaf.
Und Sonntag dann Home sweet Home. Für die Beerdigung. Am Dienstag. 18.12. Gestern.
Jetzt ist es 1:14 und ich schreibe hier schon seit über einer Stunde vor mich hin, weil ich nachdem wir von der Beerdigung nach Hause gekommen sind, praktisch direkt ein "Nickerchen" gemacht habe, was dann von 18:00 bis ca 23:00 ging. Fünf Stunden Schlaf und jetzt bin ich wach. Nicht "hellwach", weil ich glaube, dass das ein Zustand ist, der meinem Körper nicht bekannt ist, aber wach genug um nicht wieder einschlafen zu können.
Aber vielleicht hat eine Stunde meine Gedanken und Gefühle irgendwie in Worte zu fassen ja geholfen, um das Chaos in meinem Kopf etwas zu beruhigen.
In der Schwebe. Aber hoffentlich nicht, weil ich falle.
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