FAKT dir deine Meinung!
Der polnische Pressemarkt ist hart umkämpft. Die Zeitungen locken mit kostenlosen Film- und Buchbeilagen sowie reißerischen Schlagzeilen. Malte Koppe mit einem Porträt über die polnische Tageszeitung FAKT.
Die deutsche BILD in Polen an jedem Kiosk? Kann das sein? Man muss als Tourist schon genau hinschauen. Dann erkennt man, dass die vier großen Buchstaben im Osten FAKT lauten. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Name, was man in einer Boulevardzeitung selten findet: Tatsachen und Fakten.
Bereits seit Oktober 2003 erscheint in Polen das seinem deutschen Pendant verblüffend ähnliche Blatt. Layout: Rotes Kästchen oben links auf Seite 1, Überschriften in Schriftgröße 200, viele Bilder. Der tatsächliche Textanteil liegt bei geschätzten fünf Prozent. Und sogar das Busen-Mädchen darf nicht fehlen - im katholischen Polen jedoch versteckt auf der letzten Seite.
Auch die FAKT entstammt dem deutschen Axel Springer-Konzern. Diese Tatsache hat bei der Einführung der neuen Zeitung östlich der Oder hohe Wellen geschlagen. Boulevard-Konkurrent Super Express klagte gegen den knallhart kalkulierten Preis von nur einem Złoty. Und verlor. Andere spielten die nationalpolnische Karte: "Jetzt ist Polen schon deutsche Pressekolonie" ätzte das monatlich erscheinende Nachrichtenmagazin WPROST (Dt.: "direkt") gegen den neuen Mitbewerber am Kiosk.
Eine unbegründete Angst, wie sich zeigt. Die FAKT-Redaktion denkt gar nicht daran, deutsche Interessen in Polen zu propagieren. Im Gegenteil: Wenn sich die Gedenktage zum Zweiten Weltkrieg jähren, greift man wie die englische SUN auf den "Jack in the box" zurück - das Bild des ewig bösen Deutschen. Bei den deutsch-polnischen Streitthemen Vertriebenenzentrum und Ostseepipeline verhielt sich das polnische Blatt jedoch bisher erstaunlich neutral. FAKT ist also nicht "deutschenfeindlich". Dies bestätigt auch eine wissenschaftliche Analyse aller Ausgaben der beliebtesten polnischen Boulevardzeitung.*
Lieber als den Deutschen ist den Journalisten von FAKT die polnische Politik- und Wirtschaftselite. "Immer feste drauf" ist hier das Motto. Die Schreiberlinge aus der deutschen "Schwesterredaktion" könnten hier noch einiges lernen.
"Sie kaufte Schuhe für 500 Euro" heißt es da über eine Politikerin, die von Paparazzi beim Einkaufsbummel beobachtet wurde. So feuert man den Neid der kleinen Leute an.
Aber das ist noch harmlos im Vergleich zur Kampagne gegen Stanisław Piguła, Chefredakteur einer Lokalzeitung. Zu Unrecht mit Bild in der FAKT der Pädophilie beschuldigt, erstritt er von der Zeitung schließlich fast 50 000 Euro Schadensersatz.
Sicher ist es gut, wenn den Reichen und Mächtigen jemand auf die Finger schaut. Das ist die Aufgabe der Medien in einer Demokratie. Aber wo Regeln von Ethik und Anstand verletzt werden, geht es zu weit. Sogar die BILD ist nicht so aggressiv wie die FAKT. Doch die polnische Presselandschaft ist unerbärmlich. Man kämpft mit allen Mitteln um Leser. Die einen Zeitungen bieten kostenlose Beilagen an - die anderen Hasspredigten. Doch die von den Reportern verfolgten Stars und Sternchen wehren sich. FAKT ist bestimmt genauso oft verklagt worden wie die BILD. Und hat wie in obigem Fall meist verloren.
Und was bringt die Fakt heute? Nun, das übliche ... Populismus. Über den Chef einer Wohnungsbaugenossenschaft, der nach dem Vorwurf von Unregelmäßigkeiten zurücktrat, steht auf der ersten Seite: "Nach der FAKT-Aktion: Wir haben ihn ’rausgeworfen!"
* Siehe den folgenden Beitrag in der dt.-poln. Zeitschrift Inter Finitimos: Röger, Maren: Fakten über Deutschland? – Die Deutschland-Berichterstattung der polnischen Springer-Boulevardzeitung Fakt, in: Inter Finitimos 4 (2006), S. 247 - 256.