Ein inspirierendes Licht eines Lebensabends
Wie man von NS-Verfolgten über Lebensfreude lernen kann
Als ich über den Wettbewerb mit einem Titel "Mein besonderer Mensch" gelesen hatte, wusste ich sofort, dass ich unbedingt daran teilnehmen muss. Ich konnte mir aber damals nicht vorstellen, wie schwierig es für mich wird. Es ist nämlich so, dass ich, ohne Übertreibung, in den Rahmen meiner Freiwilligendienstes mit ganz vielen besonderen Menschen zu tun habe. Meine Gastinstitution in Köln - Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte arbeitet mit NS-Verfolgten, die hauptsächlich aus dem postsowjetischen Raum kommen. Selbst dadurch, dass die jüngsten unsere Caféteilnehmer schon über 70 sind, nehme ich dieses Projekt als ganz bedeutungsvoll wahr. Man muss realistisch sein - in 10 Jahren wäre es nicht möglich gewesen, an solchem Projekt teil zu nehmen.
Fast jeder Teilnehmer und Teilnehmerin unserer Cafés hat eine eigene Verfolgungsgeschichte. Mehrmals im Jahr berichten sie öffentlich darüber, damit Schulklassen, Jugendgruppen und anderen Interessierten für eine Weile an Ihren Leben teilhaben könnten.
Eine bekannte russische Psygologin Liudmila Petranowskaja schrieb einmal, dass eine normale, gesunde Gesellschaft mit einem Blumenfeld vergleichbar ist, wo die Blumen von unterschiedlichen Farben, Düften und Größen wachsen. Wenn aber die ungeheuerlichen Ereignisse passieren – wie Krieg, oder Repressalien, wirkt es so, als ob hat ein Rasenmäher die schönen Blumen abgeschnitten. Das Feld sieht jetzt nicht bunt und variabel, sondern monoton – genauso sind die Menschen nach grausamen Ereignissen alle traumatisiert – jemand mehr, jemand weniger, aber alle haben diesen Einfluss mitgekriegt.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mich ein gemeinsames Porträt der besonderen Menschen meines Auslandaufenthaltes auf zu fassen. Es ist schwer vorzustellen, wie viel ich im Laufe bis jetzt nur fünf Monaten hier in Deutschland schon gelernt habe. Darauf, ehrlich gesagt, habe ich ganz nicht gewartet.
In der erster Linie ist es wahrscheinlich das Gefühl der Privilegien. Obwohl ich eigentlich auch aus dem Land komme, wo schon seit fast zwei Jahren einen Krieg gibt, den eher als "bewaffnete Konflikt" oder "Ukraine-Krise" benannt wird, trifft er mich persönlich nicht zu. Meine Verwandte und Freunde sind lebendig und gesund, das friedliche Leben in meinem Stadt in der Ukraine funktionierte ganz normal.
Viele NS-Verfolgte, die ich hier in Deutschland kennengelernt habe, hatten nicht davon gehabt. So, zum Beispiel in der Ukraine in 1936 Jahr geborene Marina, Mutter von der von Nazis ermordet wurde. Oder Walerij, dessen Haus in dem Osten der Ukraine nicht mehr existierte, als er nach der Evakuation mir der Eltern wieder in die Heimatstadt zurückkam.
Von den Geschichten Rachel und Elena habe ich gelernt, wie, trotz einen furchtbaren Verfolgungsschicksal, dass die beiden hatten, es möglich ist, eine unglaubliche Lebensfreude und Würde zu behalten. Rachel hat während des Krieges als deutschsprachige Jüdin zusammen mit der Familie eine Deportation aus Rumänien in die Ukraine überlebt. Ihre Familie blieb oftmals pro Schritt vor dem Tod. Das kann man kaum glauben, wenn man Rachel persönlich kennenlernt. Sie ist voll Energie und sehr neugierig auf alles, was in der Welt passiert. Dasselbe kann man über 92-jährige Elena sagen. Die Tochter des berühmten sowjetischen Physikern, sie nennt sich eine Opfer nicht Nationalsozialismus, sondern Stalinismus - ihr Vater wurde erschossen, als sie 14 Jahre alt war. Wenn ich aber mit dieser Frau telefoniere, habe ich das Gefühl, dass ich mit meiner Altersgenossin rede so jung und kräftig hört sie sich an.
Ehepaare Ida und Haim und Grygoriy und Liya haben mir gezeigt, wie auch im höheren Alter die zärtlichen und vertrauensvollen Beziehungen zwischen LebensgefährtInnen existieren können. Es ist immer herzzerreißend zu sehen, wie Ida ihrem Mann von einen aufdringlichen Aufmerksamkeit schützt. Oder die zärtlichen Beziehungen Grygoriy und Liya zu beobachten, mit Rücksicht darauf, dass beide ihre Lebensgefahren verloren haben, und vor kurzem neue Beziehungen angefangen haben.
Jeden Tag lerne ich etwas Neues von diesen Menschen. Und ich bin für jede Minute dankbar, die ich mit denen noch verbringen kann.