Die letzte Piratin
Gertrud „Mucki“ Koch, die letzte bekannte Kölner Edelweißpiratin, ist am Montag, den 13. Juni, im Alter von 92 Jahren gestorben. Die alte Kölnerin hat oftmals gesagt, dass die Jugendlichen heutzutage zu wenig über die Vergangenheit wissen. In den Zeiten des Zweiten Weltkrieges war sie eine von denen, die selbst die Geschichte beeinflussten.
Ich habe leider keine Möglichkeit gehabt, eine berühmte Nazi-Kämpferin kennenlernen zu dürfen, obwohl sie einen unmittelbaren Bezug zur meinem EFD-Einsatzstelle hatte. Gertrud „Mucki“ Koch war eine langjährige Besucherin vom Kölner Erzähl- und Begegnungscafé von Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte. Im Jahr 2014 berichtete sie über ihr Verfolgungsschicksal in Anwesenheit von Schulklassen. Erzähl- und Begegnungscafé sind eines der wichtigsten Projekte des Bundesverbandes. Die Bedeutung von solchen Veranstaltungen ist nicht zu unterschätzen. Im Rahmen von dieser Maßnahmen haben Schüler und Jugendlichen eine seltene Möglichkeit, mit den Zeitzeugen unmittelbar in Kontakt zu kommen.
Im Jahr 1942 war Gertrud Koch erst 17 Jahre alt, als sie von der Gestapo verhaftet wurde. Grund dafür – der Wurf der Anti-Hitler-Flugblätter oder das Verstecken von Nazi-Gegnern. Obwohl sie dort stark misshandelt wurde und fünf Monaten in Gefangenschaft verbracht hat, setzte sie nach der Entlassung ihre Teilnahme am Widerstand gegen den Nationalsozialismus weiter fort. Danach folgte die zweite Gefangennahme.
Im Oktober 2015 nahm ich an einem Rundgang in einem ehemaligen Arbeitsviertel von Köln, Ehrenfeld teil. Vor Ort wurde die Gruppe aus den internationalen Freiwilligen in Deutschland die Jugendgruppen vertraut gemacht, die unter den Namen „Navajos“ und später auch „Edelweißpiraten“ vom NS-Regime verfolgt wurden.
Diese Gruppe bestand hauptsächlich aus Jugendlichen, geflohene Häftlingen und Zwangsarbeitern, Juden und Deserteuren. Die Navajos brachen ein in Lebensmittellager mit dem Zweck, Verfolgte zu besorgen.
Das Schicksal von Mucki Koch ist eines der Einzelschicksale ist, die in der Gedenkstätte des El-De-Hauses gezeigt werden. Deswegen sei sie häufig Bestandteil seiner Führungen durch das Ehemalige Gestapo-Gefängnis, - meinte unserer damaliger Stadtführer.
Der Rundgang hat an der Pfarrkirche St. Joseph Köln-Ehrenfeld begonnen. Wir sind den Spuren dieser Jugendgruppen nachgegangen. Unter anderem haben die Teilnehmer der Führung eine Mahntafel angeschaut. Sie erinnern an eine der traurigsten Seiten der Geschichte der Ehrenfelder Gruppe. Im November 1944 wurden dreizehn Teilnehmer der Gruppe ohne Gerichtsurteil von der Gestapo gehängt. Anschließend haben EFD-Freiwillige in Deutschland EL-DE-Haus besucht. Der Schwerpunkt von Ausstellungen sind die dortigen Spuren der unangepassten Jugendlichen.
Leider mussten diese Menschen sehr lange um Anerkennung ihrer Widerstandsleistung kämpfen, und Mucki Koch war keine Ausnahme. Bis in die 1980er Jahre dominierte in Deutschland im Umgang beim Umgang mit dem Edelweißpiraten-Thema die Bewertungen der Täter, nicht der Opfer und Verfolgten. Sie wurden als Kriminelle bezeichnet.