Beograd - die grüne Stadt?
Wieso man Belgrad nicht mit Rom vergleichen sollte, Frustration über das in der Luft hängen und Pläne für Besserung.
So, lang ist's her und jetzt gibt es auch endlich mal wieder etwas zu erzählen. Also willkommen zurück und macht es euch bequem, heute wird es etwas länger...
○ - Update über das Dasein in Sarajevo
Tatsächlich war im Januar und Februar nicht wirklich viel los. Die Arbeit war zwar anstrengend, da ich jetzt oft als einziger Kellner im Restaurant arbeite und man dann vor allem bei Gruppen nicht ein Mal zum sitzen kommt, aber wirklich zufrieden war ich damit die letzten zwei Monate nicht. Das lag vor allem auch daran, dass mein Deutschkurs zu Ende war und wir den Neuen erst ausschreiben mussten, weshalb ich nun keine geistige Aufgabe zum Ausgleich mehr hatte. Es kam also eine gewisse Frustration auf und die Frage, ob denn das, was ich hier mache, wirklich das ist, was ich mir vorgestellt habe. Generell kann ich an dieser Stelle sagen, dass man sich das wohl immer ziemlich abwechslungsreich vorstellt und das Centar ja auch in der Tat viele verschiedene Projekte hat, ich da aber meist nicht wirklich viel mithelfen kann, weil ich die Sprache noch nicht gut genug spreche oder mir die Qualifikationen fehlen. Das heißt, man bekommt im Endeffekt doch nur Aufgaben, die eben jeder machen könnte, was mich zeitweise sehr frustriert hat. Aber nicht verzagen und von nichts kommt nichts, dachte ich mir und habe deshalb immer mal wieder nachgefragt, was es denn noch für alternative Aufgaben für mich gäbe. Mit Erfolg, so hoffe ich zumindest. Ich konnte meinen Arbeitsplan jetzt so umstellen, dass ich noch einen Tag mehr im Kindergarten arbeite und dort dann Englischunterricht für die Kinder gebe. Meine erste Stunde hatte ich noch nicht, es bleibt also spannend. Außerdem wurde ich zu einem Projekt in Kooperation mit Nordmazedonien und Albanien dazu geholt, das sich mit dem Potential der Region für Jugendliche beschäftigt und durch das ich sehr wahrscheinlich auch nach Skopje und Tirana reisen können werde. Ich habe also jetzt Anfang März, da nun mein Deutschkurs auch wieder beginnt, wieder Hoffnung geschöpft nicht den Rest meines Jahres in der Küche zu verbringen.
Ebenfalls zu diesem Lückendasein, in dem man irgendwie gerade nicht mehr genug zu tun hat, aber auch nichts ändern kann, weil man auf den Beginn neuer Aktivitäten wartet, beigetragen, hat das Ende unseres Bosnischkurses. Abschließend mussten wir eine kleine Prüfung mit Rollenspiel absolvieren, von der wir alle behaupten können, sie bestanden zu haben. Bosnisch A1 können wir jetzt also. Gerade sind wir auf der Suche nach einem anderen, billigeren Kurs, da wir definitiv auch trotz beendeter Förderung weiter lernen wollen und müssen. Auch sonst ist sprachlich einiges los gewesen. Ich besuche immer noch den Italienischkurs, den unsere Italiener anbieten und habe Anfang Februar auch meine Englisch C1 Prüfung, die ich für die Unibewerbung noch brauchte, hinter mich gebracht.
À propos Italiener: Unsere Freiwilligenfamilie, wie Susi das mal passend bezeichnet hat, ist um zwei neue Italiener gewachsen. Sie arbeiten mit den Anderen zusammen, wohnen aber im zweiten Wohnheim des Centars, weshalb wir weniger Kontakt zu ihnen haben.
Vor allem im Februar hat uns auch der Winter ganz schön in Schach gehalten. Mit Smog haben wir glücklicherweise nun schon lange nicht mehr zu kämpfen, aber der Winter kann sich trotzdem nicht ganz entscheiden, ob er nun gehen oder bleiben soll. Beschweren kann man sich darüber eigentlich nicht, denn das führt nur zu immer wiederkehrender Euphorie, sei es über einen plötzlichen Schneesturm oder die Frühlingssonne. Diese Freude unsererseits lässt sich am besten durch Susi und mich beschreiben, wie wir nachts um 11 Uhr mit schnell übergeworfenen Jacken und Schals in unserem Garten stehen, um eine Schneeballschlacht zu veranstalten. Leider wollte sich keiner unserer Italiener, von uns durch den Schlachtruf des Schneeballs ans Fenster gerufen, erbarmen uns Gesellschaft zu leisten. Und im Gegensatz dazu nur einige Tage später wir, wie wir mit Popi an der Leine kurzärmlig Gassi gehen. Ich werde mich sputen müssen noch einmal bei Schnee in den Bergen wandern gehen zu können, denn mir scheint jetzt befindet sich der Winter endgültig auf dem Rückzug.
Meinen Geburtstag habe ich im kleineren Kreis verbotener Weise mit den Italienern in unserer Küche gefeiert. Verboten, weil diese eigentlich dank eines Norditalienbesuchs in Quarantäne hätten sein sollen. Wir dachten eigentlich wir seien hier sicher, aber Corona ist also inzwischen auch angekommen. Wie sinnvoll eine häusliche Quarantäne in unserem Haus ist, bleibt zweifelhaft, immerhin haben alle Nicht-Inquarantinierten normal Kontakt mit den Italienern. Wir wollten uns davon jedenfalls nicht abhalten lassen und haben so zu 10. zusammen gefeiert.
Diverse Ausflüge gab es auch wieder, denn was wäre ein Eintrag ohne Berichte über unsere Reisen?
24/01/-26/01/ - Bosnische Gastfreundschaft
Der Erste führte uns nach Bjieljina, einer Stadt in der Republika Srpska und damit mein erster Besuch in eben jener. Genauergesagt bei Aleksander, einem Freund von Susi, der letztes Jahr seinen Freiwilligendienst in Aachen absolviert hat und bei dessen Familie wir wohnen durften. Auch sie beharrten sehr auf unserem ersten Besuch in der Republika und wollten uns möglichst viel der bosnischen Lebensweise näher bringen, was vor allem Fleisch und Rakija hieß. "Hier, probiert noch das, ihr habt doch kein Schweinefleisch in Sarajevo!" Diese rührende Fürsorge brachte uns bereits nach dem ersten Abend an unsere Grenzen - Nein, nein, wir sind wirklich satt. Nein danke, wir haben doch gerade erst gegessen. Ja ich probiere den selbstgemachten Burek und die geräucherte Wurst noch, aber wirklich nur ein ganz kleines Stück...-
Nachhause fahren lassen wollte man uns keinesfalls ohne Proviant vom eigenen Hof und so traten wir unsere Rückfahrt mit einer 2 Liter Flasche Rakija und einer großen Tüte voll geräucherter Salami, Schinken und Speck an. Wie wir die jemals verbrauchen wollen, ist mir ein Rätsel (Papa, die Salami, die du mir damals gekauft hast, ist immer noch nicht alle...).
Neben dem Essen sollte natürlich auch das Touristenprogramm nicht fehlen und so wurde Aleksander kurzerhand zum Touristenführer. Generell haben wir einfach ein bisschen die Stadt angeschaut, aber auch das "Etno Selo Stanišić", ein Showdorf im traditionell serbischen Stil. Auch dazu gehörte natürlich wieder Essen und der Besuch einiger Kafanas am Abend, denn es war zufällig gerade Aleksanders Geburtstag. Generell war es also vor allem der Besuch eines Freundes, aber auch eine gute Abwechslung am Wochenende.
Auch in Posavina beim Workshop war ich wieder, wo es diesmal mit der Integration schon viel besser geklappt hat. Es besteht also noch Hoffnung, es kommen immerhin noch drei Treffen.
28/02/-01/03/ - Die weiße Stadt
Und schlussendlich wohl das spannendste: unser Wochenendtripp nach Belgrad.
Freitag hatten wir uns frei genommen und uns noch im Dunkeln auf den Weg gemacht. Mit unserer ersten Existenzkrise wurden wir dann in den Bergen zwischen Tuzla und Sarajevo konfrontiert... Schmale Straßen, Lkws und ein hereinbrechender Schneesturm sind nicht unbedingt die optimale Mischung. Nach einer Stunde voller bosnischer Stoßgebete und nervösem Lachen im ganzen Bus konnten wir dann endlich in niedrigere Gefilde weiterfahren und auch nur mit etwas Verspätung in der weißen Stadt ankommen. Die Orientierung fiel uns sichtlich schwer, Belgrad kam uns so riesig vor gegenüber Sarajevo und eine Karte heruntergeladen hatten wir auch nicht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fanden wir jedoch unser Hostel, das billigste, was wir online hatten finden können, und betraten es etwas skeptisch. Was würde uns in einem Belgrader Hinterhof nahe der Busstation für knapp 7 Euro die Nacht erwarten? Ich muss sagen, meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen. Nicht nur, dass alles sehr ordentlich und vollkommen ausreichend war, obendrein gab es noch die Vermieterfamilie, bestehend aus drei Rentnern, die aufopferungsvoll auf ihrer Couch schliefen, um die 0-24h Rezeption garantieren zu können und sich jedes Mal wieder freuten, wenn wir sie mit unserem (hier) serbisch begrüßten. Da wir durch unsere Verspätung nicht wie geplant direkt unsere Stadtführung antreten konnten, entschieden wir uns, die Stadt so schon etwas kennenzulernen. Diesmal auch mit Maps ausgestattet fiel uns die Orientierung von Tag zu Tag immer leichter.
Generell hat mich Belgrad sehr überrascht und begeistert. Denkt man an Belgrad, dann hat man, oder zumindest ich, vor allem viel Beton in sozialistischem Stil und ein blühendes Nachtleben vor Augen. Viele Berichte davon, was Belgrad doch für eine hässliche Stadt sei, verbesserten nicht unbedingt meine Vorstellung. Ja, Belgrad hat einige sozialistische Bauten und ich würde die Stadt auch nicht als die schönste bezeichnen, die ich jemals gesehen habe, sie ist keine klassische Touristenstadt. Mit Städten wie Rom kann man sie deshalb auch einfach nicht vergleichen. Aber ich finde das muss man auch gar nicht, denn immerhin haben diese beiden Städte einen vollkommen unterschiedlichen Hintergrund und Belgrad bringt durch seine sozialistische Vergangenheit einen ganz eigenen Charme mit. Es gibt viele unheimlich gut erhaltene Gebäude im Barockstil, aber eben auch viele Häuser, denen man ihr Alter und die fehlende Zuwendung einfach ansieht, dazwischen die ein oder andere Bauruine. Und irgendwie macht das eine osteuropäische Stadt doch auch aus, oder?
Was mich aber vor allem begeistert hat, war, wie grün die Stadt trotz ihrer Größe ist. Steht man auf dem Kalimegdan, der alten Festungsanlage über der Stadt, und blickt auf die Mündung von Donau und Save, dann sieht man einerseits eine naturgeschütze Insel für Vögel und andererseits das grüne Ufer der Save mit ihren vielen Partyhausbooten. Ich habe mich sehr an Dresden erinnert gefühlt und einmal mehr festmachen können, was mich an Sarajevo als Stadt stört: Vielleicht, dass sie keinen richtigen Fluss hat, aber vor allem, dass es so gut wie keine Grünflächen gibt, vor allem nicht in Flussnähe, auf die man sich einfach setzen und das Wetter genießen kann. À propos Wetter: Belgrad war nun wohl unser erster Tripp, bei dem wir nicht durch Regen von unseren Plänen abgehalten wurden. Denn am Samstag hatten wir traumhafte Sonne, auch wenn es recht kalt blieb. Wir zogen unsere Stadtführung durch, bei der die wichtigsten historischen Sehenswürdigkeiten der Innenstadt, wie das böhmische Viertel Skandarljia, der Kalimegdan oder eine Silicon Valley genannte Straße, besichtigt wurden. Das meiste hatten wir zwar am Vortag schon gesehen, aber die Erklärungen war es trotzdem noch einmal wert. Am Vormittag hatten wir bereits etwas Neubelgrad erkundet, was sich jedoch als eher unspektakulär erwies, und machten uns deshalb nach der Stadtführung auf zum Tempel des heiligen Sava, der etwas außerhalb der Innenstadt gelegen ist. Auf Grund von Bauarbeiten konnten wir zwar den Innenraum der orthodoxen Kirche nicht besichtigen, wohl aber die Krypta, die definitiv einen Besuch wert ist. Schaut euch einfach das Foto an, ich möchte nicht wissen, wie viel all das Gold gekostet hat. Abends wollten wir natürlich auch etwas das berüchtigte Nachtleben Belgrads erkunden, was jedoch eher weniger von Erfolg gekrönt war.
Am Sonntag sollte es dann 16 Uhr schon wieder zurück gehen, deshalb ließen wir kurzer Hand das Frühstück sausen und schauten uns stattdessen das Nationalmuseum an, in dem einige jugoslawische und internationale Kunstwerke und ein Abriss über die serbische Geschichte zu finden sind. Das Museum ist an Sonntagen kostenlos, da kann man sich das schon mal anschauen. ;) Schlussendlich mit einem Zuckerschock von unseren Palatšinke zurück zum Busbahnhof, wo dann unser Finanzplan aufgrund fehlender Reservierungen leider nicht mehr auf ging... Aber zum Glück fährt Susi ja bald wieder zum Seminar nach Serbien.
Am Montag danach, also gestern, hatten wir ganz überraschend frei, da am Sonntag hier Unabhängigkeitstag war und man in Bosnien scheinbar auf ein Wochenende fallende Feiertage in der Woche danach nachholt. Eine Praxis, die man, finde ich, in Deutschland auch einführen könnte.
Die Hälfte meines Jahres ist ziemlich genau gestern um gewesen, ich weiß noch nicht genau, wie ich das finden soll... Jedenfalls bin ich gespannt auf den kommenden Sommer, denn wir werden, so hoffe ich, öfter unterwegs sein und noch einiges des Balkan sehen können.
Die nächsten Wochen sind jetzt jedenfalls wieder etwas ereignisreicher als die letzten, ihr könnt euch also auf einiges freuen. :)
Ihr lest von mir, ich hoffentlich von euch und bis dahin.
Ćao, Irma