Transsexualität - schon mit 3 Jahren?
Lucinda ist eigentlich ein Junge. Sie lebt in Malta und hat mir ihrer Transsexualität einige Hürden zu überwinden. Auch in Deutschland ist das Leben eines transsexuellen Menschen nicht einfach.
Während meines EVS in Malta lernte ich „Lucinda“ kennen, ein kleines Mädchen, das eigentlich ein Junge ist.
Lucinda ist jetzt 4 Jahre alt. Sie lebt als Mädchen und wird auch als solches erzogen. Die Familie unterstützt Lucinda in ihrer Rolle als Mädchen.
Lucindas Mutter erzählte uns, dass ihr „Sohn“ immer schon ein Mädchen sein wollte. Als er sich, mit 3 Jahren, versuchte, seinen Penis mit einer Schere abzuschneiden, war für die Mutter klar, dass er als Mädchen aufgezogen werden muss. Die Großeltern unterstützen die Mutter und auch der Vater ist trotz der Trennung von der Mutter auf ihrer Seite und lässt Lucinda als Mädchen groß werden.
Weil Malta sehr katholisch und konservativ ist, gibt es mit der Transsexualität der kleinen Lucinda einige Probleme. In Deutschland wäre die Situation sicher auch nicht einfach, aber in Malta gibt es noch weniger Möglichkeiten für Transkinder wie Lucinda. Die Schulen weigern sich zum Beispiel, Lucinda als Mädchen einzuschulen. Folglich besucht Lucinda gar nicht die Schule und bekommt nun bedingt Privatunterricht. In dem kleinen Land Malta gibt es wenige Ausweichmöglichkeiten auf andere Einrichtungen.
Aber auch im sozialen Kontext muss die Familie mit viel Akzeptanz leben. Viele Menschen in ihrem Umfeld verstehen nicht, warum die Mutter den kleinen Jungen als Mädchen aufzieht. Einige Eltern verbieten ihren Kindern den Umgang mit Lucina und auch mit ihrem älteren Bruder.
Trifft man Lucinda, trifft man eindeutig ein kleines Mädchen. Sie trägt ein rosa Kleid und Ohrringe. Ihre Lieblingsfarbe ist Pink und sie geht gerne mit ihrer Mutter zum Kaffekranz.
Die Mutter kämpft darum, dass Lucinda die nötigen Gutachten bekommt, um ihren Transweg zu gehen, und in dem Geschlecht aufzuwachsen, der ihrem Individuum entspricht.
Auch in Deutschland stoßen Eltern häufig an die Grenzen der Toleranz. Sicher hat dies auch mit Unwissen zu tun. Viele Menschen denken, dass ein so kleines Kind noch gar nicht wissen kann, dass es transsexuell ist und die Eltern den Kindern vielleicht das andere Geschlecht „anerziehen“.
Doch die Identitätsbildung, die Gestaltung des „Ich“, beginnt im frühen Kindesalter, zwischen zwei und vier Jahren. In dieser Phase der Identitätsbildung stellt die Geschlechteridentitätsausbildung einen natürlichen Prozess dar, der nicht sozial gesteuert werden kann.
Ein Mensch kann in jedem Alter eine Diskrepanz zwischen dem sichtbaren und dem erlebten Geschlecht feststellen, die aufgelöst werden muss. Wird diese Diskrepanz nicht erfolgreich aufgelöst, entsteht ein negativer Einfluss auf die Entwicklung. Denn der Wunsch und Drang, das selbst erlebte Geschlecht auch nach außen zu zeigen, ist für die Entwicklung der Persönlichkeit wichtig. Wird dies durch das Umfeld unterdrückt, sind psychische Schädigungen des Betroffenen wahrscheinlich. Junge Kinder versuchen sich zum Beispiel Körperteile, die sie als „falsch“ empfinden, zu amputieren. Dies war auch bei Lucinda der Fall.
Heute weiß man, dass das Identitätsgeschlecht im Gehirn festgelegt ist und eben in seltenen Fällen nicht mit dem körperlichen Geschlecht übereinstimmt. Trotzdem müssen sich transsexuelle Menschen zahlreichen Gutachten und Alltagstests bei Psychologen unterziehen, um als transsexuell „anerkannt“ zu werden und eine Behandlung zu erhalten.
Außerdem haben sie mit der „Transphobie“ der Gesellschaft zu kämpfen, die Transmenschen immer noch als abnormal einstuft und abstempelt. Häufig hat das Diskriminierung und Gewalt zur Folge. Doch nur wenn Transsexualität in der Gesellschaft besser akzeptiert wird, kann die Transphobie abgebaut werden und nur dann kann sich das Leben von Transmenschen normalisieren. Noch wird Transmenschen oft vorgeworfen, dass sie sich ihr Empfinden nur einbilden. Jemanden wie sie darf es nicht geben. Solche Aussagen sind für transsexuelle Menschen trauriger Alltag.
Ich hoffe, dass wir transsexuellen Menschen bald offener begegnen können und dass auch die kleine Lucinda in Malta ihren Transweg erfolgreich gehen kann.