Parlamentswahlen in Slowenien - gibt es Hoffnung für LGBTIQ+ ?
Diesen Sonntag waren Parlamentswahlen in Slowenien. Besonders für LGBTIQ+ steht vieles auf dem Spiel. Ein Blick in die Tage vor der Wahl, die Nacht der Entscheidung und die Hoffnungen für die kommende Legislatur aus der Perspektive der queeren Szene Ljubljanas.
Es gibt Hoffnung nach diesen zwei Jahren, in denen Ministerpräsident Janes Janša und seine rechtspopulistische Partei SDS es geschafft haben, Slowenien von Platz 22 auf Platz 36 der Rangliste der Pressefreiheit haben absinken zu lassen.
Nachdem die Slowen*innen am Sonntag mit 67% Wahlbeteiligung einen neuen Rekord feierten, haben sie außerdem der, erst vor einem Jahr gegründeten, grünliberalen Partei Svoboda (deutsch: Freiheitsbewegung) zum Sieg verholfen. So könnte nun bald eine Koalition der sozialdemokratischen SD und der ökosozialistischen Linken Levica, dem Rechtsruck Sloweniens Einhalt gebieten.
Besonders queere Menschen freuen sich über dieses Ergebnis, denn sie gehören zu denen, die stark unter Janšas rechtsnationaler Politik zu leiden haben. “Dennoch ist das Wahlergebnis ein Abbild unserer Unterdrückung; Viele Menschen haben taktisch gewählt und sich für die grade populärste Partei Swoboda entschieden und verzichtet, die Partei ihrer eigentlichen Überzeugung zu unterstützen - sowas passiert erst, wenn man sich aus Furcht vor weiteren Repressionen auf eine Seite schlägt, das passiert in keiner funktionierenden Demokratie ” erklärt ein Mitglied der LGBTIQ+ Community ihre Wahlentscheidung.
Noch kurz vor der Wahl initiierte die Bürger*innenbewegung Glas Ljudstva (Stimme der Menschen), bestehend aus 100 NGOs, einen gigantischen Endspurt der Wahlmobilisierung. Entstanden ist die Ehrenamtliche Bewegung mit dem Ziel, der immer repressiver werdenden Politik zu entgegnen. Am Freitag vor der Wahl traten bekannte Sänger und Sängerinnen, Bands und Poeten auf einer großen Bühne vor dem Parlament auf, tausende Menschen standen im Regen, tanzten, riefen Parolen und ließen riesengroße Luftballons mit der Aufschrift “Gremo Volit” auf und ab hüpfen, stießen sie, mit geballten Fäusten immer und immer wieder in den Himmel.
Gremo Volit! Lasst uns wählen gehen! Die Parlamentswahlen waren und sind eine Chance für Slowenien. Für viele Menschen aus der LGBTIQ+ Community aber auch verbunden mit Angst und Misstrauen. Denn was, wenn alle Kampagnen umsonst, wenn zwei Jahre Protest jeden Freitag gegen Repressionen und für Meinungsfreiheit nicht genug waren, der Anführer der Freitagsproteste Jaša Jenull mit seinen flammenden Reden und der kämpferischen Gestik doch nur die erreicht haben würde, die erreicht werden wollen.
Für alle Menschen, die sich am Freitag vor dem Parlament ein letztes Mal zusammenfanden, steht eines fest: der jetzige Premierminister Janez Jansa darf nicht noch einmal an an die Regierungsmacht. Nachdem ein Links- Mitte- Minderheiten-Bündnis 2018 zerfallen war, regierte der ehemalige Verteidigungsminister nun schon zum dritten Mal als Primär. Der enge Bekannte Orbans und Trump-Fan tauschte trotz wachsender Kritik Mitarbeitende in staatlichen Medien, Behörden und Institutionen gegen neue, Regierungsnahe aus. Seine wenig erfolgreiche Corona-Politik nutzte er für die Verunsicherung der Bevölkerung. In der LGBTIQ+ Community sorgte er mit agressiver Anti-LGBT-Rhetorik und der offenen Unterstützung der Ungarischen Anti-LGBT-Politik für Wut und Sorge. “Svobodas einziges großes Versprechen war es, der korrupten Politik Janšas ein Ende zu setzen, damit konnten sie überzeugen” sagt eine Aktivistin am Wahlabend.”
Auch Ljubljana Pride ist Teil von Glas Ljudstva. Im Sommer organisieren sie das Pride Festival, in Ljubljana sind sie bekannt für ihre Sichtbarkeit in der Politik, ihre schnellen Reaktionen auf Diskriminierungen von LGBTIQ+ in der Öffentlichkeit. Davon gab es in den letzten zwei Jahren viele.
Für viele ist Levica, die 2017 neu gegründete ökosozialistisch-demokratische Partei eine große Hoffnung, die am Sonntag es grade so schaffte, die vier Prozent Hürde zu übersteigen und mit 5 Sitzen in das Parlament einziehen wird. Zwei offen queere Menschen traten für sie an: eine Seltenheit in Slowenien.
Wie auch die mit sieben Sitzen ins Parlament gewählte sozialdemokratische SD, will Levica das Recht der Adoption für homosexuelle Paare einführen und will Transmenschen ermöglichen, das Geschlecht auf der Grundlage von Selbstbestimmung rechtlich anzuerkennen.
Für eine linksliberale Koalition würden die Stimmen von Svoboda und SD ausreichen, käme Levica hinzu, würde eine linksgrüne Regierung gegen zwei rechtspopulistische Oppositionsparteien regieren. Ist ein Wandel in Sicht?
Die Meinungen sind gespalten.
“Wir haben das nun zum vierten Mal: Eine neue Partei gründet sich kurz vor der Wahl, Wähler*innen stürzen sich auf sie, da sie eine Hoffnung wittern; Am Ende geht es dieser Partei aber nicht um eine ernsthafte Verbesserung sondern um das Erlangen der Macht”, sagt die Festival-Koordinatorin von Ljubljana Pride frustriert. Sie hat Angst, dass ihr Land erneut in eine Falle der leeren Versprechen getappt ist.
Simona Mursec, Präsidentin von Ljubljana Pride, versucht einen positiven Blick in die Zukunft: “Die Erwartung ist, dass sich strukturelle Verbesserungen einstellen, zum Beispiel die Schaffung eines Organes, dass sich nur mit LGBTIQ+ beschäftigt.” Auch erhofft sie sich eine Verbesserung der LGBT-Rhetorik im politischen und öffentlichen Diskurs. “Vielleicht gibt es in Zukunft weniger hasserfüllte Kommentare gegenüber Minderheiten.”