Hollywoodreif
Ich habe Improv-Theater gemacht! Mehr muss ich gar nicht sagen!!
Na ihr, alles gut? Ich schreibe euch grad auf der Basis von drei Tassen schwarzem Kaffee und nicht viel mehr. Heute ist kein guter Tag… aber ich muss anfangen, auf der Basis von Disziplin und nicht Motivation zu arbeiten. Und diese Woche ist etwas Aufregendes geschehen!
Komisch, wie man nach einer Woche schon wieder völlig im Arbeitsalltag ist. Es ist zumindest sehr seltsam, zu denken, dass ich vor einer Woche vor dem Parlamentspalast in Bukarest stand… nun bin ich wieder hier. Es hat sich einiges verändert. Zwei von drei Erzieherinnen haben gekündigt, was uns in unseren Ferien per Mail mitgeteilt wurde, obwohl das Ganze anscheinend seit Monaten klar war. Denn wer hält es schon für nötig, uns früher zu informieren? Alkie kehrte zu einem Zettel an ihrer Tür mit der Aufschrift “Du musst diese Woche bis 18 Uhr arbeiten” zurück. Manchmal bin ich einfach froh, dass sich niemand für die Babygruppe interessiert, denn so werden wir wenigstens von all diesem Quatsch verschont.
A nyelv magyarul nem könnyü...
Wir haben endlich eine neue Erzieherin zur Unterstützung bekommen, Evelyn. Sie ist prima, ihr Englisch ist etwas gebrochen, und manchmal spricht sie Ungarisch mit mir. Das ist super! Ich verstehe recht viel! Nur kann ich nicht besonders artikuliert antworten… schlimmer ist es lediglich mit den Eltern, die nur Rumänisch sprechen. Da kommt dann sowas wie “Wieso weint mein Sohn?” “Eh… Bogdi ist gut… Tag. Er ist dort, und Mama kommt, und er weint”. Genau.
Evelyn hat ihren kleinen Sohn, Bence, in der Kita angemeldet. Er ist ein bissche zu alt für die Gruppe, hört aber nicht auf zu weinen, wenn wir ihn nach oben schicken, und er ist ganz liebenswert. Alles, was er sagt, klingt wie eine Frage… ja, die anderen Kinder sind ganz die Alten. Tudor ist diese Woche zum ersten Mal ganz allein aufgestanden, ohne sich an irgendwas festzuhalten! Er stand für fast dreißig Sekunden und war so aufgeregt! Es macht mich so emotional, an den Oktober zu denken, als er nichtmal allein auf dem Boden sitzen konnte, ohne umzukippen.
Unsere Ungarischstunde wurde schon wieder abgesagt, zum dritten oder vierten Mal in Folge, und langsam komme ich mir ein bisschen blöd vor. Wir sollten vor Weihnachten fertig sein, und nun endet das Ganze frühestens im März. Zwanzig Stunden innerhalb von sechs Monaten sind schon lächerlich. Nunja, viel habe ich in diesem Unterricht sowieso nicht gelernt…
On fait la cuisine
Montag war ich wieder im Französischkurs, und wir kochten ein paar sehr einfache Sachen (“ouefs á la coque” hieß es, so oder ähnlich), die nur schwierig waren, weil ich keinerlei Wortschatz habe. Mann, langsam schäme ich mich wirklich für mein gebrochenes Französisch. Das muss wirklich bald besser werden!
Dienstag fand der letzte Actopia-Workshop vor der Aufführung statt, und irgendwie ergatterte ich die Rolle der Freundin (girlfriend-Freundin, nicht best-friend-Freundin) der Hauptcharakterin. Oh Gott! Langsam wurde es real, und langsam konnte ich meine Nervosität mit Händen greifen. Mittwoch schoben wir noch eine Generalprobe ein, aber vorher brachte ich Marleen was zu essen von Samsara, damit sie schneller gesund wird. Sie wirkte ziemlich traurig… kein Wunder. Karen stieß auch dazu, so verrückt und laut wie immer, und gab mir einen Glückstee für die Aufführung (und eine gefrorene Himbeere, aber das war nicht ganz so toll, hilfe). Sie ist so lieb.
Bühne frei...
Und dann kam der Tag der Aufführung, ich nahm mir extra die Frühschicht, um nicht in Stress zu geraten, und was geschieht? Ich verschlafe, und wache eine halbe Stunde vor unserem Treffen auf. So viel zum Thema “kein Stress”! Ich konnte nichtmal den Glückstee trinken! Irgendwie schaffte ich es pünktlich, fragt mich nicht wie! Vielleicht war es gut so, denn ich hatte keine Zeit, panisch zu werden, bis ich ankam. Dort traf mich das Lampenfieber dann mit voller Wucht. Oh Hilfe. Ihr müsst wissen, dass ich in meinem Leben vorher erst einmal einigermaßen ernstes Theater gespielt habe - und damals war ich eine betrunkene Pilotin im Literaturkurs unserer Schule. Und war am Abend der Aufführung vielleicht auch tatsächlich betrunken. Das hier war ganz anders, ich war… naja, zunächst einmal nüchtern, ich hatte keinen wirklichen Skript, da es Improv war, ich musste das Stück beginnen und beenden und, da wir ein Forumtheater aufführen, im zweiten Durchgang mit Fremden aus dem Publikum spielen.
Ach, übrigens, das Publikum war voll! Vier oder fünf Reihen… Bogdan hatte seine “Drohung” vom Vortag wahrgemacht und war gekommen und hatte sogar andere Leute mitgeschleppt, und ich erkannte noch ein paar andere Bekannte und Freunde. Und Alkie. Sie war tatsächlich da, um mich zu unterstützen. Das bedeutete mir viel… jetzt war es wirklich zu spät um wegzurennen (auch wenn wir hinter der Bühne Witze machten, einfach durch die Hintertür zu fliehen bevor es losging).
Der erste Durchgang lief okay. Jiks und ich hatten sogar eine Fast-Kuss-Szene, nicht, dass mir das den Amateur-Status nimmt… ich bin sehr froh, dass ich das Ganze mit ihr spielen durfte. Auf der Bühne nahm sie es sehr ernst und machte sich über nichts lustig, hinter dem Vorhang rissen wir aber die ganze Zeit Witze und nannten uns gegenseitig “Honey” und “Darling”. Im zweiten Durchgang wurde es dann zu verrückt. Im Forumtheater darf und soll das Publikum Charaktere ersetzen oder neue Charaktere hinzufügen. Während der ersten Szene hielten sich noch alle zurück, dann schlugen sie umso mehr über die Stränge, ahaha. Alkie ersetzte Lara als die Mutter meiner Freundin, der “Patenonkel aus Bukarest” stieß plötzlich dazu, meine Freundin wurde durch einen Kerl ersetzt… ich konnte einfach nicht ernstbleiben, ich habe es sehr versucht. Aber letztendlich stand ich auf der Bühne, mein Charakter eigentlich total im Stress, und lachte mich kaputt - es war eine große Erleichterung, als ich endlich von Isabella ersetzt wurde.
Unfassbar! Ich habe es wirklich getan, Improv-Theater! Ich habe laut gesprochen, ich habe nicht gestottert, ich habe mit Fremden improvisiert, ich habe die Leute sogar zum Lachen gebracht, ich habe alle überzeugt, dass mein Charakter viel Selbstvertrauen hat, ich habe so viele Komplimente bekommen! Wow! Ich kann es immer noch nicht fassen! Und ich habe mich einer meiner größten Ängste gestellt! Es fühlt sich so gut an. Jeder, der mich jemals "eingeschüchterte Dschibbels" genannt hat, kann hiermit einpacken. Dieses Jahr bringt das Allerbeste in mir zum Vorschein!
Tja, also, das war das. Morgen geht es los zur Midterm Evaluation, und ehrlich gesagt bin ich froh, wenn das vorbei ist. Danach fahre ich mit Olivia nach Sighisoara, worauf ich schon deutlich mehr gespannt bin.
Wir werden sehen. Bis dann!