Es geht weiter - Über das Ankommen, Zurücksein, Einleben und Weitergehen
Eigentlich wollte ich diesen Artikel schon im September schreiben, nachdem ich aus Ungarn zurück gekommen bin, allerdings habe ich gemerkt, dass es mir wohl mit etwas zeitlichem Abstand leichter fällt.
Veränderung
Meine Reise von Ungarn zurück nach Deutschland ist reibungslos verlaufen und die Freude am Bahnhof war auch groß. Nachdem ich ein kleines „Welcome back“ zusammen mit einigen Freunden und Freundinnen bei mir zu Hause veranstaltet habe und meine altes Orchester besucht habe, war das Wiedersehen mit Freunden, Familie und Bekannte „abgehakt“. Ich war sehr erstaunt darüber, wie wenig sich während des Jahres meiner Abwesenheit verändert hat. Der Zeitungsstapel lag immer noch an der selben Stelle, die Garage war wie immer vollgestellt und auch mein Zimmer sah aus, wie ich es verlassen haben. Auf der anderen Seite wäre es allerdings auch sehr seltsam, wenn es nicht mehr so wäre, wie es vorher war. Doch woher kommt dann der „Kulturschock“, von dem so viele Ex-Freiwilligen sprechen? Während seines Jahres verändert man sich natürlich schneller als sich die Menschen zu Hause verändern. Das liegt wahrscheinlich an all den neuen Eindrücken, Erfahrungen und Menschen, die man während seines Auslandsjahres trifft. Sicherlich habe ich mich auch verändert, wobei ich finde, dass „sich weiterentwickeln“ besser zutrifft. Schließlich war es das erste Mal für mich weg von meinen Eltern, außerhalb Deutschlands, in einer WG und mit einem Alltag auf Englisch. Die Frage, die ich mir stelle ist, ob ich mich viel anders entwickelt hätte, wenn ich nicht in Ungarn, sondern beispielsweise in Berlin gelebt hätte?
Fakt ist, dass ich zurück in Deutschland keinen „Kulturschock“ erlebt habe. Für mich hat es sich so angefühlt, als ob ich gerade erst gestern das Haus mit meinem vollgepackten Koffer verlassen habe, weil sich a) wenig zu Hause verändert hat und b) die Gewohnheiten, die ich seit 18 Jahren lebe gezeigt haben. Wenn man eben schon 1000 Mal die Treppe hoch und runter gelaufen ist, dann fühlt sich das 1001. Mal auch nicht anders an. Die Macht der Gewohnheiten unterschätzt man, glaube ich oft.
Zu Hause
Wie schon in anderen Beiträgen geschrieben, habe ich das Zu-Hause-Sein genossen. Ich musste mich nicht mehr täglich um die Nahrungssuche kümmern, hatte einen Raum für mich alleine, konnte Tuba spielen, unsere Kücken bespaßen, Hühner sauber machen und endlich wieder deutsche Wortwitze machen. Allerdings habe ich auch die Internationalität vermisst, was mir besonders nach dem EuroPeers Training aufgefallen ist. Vorbei war es mit Louies und meinen Kochabenteuern, Laufen mit den estonischen Freiwilligen, schlechte Witze über Deutsche, täglich Ungarisch zu üben und den Status der ausländischen Freiwilligen. Doch da ich mich gleichzeitig auf Zuhause gefreut habe, mit all den Vorzügen, war es okay, die Wahrheit liegt schließlich (immer) in der Mitte.
Auf in’s Studium
Gegen Ende September habe ich dann meine Sachen für den Umzug nach Passau gepackt. Das gestaltete sich ein wenig entspannter als im letzten Jahr, da nun mein ganzes Hab und Gut nicht mehr nur in einen Koffer passen musste, sondern ich dafür ein ganzes Auto Platz hatte. Am Ende bin ich mit sechs Klappkisten, einem Koffer, Fahrrad, Tuba sowie E-Piano (wogegen zwar meine Mutter war) losgefahren, was mir im Verhältnis sehr viel vorgekommen ist.
Als ich im Sommer meiner Freundin von meinem Plan erzählt habe, im Anfang September aus Ungarn zurück zu kommen und Anfang Oktober nach Passau zu ziehen, hat sie mich gefragt, ob das nicht ein wenig schnell wäre. Darüber hatte ich zuvor noch gar nicht nachgedacht, da ich dachte, dass ein Monat reicht, um anzukommen, auszupacken und wieder einzupacken. Und es hat auch gereicht. Die letzten Wochen war ich sogar ungeduldig, endlich nach Passau zu fahren und mit dem Studium loszulegen. Und auch jetzt, wo ich hier in Passau in meinem Studentenwohnheimzimmer sitze, habe ich nicht das Gefühl, mich gehetzt zu haben. Schließlich ist Passau noch in Deutschland, wenn auch knapp.
Immer weiter
Auf der einen Seite ist der Beginn des Studiums oder der Ausbildung schon ein großer Schritt. Der erste Schritt in Richtung Selbstständigkeit und in das eigenverantwortliche Leben. Weg von zu Hause. Man spezifiziert sich auf den Bereich, der einen (hoffentlich) am Meisten interessiert, wodurch man zwangsläufig andere Möglichkeiten ausschließen muss. Ein nächster Lebensabschnitt fängt an, für die ältere Generation „der Ernst des Lebens“. Doch ich persönlich habe das Gefühl, dass durch meinen Freiwilligendienst dieser Schritt ein wenig kleiner geworden ist. Ich weiß nun, wie es ist, weg von zu Hause und eigenverantwortlich zu leben und mit anderen Nationalitäten unter einem Dach. Dadurch ist für mich nicht alles neu und ich bin zumindestens in Sachen „Alltagsleben“ kein Anfänger, anders als im Studium. XD
Auf der anderen Seite kann man aus einer Maus einen Elefanten machen. Ja, die Studiumsentscheidung ist eine Entscheidung, die das Leben prägen wird. Doch der Weg verläuft ja bekanntlich nicht schnurgerade, sondern mit vielen Kurven und Wendungen. So kann man immer noch wechseln oder sich umentscheiden, wenn es einem nicht gefällt. Keine Entscheidung ist für immer! Und das Leben geht weiter, egal ob in Nettlingen, Nagyvázsony oder Passau.
Wie geht es mit meinem Beiträgen weiter?
Bleibt noch die Frage, ob und wie viel ich weiterhin schreiben werde. Ursprünglich dient mein Blog paulasblog.de dazu, um meine Erfahrungen von meinem Jahr in Ungarn für Familie und Freunde in Deutschland zu teilen, aber auch für mich war es ein toller Weg, eine Art „Tagebuch“ zu schreiben und zugleich das Blogschreiben zu lernen. Daran habe ich so viel Gefallen gefunden, dass ich für das Erste einmal damit weitermache und über meinen Studienstart berichte, schließlich will meine Familie auch informiert bleiben. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass ich Zukunft über Themen schreibe, die mich einfach beschäftigen, z.B. Umweltschutz, jung sein, Fahrrad fahren oder reisen. Wenn sich neben dem Studium noch Zeit dazu findet…