Antep, seni seviyorum!
Warum ich froh bin, in Antep zu sein.
Die letzte Woche war ereignisreich, chaotisch und – schön.
Dienstagabend erreichen wir den Otogar in Fethiye. Can, Chef der „Fethiye Volunteers for Nature“ verspricht uns am Telefon, eine Freiwillige werde uns von dort abholen. Fünfzehn Minuten vergehen, ohne dass jemand auftaucht. Im zweiten Telefongespräch mit Can beschreibt er uns den Fußweg zur Association und wir sind nach fünf Minuten dort. Monique, die Freiwillige, die uns abholen sollte, war gerade im Türkischkurs und wusste von allem nichts.
Mittwoch: die Fethiye-Freiwilligen sind sich einig – das Wohnzimmer soll wohnzimmerlicher werden. So wurden Pläne geschmiedet, wie man die Möbel umstellen und die Wände neugstalten kann. Kurzerhand als „Activity“ eingebunden, wird der Tag damit verbracht, die Wände neu zu grundieren und immerhin auf eine Wand das Logo der „FVFN“ anzubringen. Das hat zwar nicht viel mit Naturschutz zu tun aber immerhin macht es Spaß.
Donnerstagvormittag, Strand von Müll befreien. Wir fahren also mit dem Minibus der FVFN zu einem malerischen kleinen Strand in der Nähe von Fethiye und fangen an, die über den Strand verteilten Hinterlassenschaften der Badegäste einzusammeln. Besonders viel Müll ist interessanterweise unter einem Baum zu finden, der ein Schild trägt mit der Aufschrift: „Müll abladen verboten!“
Nach zwei Stunden sind zehn Müllsäcke voll und der halbe Minibus, mein Sitz auf der Rückfahrt ist ein Müllsack. Dass die Strandanarchisten von Fethiye an dem betreffenden Strand so fleißig sind, mag auf fehlendes Umweltbewusstsein zurückzuführen sein; vor allen Dingen aber auch – und das ist viel banaler – auf fehlende Mülleimer. Wo sollen die Leute den Müll denn hin tun, wenn es keine andere Entsorgungsgelegenheit gibt als die Natur? Klar, jeder könnte den selbst erzeugten Abfall auch wieder mitnehmen aber was will man erwarten von Leuten, für die Begriffe wie Mülltrennung und Recycling Fremdwörter sind.
Also keine Mülleimer. Ursache: der Strand liegt genau zwischen zwei Verwaltungseinheiten. Keine der Bezirksregierungen sieht sich für die Abfallentsorgung im betreffenden Gebiet zuständig.
Kommt man also eine Woche nach unserer Reinigungsaktion wieder an den Strand, bietet sich einem das gleiche Bild, wie vor der Reinigung. Mein Vorschlag an die Freiwilligen: sammelt den Müll zusammen wie immer aber schmeißt ihn diesmal nicht in die Müllcontainer am Hafen, sondern stellt die zehn stinkenden Säcke Abfall vor die Gebäude der Bezirksregierungen.
Diese Leute sind zuständig und sie sollen sich nicht daran gewöhnen, dass ihr für sie den Müll wegräumt.
Freitag – „Evaluation“: ich beschreibe mal kurz, wie eine Evaluation bei uns (GEGED in Gaziantep) aussieht. Wir sitzen im Gemeinschaftsraum, Blätter mit Fragen werden ausgeteilt. Diese Fragen sind jede Woche die gleichen und betreffen die Zufriedenheit mit Unterbringung, Mentoren, Aktivitäten, Essen usw. Sind alle mit dem Fragebogen fertig, gibt es noch Zeit, Probleme, Fragen etc. im Gespräch mit den Mitarbeitern der Association zu klären.
In Fethiye sieht die Sache ein bisschen anders aus: man sitzt im Wohnzimmer, Musik läuft, zwei bis drei Leute sitzen hinter ihren Laptops. Der Rest schreit durcheinander und aufeinander ein, mal geht es um Themen der Association, mal um komplett andere Sachen.
Ich bin kein Spießer und wenn bei dem Ganzen etwas herumkommen würde, würde ich auch gar nichts sagen. Wenn aber nach der Evaluation eine Hälfte der Leute unzufrieden herauskommt, weil sie nicht zu Wort gekommen ist und die andere Hälfte unzufrieden herauskommt, weil sie keine Lust auf die nächste Activity hat, dann bin ich froh, dass ich in Antep meinen EVS mache..
Wir haben regelmäßige wöchentliche Aktivitäten, wir können damit planen, haben einen (Wochen-) Plan und wir haben Leute, die das Ganze organisieren. Gleichzeitig bleibt uns Raum, das Programm selber zu gestalten, wir bringen Vorschläge ein und stimmen darüber ab, ob beispielsweise Aktivitäten eingestellt oder fortgesetzt werden sollen. In Fethiye bespricht man am Abend vorher, was man am nächsten Tag machen könnte. „Cleaning the beach“ zum Beispiel. „Oh nein, nicht schon wieder!“. Wenn man sich die Sinnhaftigkeit der oben beschriebenen Aktion anschaut, kann ich solche Reaktionen nachvollziehen.
Hier soll nicht der Eindruck entstehen, in Fethiye sei alles scheiße. Das ist es nicht. Die Activities sind eben nicht gerade der Wahnsinn. Wenn man ein halbes oder gar ein Jahr hier EVS macht, taucht die Frage auf, ob man diese Zeit nicht anderswo sinnvoller verbringen kann.
Dafür kann man gut Party machen. Freitagnacht verbringen wir im „Car Cemetery“, einer mit verschrotteten Karren nostalgisch eingerichteten Kneipe. Sehr chillig, die Alkoholpreise sind astronomisch und die Musik in der Regel Charts (also unterirdisch). Die Leute sind sehr entspannt und offen, man kommt ständig mit jemand ins Gespräch oder zum Tanzen. Außerdem sind die Wände mit Schildern verziehrt wie: „Beer. The reason why I get up every afternoon!“. Schonmal ein Pluspunkt. Ein anderes schönes Schild (diesmal ernst gemeint!): „Thank you for observing our no smoking policy!“. Außerdem eine alte, dicke Frau mit Kopftuch, die Rosen verkauft und nicht davor zurückscheut, zu Chartbeats das Tanzbein zu schwingen. Zweiter Pluspunkt.
In den frühen Morgenstunden geht’s dann, einiges weniger flüssig im Portemonnaie, dafür mit umso mehr Flüssigem im Magen, zurück zur Flat. Auskatern. Bis in den Nachmittag hinein.
Samstag nochmal Car Cemetry, wieder neue Leute kennengelernt und ein paar lustige Videos gedreht. Sonntag dann der krönende Abschluss: Ölüdeniz – chillen am Strand bei strahlendem Sonnenschein. Erst baden, dann Sonnenuntergang anglotzen. Sehr gut.
Heute ist Dienstag und wir verbringen die Nacht im Airport von Antalya (warm, kuschelig, sicherer als der Otogar). Wir sind also auf der Rückreise, die hoffentlich morgen ihr Ende finden wird in Antep.
Wünscht uns Glück.
__________________________________________________________
http://www.flickr.com/photos/derkommissar/sets/72157628137695559
Commentaren