An der Westsee
Ein litauischer Nationalfeiertag bescherte evil_eva ein langes Wochenende, welches sie mit einigen anderen nutzte, um durchs Land zu reisen. Bei der Kälte ist das nicht immer entspannend.
Da in Litauen am 16. Februar Nationalfeiertag ist, hatten wir im Projekt ein verlängertes Wochenende. Ich habe diese vier Tage genutzt, um mit drei anderen Freiwilligen nach Klaipeda zu fahren: Irene aus Italien, die auch erst seit einer Woche in Litauen ist, und Sebastien und Christel aus Frankreich, die beide schon seit September hier sind.
Klaipeda liegt ganz im Westen von Litauen, hinter einer Landzunge. Im Reiseführer habe ich gelesen, dass Klaipeda von der Architektur her sehr deutsch ist: viele Fachwerkhäuser und Backsteinbauten. Das stimmt zwar, aber es war doch sehr anders als bei uns in Süddeutschland. Die Häuser in der Innenstadt sind alle sehr altmodisch und farbenfroh - total schön! Im Sommer ist Klaipeda ziemlich touristisch, aber zu dieser Jahreszeit hatten wir die Jugendherberge für uns.
Von dort aus haben wir uns dann auch die Stadt angeschaut. Am Donnerstagabend waren wir mit Damien, einem Franzosen der seinen Freiwilligendienst in Klaipeda macht, bei einer Aufführung mit traditionellem Gesang und Tanz. Hinterher gab es Abendessen und Getränke in der Wohnung von Sebastien (Nr.2), einem guten Freund von Damien.
Freitagmorgen war der erste Morgen in Litauen, an dem ich richtig ausschlafen konnte. Natürlich war ich schon um zehn Uhr überhaupt nicht mehr müde und habe stattdessen mit Irene zusammen gemütlich gefrühstückt. Gegen Mittag ging es dann los in Richtung Altstadt, die wirklich sehr schön ist. Für mich war der einzige eindeutig deutsche Aspekt allerdings das Simon-Dach-Denkmal mit Ännchen-von-Tharau-Statue.
Am späten Nachmittag sind wir dann vor der Kälte in das nobelste Hotel von ganz Klaipeda geflüchtet, wo man im zwölften Stock mit Panoramablick sehr gut (und für hiesige Verhältnisse auch sehr teuer) essen kann. Bemerkenswert ist auch die zugehörige Toilette mit Aussicht.
Danach mussten wir uns beeilen, um noch vor Dunkelheit in den Skulpturenpark zu kommen. Die Skulpturen sind alle eher modern, teilweise sehr interessant. Leider war es zu kalt, um lange zu bleiben.
Aufwärmen konnte man sich in dem Restaurant, in dem wir dann waren, zwar nicht so gut, dafür war es ziemlich originell: die Meridianas ist ein altes Schiff und Wahrzeichen von Klaipeda. Heute liegt sie nur noch auf dem Nemunas (Memel) und ist zum (sehr guten) Restaurant umfunktioniert worden.
Nach dem Essen sind wir zur Eishalle gefahren, um uns dort auszutoben - wobei ich gerne für etwas mehr Geld Schlittschuhe gehabt hätte, die man nicht als Folterinstrument verwenden könnte. Den Abend haben wir in einer Bar namens Memelis verbracht: Live-Jazz-Musik und eine tolle Atmosphäre.
Für den Samstag war ein Ausflug nach Nida geplant. Das ehemalige Fischerdorf liegt auf Neringa, der Landzunge vor Klaipeda, was für uns über eine Stunde Fahrt mit Fähre und Minibus bedeutete. Der Großteil der Strecke verläuft allerdings durch einen Naturpark, zu dem auch Nida und die Kurische Nehrung gehören, so dass wir trotz sehr holpriger Straße eine schöne Aussicht genießen konnten. In Nida angekommen haben wir uns sofort zu einem Spaziergang auf der zugefrorenen Lagune aufgemacht. Das Eis ist nach Schätzung eines "Einheimischen" etwa 50 Zentimeter dick und mit mehr oder weniger hohen Schneewehen bedeckt, was das Laufen extrem erschwert. Aber die Aussicht hat uns für alles entlohnt: auf der einen Seite Nida mit seinen Holzhütten, auf der anderen Seite die Dünen der Kurischen Nehrung, und überall sonst Schnee und Eis soweit das Auge reicht. Wir sind etwa eine Stunde über das Eis gestapft, wobei wir sogar einen der vielen Eisangler überzeugen konnten, uns diesen Volkssport auch einmal ausprobieren zu lassen.
Obwohl sich einige von uns danach schon etwas nach einem warmen Tee und einem Platz zum Ausruhen gesehnt haben (Irene und ich waren ziemlich stark erkältet), ging es von dort aus sofort weiter in die Dünen. Nach einem ziemlich steilen Aufstieg wurden wir mit einem traumhaften Panorama belohnt: Überall Sand und Schnee. Und die Dünen reichen bis zum Horizont. Bei besserem Wetter kann man bis ins Kaliningrader Gebiet sehen. Uns ist auf jeden Fall klar geworden, warum Nida und die Kurische Nehrung die beliebtesten Touristenziele in ganz Litauen sind.
Endlich zurück in Nida (trotz der unglaublichen Aussicht waren Irene und ich beide am Ende unserer Kräfte), mussten wir sehr lange suchen, um das einzige geöffnete Restaurant im ganzen Ort zu finden. Das war dafür angenehm warm, bis jemand beim Versuch, den Holzofen einzuheizen, soviel Rauch produzierte, dass der Rauchmelder losging und die Feuerwehr kam.
Die Anderen wollten hinterher eigentlich noch einen Spaziergang auf der anderen Seite der Halbinsel machen, aber da es schon dunkel wurde, mussten wir diese Aktion auf den Sommer verschieben, in dem wir fest vorhaben, wiederzukommen. Stattdessen konnten wir uns vor dem Abendessen noch ein paar Stunden in der Jugendherberge ausruhen.
Ich habe mich dann spontan entschieden, abends (trotz meiner Krankheit) mit Seb, Damien und Christel in einen Club zu gehen, da ich diese Möglichkeit in Elektrenai nicht habe. Als wir den Club betreten hatten, habe ich meine Entscheidung allerdings ein wenig bereut: der Club bestand aus einer riesigen, aber leeren Bar mit Plüschsofas und -sesseln und einem Raum mit Tanzfläche, in dem den ganzen Abend nur Techno lief. Eigentlich ist Techno überhaupt nicht meine Musik, es war dann aber doch ganz lustig, möglichst ausgefallen zu tanzen. Wir sind dann tatsächlich bin um halb vier geblieben, als der Club schon fast leer war (allerdings haben wir nicht die ganze Zeit durchgetanzt).
Heute Morgen sind Seb, Irene und ich schon sehr früh aufgestanden, um noch an den Strand zu fahren. Bis dahin hatten wir immer nur die Lagune gesehen, die komplett zugefroren war, aber nie das offene Meer. Hier gab es Eis nur da, wo sich die Wellen brechen. Es war trotzdem sehr schön am Strand, vor allem, da zu dieser Jahreszeit kaum Leute unterwegs sind. Jetzt habe ich die Ostsee auch mal von der anderen Seite gesehen.
Die Rückfahrt war eine ziemliche Odyssee: eigentlich wollten wir von Klaipeda aus mit dem Bus um Eins nach Vilnius fahren. Wir waren auch schon sehr früh am Busbahnhof, um unsere Tickets zu kaufen, aber dort wurde uns leider mitgeteilt, dass es für den ganzen Tag keine Tickets mehr nach Vilnius gab. Damit hatten wir nicht gerechnet, da am Tag etwa zwanzig Busse von Klaipeda nach Vilnius fahren. Der Zug wäre erst um fünf Uhr gefahren und ist in Litauen sowieso langsamer als der Bus.
Zum Glück konnten wir neben dem Bahnhof noch einen Minibus finden, der nach Vilnius fuhr. So konnte ich auch ganz gemütlich direkt in Elektrenai aussteigen, wo mich Agné abgeholt und ins Tageszentrum gebracht hat.