Afera Podsłuchowa - Das Abhören ist in Polen noch nicht vorbei...
Die polnische Politik wird momentan durch eine Abhöraffäre erschüttert. Zumindest vonseiten der Opposition wird das Wörtchen „Neuwahlen“ gern in den Mund genommen
Sind es PiS-Unterstützer im Geheimdienst? Oder haben sogar die Russen ihre Finger im Spiel? Wer will der polnischen Regierung schaden? Vielleicht nutzt die Wochenzeitung „Wprost“ einfach die Gelegenheit für einen investigativen Clou?
Versuchen wir etwas, das Chaos aus Anschuldigen, Gerüchten, Neuwahlwünschen und Vertrauensversicherungen zu entwirren, welches momentan die Tagesordnung der politischen Klasse in Warschau durcheinanderwirbelt:
Eine der größten polnischen Politmagazine „Wprost“ hat aus gut geschützten Quellen zahlreiche Tonbandaufnahmen aus Warschauer Edelrestaurants erreicht. Dort treffen sich gerne reiche Geschäftsleute und polnische Politiker. Letztere scheinen sich dort so sicher zu fühlen, dass einige pikante Aufzeichnungen entstanden sind.
Ausgelöst wurde die jetzige „Afera Podsłuchowa“ (Abhöraffäre) durch die Veröffentlichung in genannter Wochenzeitung. Ein angebliches Protokoll eines Gesprächs zwischen Notenbankchef Belka und Innenminister Sinkiewicz (PO) offenbart geheime Absprachen, die – sollten sie als echt bestätigt werden – den Wirkungskreis eines Notenbankchefs überschreiten. Daraufhin durchsuchte der Inlandsgeheimdienst die Redaktionsräume der „Wprost“, um an weiteres Material und Quellenhinweise zu gelangen. Redakteur Latkowski will seinen Informantenschutz gewährleisten, weshalb die Durchsuchung in Handgreiflichkeiten endete. Scharfe Kritik gab es dafür vom Journalistenverband OSCE, der solche Investigationen, die die Pressefreiheit bedrohen würden, für inakzeptabel hält.
Im nächsten Jahr erwarten Polen sowohl die Präsidenten- als auch die Parlamentswahlen. Präsident Bronisław Komorowski (am ehesten mit unserem Bundespräsidenten Gauck vergleichbar) ist Parteifreund von Premier Donald Tusk. Die liberalkonservative Bürgerplattform PO koaliert momentan mit der kleinen Bauernpartei PSL. Vorgezogene Neuwahlen würden angesichts der Vertrauenskrise zugunsten der nationalkatholischen Recht und Gerechtigkeit (Pis) ausgehen. Sie wird von Jarosław Kaczynski angeführt, dessen Zwillingsbruder beim Flugzeugabsturz in Smolensk starb.
Noch verteidigt Tusk sich und seine Minister. Allerdings wirft eine weitere Veröffentlichung ein ungünstiges Licht auf Außenminister Radosław Sikorski. Er äußerte sich laut „Wprost“ bei einem Gespräch mit Ex-Finanzminister Rostowski im feinen „Amber Room“ abfällig über die polnisch-amerikanischen Beziehungen. Im Streit zwischen deutschen und russischen Interessen würden die Polen wie „komplette Trottel“ zu sehr auf die USA vertrauen. Sikorski wird als Nachfolger für die Britin Catherine Ashton in Fragen der EU-Außenpolitik gehandelt.
Bevor wir uns in Betrachtungen verlieren, wer dem Ansehen der Rzeczpospolita Polska gerade am meisten schadet (Ex-Zentralbankchef Prof. Balcerowicz sieht sein Land auf eine „Bananenrepublik“ zusteuern, Sikorski warf in jenem belauschten Gespräch seinen Landsleuten „oberflächlichen Stolz und geringe Selbstachtung“ vor), frage ich mich, warum ich die Informationen auf Deutsch für diesen Artikel so weit hinter den Schlagzeilen suchen musste. Polen spielt in Bezug auf die Ukraine-Krise momentan eine entscheidende Rolle bei der Positionierung der EU und ganz nebenbei handelt es sich auch um unser Nachbarland. Wäre ein ähnlicher Skandal in unserem westlichen Nachbarland Frankreich wohl von der deutschen Presse mehr ausgebreitet worden?