Warschau im Zeichen des Regenbogens
Zur Parada Równości kamen mehrere tausend Teilnehmer in die polnische Hauptstadt. Doch wie viel Anders Sein ist in unserem Nachbarland akzeptiert?
Liegt es am starken Einfluss der katholischen Kirche oder der misslungenen Aufarbeitung des Kommunismus? Themen wie Feminismus und LGTB-Rechte werden in unserem Nachbarland noch immer nur von Randgruppen behandelt.
Doch am 14. Juni präsentierte sich Polen so bunt wie es selten gewagt wird: Mehrere tausend Teilnehmer (nach Veranstalterangaben sogar 13.000) schlossen sich dem bunten Marsch vom Kulturpalast bis zum La Playa am rechten Weichselufer an. Die Parada Równości (Gleichheitsparade) ähnelt dem westeuropäischen Christopher Street Day in Bezug auf Farbenprächtigkeit, aber die politischen Motive haben in Polen einen ernsteren Hintergrund.
Obwohl Homosexualität auch hinterm Eisernen Vorhang nicht illegal war, hat sich die rechtliche Situation für gleichgeschlechtliche Paare kaum weiterentwickelt. Letztes Jahr scheiterte ein Vorstoß des linken Parteienspektrums für die Einführung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft am Widerstand der beiden großen Parteien PO (Bürgerplattform) und PiS (Recht und Gerechtigkeit). Eigentlich hatte Premier Tusk noch im Wahlkampf vor der letzten Sejmwahl seine Unterstützung bekundet, er musste letztendlich dem konservativen Flügel seiner Partei nachgeben. Vereinzelte Befürworter gab es sogar in der nationalkonservativen PiS, doch vorherrschend ist die Meinung, dass die gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften verfassungswidrig sei. Die polnische Verfassung schützt die Familie ausdrücklich als Verbindung zwischen Mann und Frau, wie der Abgeordnete Artur Gorski betont. Sogar Friedensnobelpreisträger Wałęsa fiel vor einiger Zeit durch homophobe Bemerkungen auf.
Politische Unterstützung erfuhr die Warschauer Gleiheitsparade von den linken Parteien SLD, Zieloni und Ruch Palikota. Fehlen durften natürlich auch nicht Robert Biedroń und Anna Grodzka. Beide zogen bei den Parlamentswahlen 2011 für das Bündnis des unkonventionellen Palikot in den Sejm. Ein Novum, denn Biedroń bekennt sich offen zu seiner Homosexualität; Grodzka ist transsexuell.
Während des Umzugs überwog eine fröhliche, ausgelassene Stimmung alle politischen Debatten. Aus dem ganzen Land (und Ausland) waren Pärchen, Dragqueens oder Unterstützer angereist, um zusammen mit NGOs und den Förderern der norwegischen eea-Grants durch die halbe Stadt zu ziehen. Bewacht wurde das Ganze von einem beachtlichen Polizeiaufgebot. 2004 und 2005 war die Parade nicht gestattet worden, unter anderem wegen angekündigter Gegendemonstrationen von Nationalisten. Erfreulicherweise verlief die diesjährige Veranstaltung friedlich. Die Ausschreitungen vom 11. November erinnerten mich noch daran, dass die erzkonservativen und nationalistischen Bündnisse eine gewaltsame Kraft auf der Straße entfalten können. Die Mannschaftstruppen der Polizei standen also wieder an jeder Ecke in voller Montur bereit, doch nur vereinzelt hielten schwarz gekleidete Männer verunglimpfende Plakate und Kreuze (!) am Wegesrand in die Höhe.
Die Party endete im Sonnenschein nach einer Schleife durch Praga am Strandclub La Playa. Das rechte Weichselufer besticht durch eine romantische Sicht auf die Altstadt und das neue Zentrum um den Kulturpalast; Touristen werden noch immer teilweise davor gewarnt den Stadtteil Praga zu betreten. Einige ausgestreckte Mittelfinger, aber viel mehr freundliches Lächeln – sogar von alten Menschen – erreichten die Parade von den Balkonen.
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