Von Uhren, Explosionen und Arbeit
Viel passiert. Meine allersten Arbeitstage und die Erkenntnis, dass die Uhren in Irland anders ticken.
Was ist denn so in der letzten Woche alles so passiert...Ach ja. Also:
14.09.2011: Nach einem sehr faulen Mittwochnachmittag, haben wir uns entschlossen in eine Bar namens "soede" zu gehen, da wir dort live Musik erwartet haben (wie eigentlich überall). Zwar war dort Musik, doch es handelte sich um eine "Open-Mic-Night". So was kann ganz lustig sein, wenn sich viele talentierte Leute finden, die etwas präsentieren, doch wo sollen alle diese Leute herkommen, wenn die Bar sehr leer ist. Ein sehr betrunkener junger Ire (der sich irgendwie für einen guten Sänger gehalten haben muss), grölte bei Adeles "Someone like you" mit, bis er sich dazu entloss die Bühne erobern zu wollen und sich einfach das Mikro schnappte und aus voller Seele einen Song schmetterte (ohne sich von der fehlenden Musik stören zu lassen). Seine Freunde hielten diesen äußerst historischen Moment für die Nachwelt fest. Vielleicht wird in naher Zukunft sich ein Geheimdienst bei ihnen melden, um dieses Foltermaterial zu erwerben…
Auch haben wir zwei Österreicher getroffen, die zwei von uns schon zwei Tage zuvor kennen gelernt haben. Die beiden Ösis waren mit ein paar anderen mit einem Hausboot auf großer Sauffahrt in Irland und sind extra für die beiden Mädels wieder nach Athlone gekommen. Ich weiß nicht, wer auf die Idee kommt einen Saufurlaub in Irland zu machen. Die Bedingungen sind denkbar schlecht, da die Pubs früh schließen und der Alkohol teuer ist. Aber wer das Geld hat… Um bei den beiden Mädels zu landen, haben die beiden zwei Runden für uns bezahlt (für mich teures, importiertes Erdinger Alkoholfrei). Aber manchmal können auch die Spendierhosen einen Korb nicht verhindern.
Am Samstag den 17.09.2011, war mein allererster Arbeitstag. Nach 11 Tagen „Eingewöhnungszeit“ ging es endlich los. Da ich in der ersten Schicht des Tages war (9-17Uhr) hieß es früh aufstehen. Angekommen stellte sich erst einmal ein Hindernis in den Weg. Der Staffmember, der an dem Tag arbeiten sollte, erschien auch nach einer halben Stunde nicht. Die Nachtschicht wartete eigentlich nur auf die Übergabe, um endlich nach Hause zu können. Nach einem kurzen Griff zum Telefon, stellte sich heraus, dass die besagt Person eigentlich nicht mehr bei Simon arbeitet. Anscheinend hatte da jemand bei der Erstellung des Plans gepennt. Bis ein Ersatz im EAS ankam war es 11 Uhr und bis die Übergabe fertig war schlug die Uhr schon 12. Ich habe zusammen mit Saumya gearbeitet. Obwohl arbeiten kann man das nicht wirklich nennen, da Saumya mich im Büro abgestellt hat und meinte, dass ich mir an meinem ersten Tag keinen Stress machen solle. Aber was sollte ich sonst machen? Fürs erste bin ich die Akten der Bewohner durchgegangen und habe mir durchgelesen wie ihre vorherigen Tage so verlaufen sind. Spannend war das eigentlich weniger, da ich die Hintergründe der einzelnen Personen schon von meiner Induction kannte.
Bevor ich an Langerweile verkommen konnte, habe ich Saumya gezwungen mir eine Aufgabe zu geben. Somit war ich damit beschäftigt alle Türklinken und Griffe zu desinfizieren. Auch nicht sonderlich spannend, aber immer noch besser als nichts. Später ließen sich dann auch die Bewohner blicken. Einer der Bewohner war in sehr guter Stimmung und täuschte scherzhaft einen Angriff auf mich an. Später unterhielt ich mich mit ihm über Fußball, da er ein großer Fußballfan ist. Was man nicht alles tut. Von Fußball habe ich überhaupt keine Ahnung, aber wenn es das Thema ist, worüber er sprechen will, dann ist das so. Da Wochenende war, war nichts los. Die Bewohner standen spät auf und schauten dann Fußball oder spielten mit dem Staff Pool. Anscheinend muss man hier Pool spielen lernen. Ein großes Muss.
Am Sonntag war ich wieder von 09-17 Uhr arbeiten. Dieses Mal ist der Begriff berechtigt, da Laura den Sinn des Einarbeitens eher verstanden hat als Saumya. Sie hat mir gezeigt, was meine Aufgaben während dieser Schicht sein werden, wie zum Beispiel den Boden zu wischen, zu desinfizieren, zu kochen und so weiter. Auch diese Schicht verlief sehr ruhig.
Am Abend sind wir (Saumya, Laura, Andreea und ich) ins „Castle Inn“. Kathi kam später nach, da sie bis um 23 Uhr arbeiten musste. An diesem Abend spielten zwei Jungs Coversongs unplugged. Die Musik war echt super, doch es ging einiges schief für die beiden. Es begann mit einer Kleinigkeit, der Mikrofon Ständer rutschte immer wieder nach unten. Ich will die beiden nicht durch den Kakao ziehen, da ich sie eigentlich sehr niedlich fand und ihre Musik war echt gut, doch am Ende ging es soweit, dass der Gitarrist der beiden auf einmal ein falsches Lied spielte. Da ich direkt vor der Bühne saß konnte ich sehen, wie die beiden immer verzweifelter aussahen und irgendwann resignierten und das ganze anfingen mit Humor zu nehmen. Ich fand diesen Auftritt sehr charmant.
Am Montag den 19.09.2011 wurde von einer aus der Projektleitung ein Häusertreffen einberufen. Als Treffpunkt traf es mein Haus. Wir mussten daher aufräumen, was zum ersten großen Knall zwischen Matthew und mir geführt hat. Der Auslöser war ein Zettel mit einer Nummer darauf. Michael und ich hatten schon angefangen das Haus aufzuräumen. Matthew hatte eine Nummer von seiner Entsendeorganisation liegen lassen, den Zettel habe ich ihm daraufhin gegeben, damit er ihn gut aufbewahrt und nicht mehr im Weg liegt und womöglich weggeschmissen wird. Doch dieses kleine kanadische Kind schmiss diesen Zettel einfach in die nächste Ecke auf den Boden. Daraufhin bin ich explodiert. Wenn er schon nicht mit aufräumt, dann soll er doch wenigstens nicht seinen Müll ins aufgeräumte Haus schmeißen. Als ich ihn dann auch noch aufforderte die Küche aufzuräumen, die seit seinem kochen am Vortag einem Schlachtfeld aus Spagetti, Tomatensoße und zehntausenden schmutzigen Geschirr glich, wurde er zickig und äffte mich nach. Diese Situation und mein darauffolgender Ausraster (der wahrscheinlich nur passiert ist, da mir generell schnell auf die Nerven geht) haben mich zu der Schlussfolgerung geführt, dass ich eindeutig mehr Schimpfwörter und Flüche lernen muss.
Beim Meeting mit Christina (sie hat auch mein Interview in Marburg geführt) und Irene (sie hat mich vom Flughafen abgeholt) kamen Dinge wie das Internet und die nichtvorhandenen Fahrrader zur Sprache. Sie haben uns erklärt, dass sie unseren Vorschlag, unser „Gehalt“ zu kürzen und dafür besseres Internet zu besorgen, ablehnen müssten, da eine Änderung unseres Vertrages einen Papierkrieg mit unserer Entsendeorganisation und der National Agency mit sich bringen würde und sie dafür wieder die Ressourcen, noch die Zeit oder die Lust hätten. Aber sie haben eingesehen, dass wir besseres Internet benötigen. Und auf einmal war davon die Sprache, ob wir nicht einfach in unserem Haus Breitband (oder so ähnlich) haben könnten, da doch ein Anschluss vorhanden sein müsste. Woher das auf einmal kam, kann keiner genau sagen. Sie meinten sie würden das überprüfen und sehen, was sich machen ließe. Genau so wollten sie für unser Haus Fahrräder besorgen.
Ursprünglich sollten ich und Kathi im anderen Haus wohnen, da wir im EAS arbeiten und die Freiwilligen, die im Langzeitprojekt Slì arbeiten, sollten in unserem jetzigen Haus wohnen. Da aber nur ein Mensch im Slì lebt, werden dort keine Freiwilligen gebraucht. Jetzt arbeiten 10 (bald 8) Freiwillige im EAS in der eigentlich nur 4 arbeiten sollten. Na ja, weniger Arbeit für uns. Nach dem Meeting hatten wir das Gefühl, dass die beiden nur versucht haben uns glücklich zu machen und das in naher Zukunft nichts passieren wird. Von einem Trockner haben wir gar nicht erst angefangen, da das ein Ding der Unmöglichkeit werden würde.
Das einzige, was wir jetzt echt erwarten ist, dass die Heizkörper im Haus repariert werden, da diese einfach nicht warm werden und mit dem bevorstehenden Winter könnte das sehr ungünstig sein. Ich wollte den Winter nicht als Eisklotz verbringen, vor allem da wir im Wohnzimmer den Kamin nicht benutzen können, da wir anscheinend ansonsten das Dach in Flammen setzen. Zwar sollte dort schon längst ein Rohr eingesetzt worden sein. Na ja… unser Mantra ist: "In Irland funktionieren die Uhren einfach anders" (oder besser mal überhaupt nicht.)
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