Tiefe Löcher und Bergspitzen
„Langsam beginnt hier der Alltag und ich fange an, mich einzuleben. Auf der Arbeit fühle ich mich mittlerweile sogar nützlich und werde als Teil des Betreuerteams wahrgenommen. Auch die Kinder haben inzwischen echtes Zutrauen zu mir. Es tut mir fast leid, dass ich jetzt erst einmal für eine Woche zum Seminar nach La Couronne fahren muss.“
Mein Gott, es ist schon wieder so viel Zeit vergangen! Jetzt bin ich seit genau einem Monat in Strasbourg.
Langsam beginnt hier der Alltag und ich fange an, mich einzuleben. Auf der Arbeit fühle ich mich mittlerweile sogar nützlich und werde als Teil des Betreuerteams wahrgenommen. Auch die Kinder haben inzwischen echtes Zutrauen zu mir. Es tut mir fast leid, dass ich jetzt erst einmal für eine Woche zum Seminar nach La Couronne fahren muss.
Als ich mich am Freitag von ihnen verabschiedet habe und noch mal gesagt habe, warum ich nicht arbeiten komme, haben sie kurzerhand ihre Schulranzen geschnappt und gemeint, sie kämen mit. In solchen Momenten fühle ich mich richtig wohl hier, doch es gab gerade in der letzten Woche, auch schon Phasen, in denen ich mich manchmal gefragt habe, warum ich nicht einfach zu Hause geblieben bin. Man muss zum Beispiel ständig hinter irgendwelchen Antragsformularen, Bestätigungen und Scheinen herlaufen, von denen man gestern noch gar nicht wusste, dass es sie gibt und dann müssen sie plötzlich am besten sofort besorgt und ausgefüllt werden.
Da kam es schon vor, das ich ganze vier Stunden meiner Arbeitszeit in Büros und auf der Bank zugebracht habe, anstatt für die Kinder da zu sein. Das verdirbt einem den Spaß. Andererseits kann man sich mit dem Wissen trösten, dass das eben am Anfang so ist und sich mit der Zeit dann regeln wird.
Auch außerhalb der Arbeit läuft nicht immer alles gut. Vor einer Woche hatte ich mir ein neues Küchenmesser gekauft - denn ich koche jetzt doch selbst - und ich kann nur sagen, es schneidet sehr gut. Zumindest Fingerkuppen. Mein Finger hat auch nach zwei Stunden Druckverband nicht aufgehört zu bluten und beim Notruf ging ein Anrufbeantworter ran. Richtig wütend und verzweifelt war ich aber erst, als ich dann festgestellt habe, dass ich damit wohl nicht zum langersehnten ersten Schwimmtraining gehen kann. Aber ein Anruf zu Hause kann alles wieder besser machen.
Immerhin habe ich das Glück, dass mittlerweile schon einige Freiwillige in Strasbourg leben, die ähnliche Dinge mitmachen. Das macht es wesentlich leichter und so kommt man auch aus solchen Löchern wieder raus.
Am Montag war ich dann doch in der Schwimmhalle und hab mir alles angeguckt und nun bin ich noch viel heißer darauf, nach dem Seminar endlich anzufangen. Die Schwimmhalle ist riesig, die Leute sind nett und das Training anspruchsvoll. Mein Finger heilt auch wieder.
Mit dieser Einstellung fallen einem auch die kleinen schönen Dinge wieder auf. Hier in Strasbourg ist nämlich der Herbst eingezogen und beschert klare, kühle Tage mit viel Sonne. Die Luft riecht manchmal schon nach Winter. Die Bäume färben sich und überall fallen Kastanien von den Bäumen. Das lädt zum Spazieren gehen und Fahrradfahren ein.
Wie sagt man so schön, „Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach“. Aber ich fände momentan eine Taube auf der Hand besser als die Spatzen im Dach. Die wohnen sozusagen Wand an Wand mit mir und wecken mich jeden Morgen früh mit den Geräuschen, die sie mit ihren kleinen Krallen und Flügeln auf dem Holz und den Ziegeln machen. Aber gut, erst fahre ich in den Süden und dann sie. So arrangieren wir uns. :-)
Gestern war ich bei Ellen, sie ist auch Freiwillige in Strasbourg, um ihr beim Streichen ihres Zimmers zu helfen. Komischerweise gefiel ihr die dunkelbraune Blümchentapete nicht so richtig ;-). Swantje und Mirka aus Niederbronn waren auch da, und so haben wir vier Mädels einen Arbeitstag mit viel Musikhören, Singen, Quatschen, Teetrinken und natürlich Streichen eingelegt. Trotz der vielen Arbeit, die uns die Herren - Patryk, Ellens Mitbewohner, und Dennis, mein Mitbewohner, - natürlich gern überlassen haben, war es also ein sehr gemütlicher Tag, der uns allen mal richtig gut getan hat. Jetzt sieht das Zimmer auch schick aus und wir sind stolz auf uns.
Jetzt sag ich erst mal Tschüß und meld mich wieder, wenn ich braungebrannt vom Mittelmeer zurückkomme.
Ganz liebe Grüße, Nora