Sprechende Hände
Es ist ein langer Weg nach Knauthain. Weit weg vom Stadtzentrum, am Ende der Leipziger Straßenbahnlinie 3 ist aber nicht alles zu Ende, sondern für über 400 Jugendliche der Aufbruch in die Zukunft – in die berufliche Zukunft. Denn dort in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Knauthain befindet sich das Berufsbildungswerk Leipzig für Hör- und Sprachgeschädigte (BBW). Es ist eines von drei Berufsbildungswerken in Sachsen und das einzige in Ostdeutschland, das sich gezielt um Hör- und Sprachgeschädigte kümmert - und das bundesweit, denn es steht prinzipiell allen betroffenen Jugendlichen offen.
Es ist ein langer Weg nach Knauthain. Weit weg vom Stadtzentrum, am Ende der Leipziger Straßenbahnlinie 3 ist aber nicht alles zu Ende, sondern für über 400 Jugendliche der Aufbruch in die Zukunft – in die berufliche Zukunft. Denn dort in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Knauthain befindet sich das Berufsbildungswerk Leipzig für Hör- und Sprachgeschädigte (BBW). Es ist eines von drei Berufsbildungswerken in Sachsen und das einzige in Ostdeutschland, das sich gezielt um Hör- und Sprachgeschädigte kümmert - und das bundesweit, denn es steht prinzipiell allen betroffenen Jugendlichen offen.
Noch nicht mal auf dem Gelände angekommen, sieht man schon die ersten Jugendlichen, die sich ausschließlich in Gebärdensprache verständigen, aber schon bald wird dieser sonst eher seltene Anblick normal. Diese Kommunikationsform ist im Berufsbildungswerk die gängige. Die Mitarbeiter sind in der Lage, sich mit den jungen Leuten in Gebärdensprache zu verständigen.Gegenüber der Rezeption sitzt ein Mädchen und hört Musik, indem sie den Discman direkt in ihr Hörgerät eingestöpselt hat.
„Wir haben hier Werkstätten, Berufsschule und Internate sozusagen unter einem Dach vereint“, erzählt Andrea Tautz von der Öffentlichkeitsarbeit beim Rundgang auf dem elf Hektar großen Gelände, das nicht nur Arbeits-, sondern für viele auch Wohn- und Lebensstätte ist. Die berufliche Bildung aber steht an erster Stelle, und das Ausbildungsprogramm ist reichhaltig. Die Berufe Koch und Gärtner stehen ebenso auf der Liste wie Tischler, Mechatroniker, Bürokaufmann, Zahntechniker und Mediengestalter – insgesamt 27 stehen zur Wahl. Dazu kommen noch Orientierungs- und Einführungsangebote, da die Berufswahl bekanntlich eine der schwersten ist und von daher gut überlegt sein will. Hör- und Sprachbehinderungen machen diese Wahl nicht einfacher, da die Informationsbeschaffung naturgemäß schon für Menschen ohne Behinderung ein schwieriger Prozess ist.
Getragen wird die Einrichtung, deren Neubau in Knauthain im Oktober 1997 offiziell eingeweiht wurde, von drei Gesellschaftern: der Paulinenpflege Winnenden, der Stadt Leipzig und der Diakonie Sachsen. „Eines der obersten Ziele ist die Förderung von Selbstständigkeit und Selbstorganisation“, sagt Uwe Muschall, pädagogischer Mitarbeiter im Internat. Insgesamt stehen auf dem BBW-Gelände sechs Internatshäuser mit jeweils zwölf Wohnungen für vier Leute, die in zwei Einzel- und einem Doppelzimmer untergebracht sind, und die über große Wohnküchenbereiche verfügen. „Der Erwerb von Selbstständigkeit ist ein Prozess, in dem die Bewohner lernen, zunehmend die Verantwortung für die eigene Versorgung, die Sauberkeit in ihren Wohnungen und ihre Lebens- und Freizeitgestaltung zu übernehmen. Die pädagogischen Mitarbeiter orientieren sich hier an einer neuen Konzeption, die erst kürzlich verabschiedet wurde“, so Tautz über das pädagogische Konzept zur Selbstständigkeit in den Wohngruppen. „Man ist teilweise erstaunt, wie gut die jungen Leute das annehmen“, urteilt Muschall über die praktischen Auswirkungen und die Experimentierfreude.
Die Jugendlichen zeigen sich äußerst offen und aktiv. So gibt es diverse Sport- und Freizeitgruppen, die sich am BBW gegründet haben. Neben dem fast schon obligatorischen Fußballteam, der Tanzgruppe und dem Gebärdenchor hat sich sogar ein Schwarzlichttheater gegründet. Auch mit anderen bundesdeutschen Berufsbildungswerken stehen die Jugendlichen in regem Austausch. Im letzten Jahr fuhr beispielsweise eine Leipziger Delegation zur Deutschen Fußballmeisterschaft der Berufsbildungswerke ins schleswig-holsteinische Husum und erreichte dort einen respektablen dritten Platz.
Stichwort: BBW
In Deutschland gibt es derzeit 47 Berufsbildungswerke, die Ausbildungsplätze für Menschen mit den verschiedensten Behinderungen anbieten. 12300 Jugendliche nutzen hier die Möglichkeit zur beruflichen Erstausbildung, 2000 bereiten sich unmittelbar auf einen Wechsel ins Berufsleben vor. Die drei sächsischen BBWs haben sich spezialisiert auf Hör- und Sprachgeschädigte Menschen (Leipzig), Blinde und Sehbehinderte (Chemnitz) sowie auf Körperbehinderte und chronisch kranke Jugendliche (Dresden). Leipzig: www.bbw-leipzig.de Chemnitz: www.bbw-chemnitz.de Dresden: www.srh.de/bbws
Wie dieser Artikel entstand:
Der Artikel entstand für die von Studenten gemachte Zeitung „Sojus“ in Sachsen. Die Redaktion trifft sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat im Semester in der Villa, Lessingstraße 7 in Leipzig.
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